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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Juni 2008

Wann gilt was? – Abfallrecht und andere unübersichtliche Rechtsgebiete
Ersatzbrennstoffe
Die unendliche Haftung des Abfallbesitzers?
Öffentlich-rechtliche und private Entsorger

Wann gilt was?

Das Umweltrecht im Allgemeinen und das Abfallrecht im Speziellen sind – gelinde gesagt – eine verworrene Materie. Noch verwirrender wird es bei Abgrenzungsfragen. Wann gilt noch Abfallrecht und wann greift schon REACH? Und wofür sollte REACH eigentlich stehen? Von nur ca. 30 % der Tausenden von Substanzen war bislang die chemische Zusammensetzung bekannt, ganz zu schweigen die Synergieeffekte. Was aber nun alles unter REACH fallen soll! Was ist bei der Kompostierung neben der BioAbfV noch an Düngemittelrechtsvorschriften zu beachten? Wann gilt Abfall- und wann Bodenschutzrecht?

Hier hat das VG Magdeburg eine Abgrenzung vorgenommen, die Bewegung in die zurzeit laufenden Diskussionen um die geplante Verordnung zur Verwertung mineralischer Abfälle bringen könnte. Denn noch soll zwischen Ersatzbaustoffen und der Einbringung von Böden außer- und unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht – so auch bei der Verfüllung von Gruben etc. – unterschieden werden. Für letztgenannte Maßnahmen sollen wesentlich schärfere Zuordnungswerte vorgegeben werden als für den Einsatz mineralischer Abfälle als Ersatzbaustoff oder auch bei der Deponierung von Inertabfällen (wir hatten berichtet). Bei der Verfüllung von Gruben sei aber Bodenschutzrecht nicht anwendbar, so das VG Magdeburg. Boden sei nur die oberste Erdschicht; was darunter verfüllt wird, sei nicht mehr als Einbringung in oder auf dem Boden anzusehen.

Seit längerem werden zudem Stimmen laut, die fordern, nicht die Verwertungsart solle für die Festlegung von Zuordnungswerten maßgebend sein, sondern die jeweiligen Sicherungsmaßnahmen bzw. Umgebungsverhältnisse sollten für die Beurteilung zugrunde gelegt werden, welche Zuordnungswerte vorzugeben sind. Entsprechend hat Hessen einen Alternativentwurf zur geplanten Verordnung vorgelegt. Und ein dem Bundesumweltministerium vorliegendes Gutachten belegt, dass alles andere gegen das Gebot der Gleichbehandlung, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gebot des Ressourcenschutzes verstoßen würde.

‚Le mieux est l’ennemi du bien.‘

So ein französischen Sprichwort, das soviel bedeuten will wie ‚Das Beste ist der Feind des Guten.‘ Manch umweltrechtliche Vorgabe scheint aber eher einen praktikablen Umweltschutz zu verhindern als die Umweltsituation tatsächlich zu verbessern. So wird jedenfalls, was die geplanten Verordnung betrifft, befürchtet, dass – sollten die Anforderungen tatsächlich so kommen wie zurzeit vorgesehen – wieder verstärkt illegale Entsorgungswege beschritten werden.

Ein Sprichwort, das durchaus auf andere Bereiche unseres schönen Umweltrechts passt, wie z.B. manche Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung. Will ein LKW vom Süden in den Westen Münchens (oder umgekehrt) gelangen, so muss er nun einen ca. 50 km langen Umweg fahren.

Ersatzbrennstoffe

Ähnliches gilt für den von uns schon thematisierten Biodiesel. Nicht nur, dass die Abluft von Kraftwerken, die z.B. Palmöl einsetzen, stark nach Pommes Frites riecht. Das hat jedenfalls das saarländische VG so empfunden. Nein. Mit der Erzeugung von Biokraftstoffen steigen – von den Umweltauswirkungen einmal ganz abgesehen – weltweit die Lebensmittelpreise so horrend, dass in vielen Ländern die Grundnahrungsmittel für den ‚normalen‘ Einwohner nicht mehr bezahlbar sind. Aber man will ja erneuerbare Energien. Oder will man sich einfach nur vom Weltölmarkt lösen – koste es was es wolle?

Sinnvoll ist da sicherlich der Einsatz von Ersatzbrennstoffen. Der wird aber zurzeit in ganz anderer Weise problematisiert: Haben wir künftig Überkapazitäten an EBS-Kraftwerken? Vermutlich in Unkenntnis dieser Diskussionen und möglicherweise auch in Unkenntnis dessen, wie EBS-Kraftwerke überhaupt funktionieren, rief kürzlich eine Kirchengemeinde zur Prozession gegen eine solche Anlage auf. Aus Protest gegen ‚lebensbedrohende Bauvorhaben‘. Tja, wenn es um ‚lebensbedrohende Maßnahmen‘ ginge, gäbe es natürlich viel zu prozessieren. Doch war es hier wieder einmal eine Anlage vor der Haustür, die den Stachel des Protestes setzte. Aber St. Florian war ja auch ein Heiliger.

Überhaupt scheint die Müllentsorgung mehr und mehr eine kirchliche Angelegenheit zu werden. So fordert nun die neapolitanische Kirche die Mülltrennung. Ob die Kirchenoberen dabei die Sortiertechniken zur Kenntnis genommen haben, über die längst die Getrenntsammlung mancher Fraktionen in Frage gestellt wird?

Die unendliche Haftung des Abfallbesitzers?

Im Juni 2007 hatte das BVerwG entschieden, der frühere Abfallbesitzer bleibe auch dann für die weitere Entsorgung von Abfällen verantwortlich, wenn er seine Abfälle einem Entsorgungsfachbetrieb übergeben hat, der Entsorgungsweg aber scheitert (wir haben berichtet). Dieses Urteil führte und führt zu erheblicher Unsicherheit bei allen Abfallerzeugern und -besitzern, ob sie „quasi unendlich“ für ihre Abfälle haften.

So hatte zunächst auch das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe – gestützt auf dieses Urteil – in Erwägung gezogen, die Firmen, die Asbestzement zur Anlage in Hockenheim-Herrenteich geliefert hatten, zur Rücknahme der dort noch lagernden Mengen zu verpflichten.

Zwar hätten manche größeren Entsorgungsunternehmen – aus welchen Gründen auch immer – eine entsprechende Anordnung akzeptiert. Doch eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Firmen, für die diese Maßnahme eine erhebliche Belastung, im Einzelfall vielleicht sogar das finanzielle Aus bedeutet hätte, widersetzte sich der vorgesehene Inanspruchnahme.

Hierbei konnte durchaus auf die Urteilsgründe des BVerwG zurückgegriffen werden. Denn tatsächlich werden hierin Grenzen der Verantwortlichkeit aufgezeigt. So konnte u.a. darauf verwiesen werden, dass die Asbestzementabfälle zum Teil über mehrere Jahre hinweg angeliefert wurden, sodass nun nicht mehr nachvollziehbar sei, welche noch lagernden Mengen überhaupt von welchem Anlieferer stammten und welche tatsächlich behandelt worden sind. Auch hatte sich das Material, das bis heute in der Anlage lagert, in seiner physikalischen Eigenschaft wesentlich geändert. Nach dem Urteil des BVerwG kann jedoch ein ehemaliger Abfallbesitzer nur dann zur weiteren Entsorgung verpflichtet werden, wenn sich die Abfälle noch in dem Zustand befinden, in dem sie angeliefert wurden. Schließlich hatte im konkreten Fall der Anlagenbetreiber gegen wesentliche genehmigungsrechtliche Auflagen verstoßen. Über mehrere Jahre hinweg hatte er weit größere Mengen im Eingangslager aufgenommen, als ihm genehmigungsrechtlich gestattet war, sodass die Behörde insoweit viel früher hätte einschreiten müssen.

Öffentlich-rechtliche und private Entsorger

Der Kampf zwischen kommunalen und privaten Entsorgern will nicht enden. Nicht nur bei dem von uns schon öfters erwähnten Kampf ums Altpapier. Welches Verwaltungsgericht ist zurzeit nicht mit der Frage beschäftigt, ob die ‚Blaue Tonne‘ in einer Kommune von einer Privatfirma aufgestellt werden darf oder nicht. Nein, die Frage ist viel prinzipieller.

Und ganz prinzipiell hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig entschieden, dass keine Überlassungspflichten bestehen, wenn der Privatmann die Abfälle – auch unter Einschaltung Dritter – verwerten kann. Die Revision gegen dieses Urteil wurde zugelassen, um eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser grundlegenden Frage zu erzielen.

Umgekehrt hat aber das OVG NRW die Positionen der Kommunen gestärkt, indem es die Zulässigkeit der Entsorgung durch einen Kommunalverband auf verbandsfremdem Gebiet bestätigt hat. Andernfalls seien Fahrzeuge und Anlagen – hier ging es um ein Zwischenlager – unterausgelastet. Eine solche wirtschaftliche Kalkulation würde sicher auch gerne mancher private Entsorger von Gerichten bestätigt wissen. Ähnlich wie eine Gebührenerhöhung um 40 Prozent innerhalb von 2 Jahren, die das OVG Schleswig für zulässig erklärt hat.

Sämtliche Kalkulationen wollen und müssen wir Ihnen überlassen. Doch stehen wir Ihnen gerne bei der Klärung rechtlicher Fragen zur Seite.

 
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©  2003-2010  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2010-09-01
Abfalltonne