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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Juni 2019

Vollzugshinweise zur GewAbfV
Anfallstellen
Produktionsbetriebe und Handel
Bau- und Abbruchfirmen
Renovierungsarbeiten im Privathaus
Baumischabfälle …
… in Vorbehandlungsanlagen …
… und Baumischabfälle in Aufbereitungsanlagen
Stark verschmutzte Gemische
Recyclingquoten

Denkt man an guten Wein und leckere Speisen und Menus, ja, dann ist die Assoziation sofort da: Leben wie Gott in Frankreich. Bei Deutschland spricht man vom Land der Dichter und Denker. Aber das, so scheint es, ist im Wandel. Denn hier wollte und will man sich den Titel des Recyclingweltmeisters sichern. Und tatsächlich: Auch wenn – reell betrachtet – Deutschland weit davon entfernt ist, Recyclingweltmeister zu sein: eine besondere empathische Beziehung zum Thema Abfall gibt es hier bei uns wohl wirklich.

Vollzugshinweise zur GewAbfV

Kürzlich wurden sie von der LAGA beschlossen und werden zur Umsetzung empfohlen: Die Vollzugshinweise zur GewAbfV in der Fassung vom 11. Februar 2019. Diese eröffnen weite Ermessensspielräume für die zuständigen Behörden. So werden z.B. Hinweise gegeben, wann technische Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit für die Getrennthaltung gegeben sein können. Klare Definitionen, wann die Voraussetzungen hierfür tatsächlich vorliegen, sind jedoch nicht ersichtlich. Der unterschiedliche Vollzug ist daher zwangsläufig vorprogrammiert.

Anfallstellen

Brisant ist ohnehin das Thema „Anfallstellen“. Denn daran entscheidet sich der Aufwand, den die jeweiligen Gewerbetreibenden für die Getrennthaltung, die Suche nach geeigneten, der GewAbfV entsprechenden Entsorgungswegen und die Dokumentation zu leisten haben.

Produktionsbetriebe und Handel

Bei Produktionsbetrieben und dem Handel dürfte die Umsetzung noch relativ überschaubar sein. Es fallen regelmäßig dieselben Abfälle an. Die Suche nach geeigneten Entsorgungswegen erfolgt zunächst einmal, die Wege können danach aber selbstverständlich noch geändert werden. Und auch die Dokumentationen sind grundsätzlich nur einmal für einen Standort zu erstellen.

Bau- und Abbruchfirmen

Dagegen sollen Bau- und Abbruchfirmen entsprechende Dokumentationen regelmäßig für jede einzelne Baustelle erstellen. Jedes Mal neue Fotos und / oder Lagepläne, jedes Mal eine Begründung, warum und weshalb eine weitere Getrennthaltung oder – bei Baumischabfällen – eine Zuführung zu einer Aufbereitungs- oder Vorbehandlungsanlage wirtschaftlich nicht zumutbar oder technisch nicht möglich ist …

Allerdings sollen die auf kleineren Baustellen, z.B. bei der Renovierung und Sanierung von Bestandsgebäuden, anfallenden Abfälle auch gemeinsam zur Betriebsstätte der jeweiligen Bau- oder Abbruchfirma befördert und erst dort in die einzelnen Abfallfraktionen aufgeteilt werden können. Dann gilt die Betriebsstätte als Anfallstelle und die Dokumentation der getrennten Sammlung ist für die Betriebsstätte zu erstellen. Klargestellt ist auch, dass ein selektives Abladen und Verteilen auf verschiedene Abfallbehälter in der Betriebsstätte keine Abfallbehandlung darstellt. Immerhin!

Doch bleibt die Frage – und auch hier können wir auf die Ermessensausübung durch die zuständigen Behörden gespannt sein: Was gilt als ‚kleinere Baustelle‘. Renovierungsarbeiten in einem Wohnhaus? Ziemlich sicher ja. Renovierungsarbeiten an einem größeren Bürogebäude? Mmh, da wird’s schon wieder fraglich …

Renovierungsarbeiten im Privathaus

Apropos Privathaus. Die Rechtsprechung, auch die höchstrichterliche, und die überwiegende Literatur gehen davon aus, dass Abfälle aus privaten Haushalten solche Abfälle sind, die typischerweise und regelmäßig im Rahmen der privaten Lebensführung anfallen. Hierzu zählen z.B. Verpackungsmüll, Biomüll. Restmüll, Papier, Altkleider etc. Hierzu zählen jedoch nicht z.B. Altfahrzeuge oder aber Abfälle, die im Rahmen einer Sanierung oder eines Umbaus eines Privathauses anfallen. Denn diese Materialien fallen, so die Begründung, nun einmal nicht typischerweise im Rahmen der privaten Lebensführung an.

Diese Einschätzung wird nun durch die LAGA schlicht und einfach vom Tisch gefegt. Danach soll es sich um Abfälle aus privaten Haushalten handeln, wenn die Renovierungs- / Sanierungsarbeiten durch den Privatmann selbst durchgeführt werden. So wird kurzerhand eine neue Definition eingeführt, der Zugriff der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf diese Abfälle bleibt gewahrt, bzw. soll wieder gewahrt werden. Ob diese Definition allerdings Stand halten wird, ist eine andere Frage.

Und was ist, wenn, wie in der Praxis durchaus üblich, Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen gleichzeitig von Handwerksbetrieben und parallel durch Eigenleistungen des Hauseigentümers erfolgen? Und wenn, wie ebenfalls durchaus üblich, die bei den Baumaßnahmen anfallenden Abfälle gemeinsam erfasst werden?

Baumischabfälle …

Das Thema Baumischabfälle wird in den Vollzugshinweisen der LAGA natürlich auch aufgegriffen. Baumischabfälle, bei denen eine weitere Getrennthaltung der einzelnen Fraktionen wirtschaftlich nicht zumutbar oder technisch nicht möglich ist, werden unterteilt in solche, die überwiegend, d.h. zu ≥ 50 %, aus mineralischen Anteilen bestehen und solchen, die überwiegend, d.h. zu ≥ 50 %, nicht-mineralische Anteile enthalten. Im ersten Fall, also den überwiegend mineralischen Anteilen, sollen die gemischt erfassten Abfälle grundsätzlich einer Aufbereitungsanlage zugeführt werden. Im zweiten Fall, also den überwiegend nicht-mineralischen Gemischen, sollen die Abfälle grundsätzlich einer Vorbehandlungsanlage zugeführt werden.

… in Vorbehandlungsanlagen

Das ist verblüffend. Denn weiter oben in denselben Hinweisen wird klargestellt, dass nicht nur Glas, sondern auch andere mineralische Abfälle die Vorbehandlung stören können. Solche Materialien sollten daher nicht im Gemisch enthalten sein. Doch gleichzeitig besteht die Verpflichtung, solche Baumischabfälle vorrangig einer Vorbehandlungsanlage zuzuführen!

Aber halt: Der Betreiber der Vorbehandlungsanlage soll ja selbst entscheiden können, ob er das Gemisch mit mineralischen Anteilen haben will oder nicht. Das bedeutet in der Konsequenz: Der Container mit dem Baumischabfall ist grundsätzlich einer Vorbehandlungsanlage zuzuführen. Nach Prüfung kann der Betreiber bestimmen, ob er das Gemisch haben will oder nicht. Im ersten Fall kann er einen nicht unwesentlich höheren Entsorgungspreis verlangen. So rechnet er diese Mengen den 70 % zu, die nicht recycelt werden müssen, egal, ob das Material überhaupt sortiert / vorbehandelt wird. Und wenn schon zu viele nicht recycelfähige Abfälle vorhanden sind, wird der Abfall halt zurückgewiesen. Der Erzeuger darf sich dann um andere Entsorgungswege kümmern. Das ist sehr praktikabel!

… und Baumischabfälle in Aufbereitungsanlagen

Doch auch die Vorgabe, dass Baumischabfälle, die ≥ 50 % mineralische Anteile aufweisen, grundsätzlich einer Aufbereitungsanlage zuzuführen sind, ist reichlich praxisfremd. Denn zum einen sind in Aufbereitungsanlagen in der Regel ohnehin nur geringe Anteile an Störstoffen, so vor allem auch der Anteil an nicht mineralischen Anteilen, zugelassen. Zum anderen haben die Aufbereiter ohnehin und immer noch mit der mangelnden Akzeptanz von RC-Baustoffen zu kämpfen, selbst wenn diese schadstofffrei und bestens zu gebrauchen sind. Nun sollen sie auch noch wilde Gemische annehmen …?

Stark verschmutzte Gemische

Aber immerhin hat die LAGA auch klargestellt: Die Zuführung von stark verunreinigten Gemischen mit überwiegend nicht-mineralischen Anteilen zu einer Vorbehandlungsanlage kann, eben aufgrund dieser Verschmutzungen, wirtschaftlich unzumutbar sein. Und auch bei Gemischen mit überwiegend mineralischen Anteilen geht die LAGA davon aus, dass eine Zuführung zu einer Aufbereitungsanlage technisch nicht möglich ist, wenn die Aufbereitung aufgrund der Zusammensetzung, der Verunreinigung oder des Schadstoffgehalts nicht realisierbar ist. Gut und schön. Nur, dass auch hier die Umsetzung und das behördliche Ermessen abgewartet werden müssen, was als entsprechend starke Verschmutzung respektive Zusammensetzung, Verunreinigung oder Schadstoffgehalt anerkannt wird.

Recyclingquoten

Kommen wir zurück zu den Recyclingquoten. Hier befürchten manche Verbände, dass durch den Druck zur Getrenntsammlung in den übrigbleibenden Gemischen letztlich viel zu wenig recyclingfähiges Material enthalten sein kann, um die in der GewAbfV geforderte Recyclingquote von 30 Masse-% zu erfüllen. Da werden die Betreiber mit den gewerblichen Abfallerzeugern noch verhandeln müssen: Liebe Leute, kommt Eurer Pflicht zur Getrennthaltung nach, aber bloß nicht zu penibel …

Ja, auch angesichts der GewAbfV und der Vollzugshinweise scheint tatsächlich eine besondere empathische Beziehung zum Thema Abfall bei uns vorzuliegen!

 
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©  2003-2019  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2019-06-13
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