Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
(K)ein Freitag, der 13. ,
sondern ein Donnerstag. Donnerstag, der 13. Februar 2003. Wer weiß, wie viele Fachleute, die mit Abfall, Abfallmarkt, Abfallrecht und Abfallpolitik zu tun haben, gebannt wie die Karnickel an ihrem PC saßen, immer wieder im Internet die Seite des Europäischen Gerichtshofs aufsuchend. Die Seite mit den aktuellen Entscheidungen. Bis sie endlich da war. Die Entscheidung, die schon lange erwartet wurde und deren Ergebnis absehbar war.
Sekt oder Selters?
Für den einen Sekt, für den anderen Selters. Denn der EuGH hat so entschieden, wie von dem einen gewünscht, von dem anderen – grad so, als wär’s ein Freitag der 13. – befürchtet. Mit dieser Entscheidung wird auf dem deutschen Abfallmarkt einiges in Bewegung geraten.
Nochmals kurz zum Hintergrund: Vorgemischte Abfälle mit einzelnen Fraktionen, die einen geringeren Heizwert als 11.000 kJ / kg aufwiesen, gelten in Deutschland (bislang) nicht als Abfall zur Verwertung, sondern als Abfall zur Beseitigung und sind den öffentlich-rechtlichen Entsorgern zu überlassen. Sie dürfen nicht thermisch verwertet werden. Sie durften auch nicht als Brennstoff in ein Zementwerk nach Belgien verbracht werden. Deutsche Behörden erhoben gegen geplante Verbringungen den Einwand, dass solche Abfälle – wegen des zu geringen Heizwertes einzelner Fraktionen in dem Gemisch – im Inland zu beseitigen seien. Der Abfall durfte nicht raus nach Belgien, obwohl die belgischen Behörden die energetische Nutzung dieser Abfälle – als Ersatz für Primärrohstoffe – zugelassen hatten.
Gegen die Bremskraft behördlicher Einwände wurde eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission erhoben. Und die hat Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt mit der Begründung, dass deutsches Abfallrecht verstoße gegen das europäische.
Hauptverwendung als Brennstoff
Der Europäische Gerichtshof hat – entgegen der in Deutschland gesetzlich verankerten Mindestheizwertklausel – die thermische Verwertung auch minderkalorischer Abfälle zugelassen. Voraussetzung sei, dass hierdurch Primärrohstoffe ersetzt werden. Müsste die belgische Zementindustrie Primärenergieträger einsetzen, wenn die Abfälle nicht als Brennstoff zur Verfügung stünden, so liege die Hauptverwendung der Abfälle eben in der Verwendung als Brennstoff. Unabhängig von irgendeinem (Mindest-)Heizwert.
Anders als bei der Entscheidung vom gleichen Tage, betreffend Luxemburg und die Verbringung von Hausmüll in eine Straßburger Hausmüllverbrennungsanlage. Hier diene die konkrete Anlage der Beseitigung von Abfällen. Die Nutzung der anfallenden Energie sei untergeordnet. Diese Anlage werde betrieben, um die Abfälle zu entsorgen – zu beseitigen. Was im Umkehrschluss heißt: Auch Hausmüll kann Primärrohstoff ersetzen, wenn er in einer Anlage eingesetzt wird, die ansonsten, stünde der Hausmüll nicht zur Verfügung, Primärrohstoffe einsetzen müsste. Dann könnte Hausmüll auch thermisch verwertet werden.
Die Ziffer R1 des Anhangs IIB der EG-Richtlinie über Abfälle (wortgleich mit Ziffer R1 des Anhangs IIB zum KrW-/ AbfG) hat der Gerichtshof übrigens wörtlich genommen. Damit orientiert sich der EuGH an zwei Maximen: Zum einen muss immer im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob eine Verwertung vorliegt. Zum anderen ist der Anhang IIB eben wörtlich zu nehmen.
Auch die Hauptzweckklausel
im deutschen Abfallrecht hat der Gerichtshof letztlich abschlägig beschieden. Er hat sie nämlich erst gar nicht geprüft. Die Verwertung kann unabhängig davon erfolgen, ob mit dem Einsatz als Brennstoff andere Zwecke gleich mit verfolgt werden, so etwa die Zerstörung von Schadstoffpotenzialen im Abfall.
Gefährliche Abfälle können – so bereits frühere Entscheidungen des EuGH – durchaus Abfall zur Verwertung sein, wenn die Verwertung in einer genehmigten Anlage ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit und ohne Schädigung der Umwelt erfolgt. Der Hauptverwendung als Brennstoff (oder anderen Verwertungsverfahren, wie etwa der Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abfällen) steht also nicht entgegen, dass im Rahmen der Verwertungsmaßnahme (oder bei einer vorgeschaltenen Abfallbehandlung) Schadstoffpotenziale zerstört werden.
So wird auch die Chemikalienverbotsverordnung – wir hatten beim letzten Mal schon darüber berichtet – in der seit 1. März gültigen Fassung nicht haltbar sein, soweit sie Stoffe, die dieser Verordnung unterliegen und zu Abfall werden, prinzipiell als Abfall zur Beseitigung einstuft werden. Wie uns aus gut unterrichteten bekannt wurde, soll eine begriffliche Klarstellung in dieser Verordnung erfolgen, nach der die Verwertung auch gefährlicher Stoffe jedenfalls nicht prinzipiell ausgeschlossen werden soll. So hatte
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof
bereits am 18. Dezember 2002 in einem Verfahren gegen das Land Hessen klargestellt, dass – auch nach der neuen ChemVerbotsV – die Verwertung asbesthaltiger Baustoffen zulässig ist.
Nach Auffassung des VGH bestehen erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der neuen Fassung der Chemikalienverbotsverordnung. Denn das Verbot einer Verwertungsmaßnahme stehe nicht im Einklang mit dem KrW-/ AbfG und dem Chemikalienrecht, wenn die Verwertung nach den Vorgaben des KrW-/ AbfG ordnungsgemäß und schadlos erfolgt, das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird und dem Zweck des Chemikalienrechts, Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen durch gefährliche Stoffe zu schützen, Rechnung getragen wird. Dies gelte umso mehr, wenn im konkreten Fall die Verwertung von Asbestabfällen unter Umweltgesichtspunkten sogar sinnvoller ist, weil die Asbestfasern vollständig zerstört werden, während sie bei einer Beseitigung auf einer Deponie grundsätzlich erhalten bleiben und daher ihr Gefährdungspotenzial nicht endgültig beseitigt wird.
Kein Vermischungsverbot
Zurück zum Europäischen Gerichtshof. Denn der hat mit seiner Entscheidung vom 13. Februar noch eine Frage – zum wiederholten Male – hervorgehoben. Es besteht nach den europäischen Vorgaben kein prinzipielles Vermischungsverbot.
Fragt sich nun, ob die gerade frisch aus der Taufe gehobene Gewerbeabfallverordnung überhaupt so haltbar ist. Denn danach dürfen nur bestimmte Fraktionen von Abfällen gemischt gesammelt werden. Besonders überwachungsbedürftige Abfälle dürfen gar nicht in dem Gemisch landen. Und das Ganze geht auch nur dann, wenn das Gemisch einer Vorbehandlungsanlage zugeführt wird. Was aber, wenn ein buntes Gemisch – z.B. aus harmlosen Holzabfällen und ölverunreinigten Abfällen – in eine dafür zugelassene Anlage ins Ausland zum Zwecke der Verwertung verbracht werden soll.
Ach ja, das hat doch der Europäische Gerichtshof gerade entschieden. Donnerstag, der 13. Februar.
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