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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Juni 2018

Rechtsmittel Klage
Entbürokratisierung im betrieblichen Alltag?
Dokumentationspflichten nach der GewAbfV
Betreiber von Vorbehandlungsanlagen
Wust an Dokumentationen
DIN EN ISO 9000 ff
Entsorgungsfachbetriebe
Ordnungsgemäße Betriebsführung
Ordnungswidrigkeit wegen formaler Fehler
Praxiserfahrung zählt nicht mehr

Sie klingt so schön, so verheißungsvoll. Die „Entbürokratisierung“. Mal hören wir es auf Landesebene, mal auf Bundes-, mal auf europäischer Ebene. In manchen Bundesländern wurde z.B. zum Zwecke der Entbürokratisierung das Widerspruchsverfahren – und sei es für bestimmte Rechtsgebiete - abgeschafft. Aber wem nutzt das? Demjenigen, der sich gegen eine behördliche Anordnung verwehren will, die er nicht für gerechtfertigt hält? Demjenigen, der Auflagen, die mit einer Genehmigung verbunden wurden, für zu weitgehend hält?

Rechtsmittel Klage

Nein. Dem nutzt die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens überhaupt nichts. Denn die Kontrolle durch die vorgesetzte Behörde findet nicht mehr statt. So jedenfalls der Zweck der „Entbürokratisierung“. Obwohl genau das die Zielsetzung des Widerspruchsverfahrens war, auch zur Sicherstellung eines einheitlichen Vollzugs.

Soweit es nicht gelingt, die vorgesetzte Behörde im Streitfalle dennoch mit einzubeziehen, muss man sich also gleich an das zuständige Verwaltungsgericht wenden, sollen solche Anordnungen oder Auflagen nicht akzeptiert werden. Sei es z.B., dass mittels Anordnung eine Sicherheitsleistung für eine bereits genehmigte Abfallbehandlungsanlage erhoben wird, diese aber als unrealistisch hoch eingeschätzt wird. Sei es, dass z.B. eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung erfolgt, obwohl die Voraussetzungen – das Vorliegen einer Altlast oder sonstigen schädlichen Bodenverunreinigung – in keiner Weise belegt sind. Sei es, dass in einer Genehmigung für eine Abfallentsorgungsanlage Nachweise über die weitere Entsorgung von Abfällen verlangt werden, die über die Anforderungen des KrWG i.V.m. der NachweisV hinausgehen. Oder aber andere, von der Rechtslage nicht getragene Einschränkungen abverlangt werden…

Die Gerichtsverfahren bergen – fast selbstredend – ein Risiko in sich. Und damit das Kostenrisiko für die Betroffenen. Aber die Verwaltungsebenen sind entlastet! Entbürokratisierung eben.

Entbürokratisierung im betrieblichen Alltag?

Entbürokratisierung im betrieblichen Alltag findet hingegen nicht statt. Umgekehrt. So gut wie alles ist zu dokumentieren, zu registrieren, zu archivieren, und im Zweifel den Überwachungsbehörden vorzulegen.

Seien es die Dokumentationspflichten der Betreiber von Entsorgungsanlagen – Betriebstagebuch mit den Registerpflichten und allen möglichen weiteren Einträgen, Jahresberichte, Betriebshandbuch, Betriebsordnung, Betriebsanweisungen, Dokumentation der Einweisung des Personals, die Handhabung der verantwortlichen Erklärungen und der Annahmeerklärungen, natürlich mit Analytik und Probenahmeprotokoll, und die ohnehin obligatorischen Nachweispflichten etc. etc…

Dokumentationspflichten nach der GewAbfV

Hinzu kommen nun die Dokumentationspflichten nach der GewAbfV, bei denen noch lange nicht feststeht, wie diese letztlich überhaupt auszusehen haben. Fest steht aber, dass die Abfallerzeuger ihre Getrennthaltungspflichten und, soweit eine Getrennthaltung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist, die Zuführung der Abfälle zu einer Vorbehandlungs- respektive Aufbereitungsanlage für mineralische Abfälle zu dokumentieren haben. Und natürlich ist auch zu dokumentieren, weshalb bei bestimmten gemischt anfallenden Fraktionen weder eine Vorbehandlung noch eine Aufbereitung der mineralischen Abfälle technisch möglich oder wirtschaftlich zumutbar ist.

All dies mag bei größeren Produktionsfirmen, bei denen regelmäßig dieselben Abfälle anfallen, noch machbar sein. Die Dokumentationspflichten gelten aber für jede Anfallstelle. Und so muss jede Baufirma für jede einzelne Baumaßnahme, jede Abbruchfirma für jede einzelne Abbruchmaßnahme entsprechende Dokumentationen vorhalten können.

Betreiber von Vorbehandlungsanlagen

Betreiber von Vorbehandlungsanlagen müssen ab 2019 ihrerseits und natürlich über Dokumentationen belegen können, welche Mengen an Abfällen sortiert, welche Mengen recycelt wurden. Bei nachgeschalteten Behandlungsanlagen sind die jeweiligen Quoten dem Erstbehandler mitzuteilen und die Gesamtquoten sind durch diesen zu ermitteln.

Das treibt das Recycling voran! Auch wenn man schon jetzt weiß, dass die europarechtlich vorgegebenen Quoten – selbst durch den Recyclingweltmeister Deutschland – zurzeit nicht erfüllt werden können. Und allein schon angesichts der bestehenden Fehlwürfe wird in Zweifel gezogen, ob die in der GewAbfV vorgegebenen Recyclingquoten auch nur ansatzweise realistisch erscheinen.

Wust an Dokumentationen

Und so bearbeiten die Betriebe einen Wust an Dokumentationen, das Personal ist mehr und mehr mit der Pflege all der Formalien überlastet. Egal, ob dies der Umwelt im Allgemeinen und der Abfallbewirtschaftung im Besonderen überhaupt zuträglich ist.

Aber warum sollte das anders sein als in anderen Branchen?

DIN EN ISO 9000 ff

Denn in wie vielen Branchen lassen sich die Betriebe und Dienstleister z.B. nach dem Normenwerk der DIN EN ISO 9000 ff zertifizieren. Produktionsbetriebe, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, ja, selbst Nachhilfeinstitute usw. usw.

Auch diese müssen ihre Tätigkeiten exakt dokumentieren. So müssen etwa Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen ihre jeweilige Krankenpflege sowie sonstige Pflegemaßnahmen dokumentieren. Ob die Maßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden angesichts der ohnehin knappen Zeit, die dem Personal zur Verfügung steht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hauptsache, es wurde dokumentiert!

Entsorgungsfachbetriebe

Im Entsorgungsbereich lassen sich die Firmen hingegen weitgehend als Entsorgungsfachbetrieb zertifizieren. Das bedeutet bekanntermaßen einen erheblichen jährlichen Personal- und Kostenaufwand. Denn auch die Zertifizierer müssen die Betriebe und – jedenfalls stichprobenartig – die Dokumentationen prüfen.

Doch damit nicht genug: Mit den Verschärfungen in der EfbV wird die bislang regelmäßige – freiwillig veranlasste und durchgeführte – zusätzliche Überprüfung durch den externen Sachverständigen nochmals erschwert: Wechsel der Zertifizierer, unangekündigte Kontrollen, mindestens alle 3 Jahre ein zusätzlicher Sachverständiger…

Ordnungsgemäße Betriebsführung

Mit all den Dokumentationen soll die ordnungsgemäße Betriebsführung belegt werden. Und wehe, die einschlägigen Unterlagen können nicht umgehend vorgelegt werden, und sei es bei einer nicht angekündigten Überprüfung des Betriebs. Oder in den Dokumentationen ist etwas nicht ganz schlüssig. Oder es wurde versehentlich ein Formblatt nicht vollständig ausgefüllt. Oder es wurde z.B. auf einem Begleitpapier das Übernahmedatum in einer falschen Spalte eingetragen, so etwa auf dem Formblatt des Anhangs VII der AbfVerbrV, also dem Formblatt, das bei der Verbringung von grün-gelisteten Abfällen innerhalb der OECD-Staaten zu verwenden und mitzuführen ist.

Ordnungswidrigkeit wegen formaler Fehler

Dann droht gleich ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. Denn zunehmend werden die formalen Fehler als Ordnungswidrigkeit geahndet. Unabhängig davon, wie erfahren und wie seriös der Betreffende tatsächlich arbeitet. Und unabhängig davon, ob überhaupt ein Umweltschaden auch nur ansatzweise entstanden ist oder hätte entstehen können.

Der Fehler liegt in der fehlerhaften Dokumentation!

Wenn der Betreiber Glück hat und auch von den Behördenvertretern als seriös einschätzt wird, droht ihm dann vielleicht nur eine Verwarnung.

Praxiserfahrung zählt nicht mehr

All die Dokumentationspflichten sind tatsächlich vom Gesetzgeber gewollt. Das Eigentliche, worauf es ankommen sollte, die Praxiserfahrung, soll jedenfalls insoweit kaum noch maßgeblich sein.

Wie wär’s denn, wenn wir uns wieder mehr an kluge Erkenntnisse halten würden, so etwa mit Kurt Tucholsky: „Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb.“

 
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©  2003-2018  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2018-06-27
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