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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter November 2010

Lissabon und Abfallentsorgung
Steuer für tauschähnlichen Umsatz
Nach der Abwrackprämie nun die Abrissprämie?
Rotschlamm und andere Unappetitlichkeiten
Fehlende Entsorgungsmöglichkeiten im Inland

Lissabon und Abfallentsorgung

Die Diskussionen über den Entwurf zum neuen KrW-/AbfG laufen auf Hochtouren. Letztlich will jeder Interessensverband seine Interessen besser in dem Gesetz gewürdigt wissen. Dabei berufen sich die Kommunen auf eine hohe Instanz: Den Lissabon-Vertrag. Mit dem wurde den lokalen und nationalen Behörden bei Fragen der Daseinsvorsorge ein höherer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Und die Abfallentsorgung soll ein Teil der Daseinsvorsorge sein. Die Argumentation hat nur den Haken, dass die konkretisierende Abfallrahmenrichtlinie das so nicht hergibt. Danach haben die Mitgliedstaaten zwar auch ein angemessenes und integriertes Entsorgungsnetz für gemischte Abfälle zur Verwertung aus Privathaushalten einzurichten. Dass dieses Netz von der öffentlichen Hand betrieben werden muss, steht jedoch nicht in der Richtlinie. Auch gilt diese Vorgabe nicht für getrennt erfasste Fraktionen. So ist der Streit um die Wertstofftonne entbrannt, in der verwertbare Fraktionen gemischt gesammelt werden sollen. Alles Verwertbare in eine Tonne, und schon hat die Kommune die Zuständigkeit erobert? Und da nach dem neuen Steuerrecht die Kommunen die Verluste aus defizitären Einrichtungen durch Gewinne aus profitablen Betrieben ausgleichen dürfen, haben sie selbstredend ein lebhaftes Interesse, die Wertstoffe unter ihren Fittichen zu haben.

Dass auf der anderen Seite mit dem freien Markt argumentiert wird, hat auch einen kleinen Haken. Denn v.a. die Organisation zur Entsorgung von Verpackungsabfällen teilen sich auch nur wenige, marktbeherrschende Unternehmen auf. Und unter denen besteht regelmäßig der Streit, welcher Systembetreiber welche Lizenzmengen gemeldet hat und ob diese Mengen reell sind.

So wird von dritter Seite empfohlen, die Kommunen sollten die Entsorgungsleistungen umfassend ausschreiben, sodass letztlich auch regionale kleine und mittelständische Unternehmen ihren Platz in der Entsorgungslandschaft halten können.

Was die Frage der Hierarchiefolge Vermeidung vor Wiederverwendung etc. betrifft, nun, darüber haben wir bereits berichtet – und wir werden wieder darauf zurückkommen. Doch wenden wir uns heute einem Thema zu, in dem wir uns eigentlich weniger auskennen. Dem Steuerrecht. Genauer gesagt, dem Thema

Steuer für tauschähnlichen Umsatz

Kürzlich wurde in der Fachpresse erläutert, wann diese Steuer anfällt und wann nicht. Ehrlich gesagt: Wir haben jedenfalls diesen Bericht nicht so recht verstanden. Das Resumée aber schon: Es wird empfohlen, die Regelungen zum tauschähnlichen Umsatz rückgängig zu machen.

Dieses Ergebnis dürfte dem Ziel, den Vorrang der Verwertung zu fördern, eher entsprechen. Und anstelle einer Steuer für tauschähnliche Umsätze würde eine Deponiesteuer die Verwertung wohl erst recht stärken. Auch wenn das Thema hierzulande noch nicht angerührt wird, so ist die Deponiesteuer in anderen Ländern – wie etwa der Schweiz, Österreich und den Niederlanden – längst gang und gäbe.

Nach der Abwrackprämie nun die Abrissprämie?

Nach dem ökologischen und ökonomischen Komplettunfug der Abwrackprämie konnten wir einer Pressenotiz entnehmen, dass nun die Abrissprämie diskutiert wird. Altbauten sollten abgerissen, der Neubau modern gedämmter Häuser gefördert werden. Das Ganze natürlich, um Energie zu sparen. Sollte dieser Vorschlag tatsächlich aufgegriffen werden, so werden die Wertezerstörung und der Energieverbrauch, die die Abwrackprämie zur Folge hatte, sicherlich um ein Vielfaches übertroffen werden.

Rotschlamm und andere Unappetitlichkeiten

Mit Grauem wurden kürzlich die Bilder aus Ungarn zur Kenntnis genommen. Dass so etwas noch zugelassen bzw. geduldet wird. Und das in Europa!

Aber seien wir doch mal ehrlich. Sind nicht längst viele problematische Produktionen ins Ausland verlagert worden? So hat sich die Aluminiumproduktion weltweit in den letzten 20 Jahren etwa verdoppelt, von ca. 20 auf ca. 40 Mio. t jährlich. Diese verstärkte Produktion findet nicht in Westeuropa oder in den USA statt. Hier ist die Produktion in etwa gleichgeblieben bzw. sogar rückläufig. Dafür hat z.B. China eine Produktionssteigerung von 850.000 t (1990) auf mehr als 13 Mio. t im Jahr 2008 zu verzeichnen. Über den Zuwachs in Ungarn haben wir keine Zahlen, wohl aber, dass 70 bis 75 % des in Ungarn produzierten Aluminiums nach Westeuropa exportiert werden. Und -zig ha sind allein in Ungarn und Rumänien mit vergleichbaren Schlammbecken belegt, z.T. unmittelbar an der Donau.

In ähnlicher Weise wurde die Textilproduktion verlagert: Schätzungen zufolge werden 90 % der hier verkauften Kleidung in Asien produziert. Auf den Baumwollfeldern verspritzen Arbeiter ohne jeglichen Schutz solche Pflanzenschutzmittel, die hier längst verboten sind, die aber – auch von deutschen Chemiefirmen – noch in Asien produziert und vertrieben werden. Die Arbeiter in den Textilfabriken arbeiten zu einem Hungerlohn 12 - 14 Stunden/Tag. Zu guter Letzt wird die Kleidung mit Nervengift eingesprüht, damit bloß keine asiatischen Schädlinge nach Europa eingeschleust werden. Ähnlich umwelt- und gesundheitszerstörend die Entsorgung ausrangierter Schiffe in Indien oder Pakistan usw. usw…

Fehlende Entsorgungsmöglichkeiten im Inland

Doch wir müssen gar nicht so weit schauen. Denn auch hier wird produziert, selbst dann, wenn es keine Entsorgungslösung für die anfallenden Abfälle gibt. Angefangen vom Atommüll, für den es schlicht und einfach keine sichere Entsorgungsmöglichkeit gibt. Siehe Grube Asse. Zum Teil landet deutscher Atommüll über den Umweg La Hague auf einem sibirischen Güterbahnhof. Und was die „Verwertung“ atomaren Abfalls, des abgereichten Urans, betrifft, das bei der Anreicherung zur Herstellung von Brennstäben anfällt, verweisen wir auf den Film „Tödlicher Staub“, der im Internet veröffentlicht ist. Aber Vorsicht, sensible Gemüter seien gewarnt: Bei diesem Film kann es einem eigentlich nur schlecht werden. Die Sprengköpfe, die mit diesem Abfall erzeugt werden, sollen übrigens auch in Deutschland produziert werden.

Oder nehmen wir die jährlich ca. 9 Mio. m3 Salzlauge, die K + S produzieren soll und in den Untergrund verpresste. Viele Trinkwasserbrunnen mussten geschlossen werden. Und wegen der Probleme mit der Verpressung werden zurzeit angeblich ca. 7 Mio. m3 in die Werra eingeleitet. Der Konzern berufe sich dabei auf eine Altgenehmigung und auf Grenzwerte aus dem Jahre 1942.

Doch um die Natur zu schützen, brauchen wir Geringfügigkeitsschwellenwerte, die zum Teil strenger sind als die TrinkwasserV oder als die Werte, die – ganz natürlicherweise – in der Natur vorkommen können. Sollten die Anforderungen für mineralische Abfälle – und hier insbesondere an die Verfüllung – tatsächlich so kommen wie bislang geplant, so wird die Verwertung großer Mengen unmöglich werden. Aber der Grenzwert für Chlorid und Sulfat ist selbstverständlich einzuhalten.

Aber warum sollte es der Abfallwirtschaft besser gehen als z.B. Biobauern. So durften nach einem Beschluss des nordrhein-westfälichen Oberverwaltungsgerichts Bio-Eier nicht als Bio-Eier bezeichnet werden, weil für den ca. 5 ha große Wald, in dem die Legehennen herumspazieren sollten, keine Waldumwandlungsgenehmigung vorlag.

 
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©  2003-2010  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2010-11-19
Abfalltonne