Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Zulässigkeit und Unzulässigkeit der thermischen Verwertung
Die Juristerei ist ein Buch mit sieben Siegeln, so das Urteil vieler Nicht-Juristen. Ab und zu kratzt sich aber auch so mancher Jurist an den Kopf und schüttelt, leicht verwirrt, sein Haupt. So geschehen auf der Tagung der Gesellschaft für Umweltrecht Ende Juni in Berlin.
Im Februar dieses Jahres hatte der Europäische Gerichtshof die thermische Verwertung von Abfällen in der belgischen Zementindustrie für zulässig erklärt. Und zwar unabhängig davon, ob die Abfälle einen Mindestheizwert aufweisen. Hauptsache, es werden Primärenergieträger ersetzt und es wird nicht mehr Energie verbraucht, als erzeugt wird. Wie hatten berichtet. In Fachkreisen wurde daher erwartet, dass eine Novellierung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes, insbesondere des § 6 Abs.2, der ja die Heizwertklausel bestimmt, nun zügig erfolgen muss und die Heizwertklausel gestrichen wird.
Aber weit gefehlt. Das Bundesumweltministerium sieht keinen Handlungsbedarf. Die Frage, ob eine Entsorgungsmaßnahme als Verwertungsverfahren oder als Beseitigungsverfahren einzustufen sei, sei ja nicht in § 6 Abs. 2 KrW-/ AbfG geregelt, sondern in § 4. Ein Verfahren kann daher als thermisches Verwertungsverfahren eingestuft werden, wenn Primärenergieträger ersetzt werden. Die Zulässigkeit des Verfahrens bemesse sich hingegen – jedenfalls in Deutschland – an der Heizwertklausel. Ah ja. Es ist (thermische) Verwertung: Im Ergebnis gilt – auch in Deutschland – ein Verfahren als Verwertungsverfahren, wenn Primärenergieträger ersetzt werden. Die thermische Verwertung ist aber – jedenfalls in Deutschland – dann nicht zulässig, wenn der Heizwert der Abfälle unter 11.000 kJ / kg liegt. Ins Ausland dürfen solche Abfälle, zum Zwecke der thermischen Verwertung, hingegen exportiert werden, wenn dort entweder kein oder ein geringerer Heizwert vorgegeben ist.
Begründet wird dies mit höheren ökologischen Standards, die in Deutschland gelten sollen. Es solle nicht alles verbrannt werden; die stoffliche Verwertung solle gefördert werden. Warum und weshalb die stoffliche Verwertung vorteilhafter sein soll, ist die eine Frage. Das kommt immer noch auf den Einzelfall an – und, jedenfalls nach unserem Kenntnisstand – wurde die thermische Verwertung in einigen Fällen bereits als ökologisch vorteilhafter bewertet als die stoffliche. Die andere Frage stellt sich gleich im Nachgang. Was die thermische Verwertung von Abfällen – auch im Ausland – betrifft, so argumentiert die Bundesregierung selbst dahin gehend, dass die EG-Abfallverbrennungsrichtlinie die europaweit gültigen Standards für die Abfallverbrennung deutlich angleichen wird. Warum also noch schärfere Standards?
Oder haben diese Standards möglicherweise gar nichts mit Ökologie zu tun, sondern mal wieder damit, dass Abfälle, die verbrannt werden sollen, die aber den Heizwert von 11.000 kJ / kg nicht erreichen, prinzipiell als Beseitigungsabfall – und damit als andienungs- und überlassungspflichtig – eingestuft werden.
Zulässigkeit und Unzulässigkeit der Vermischung von Gewerbeabfall
Ähnlich beim Gewerbeabfall: Während deutsche Getrennthaltungspflichten und Verwertungsmaßstäbe an der Gewerbeabfallverordnung gemessen werden, gelten diese Maßstäbe nicht bei einer Verwertung im Ausland. Denn nach EG-Recht gibt es kein Vermischungsverbot von Abfällen – und keine Verwertungsquote für gemischt gesammelte Fraktionen.
Firmen, die in Deutschland Gewerbeabfall verwerten, unterliegen also – anders als bei einer Verwertung im Ausland – strengen Anforderungen; werden diese Anforderungen nicht eingehalten, so werden die Abfälle im Zweifel als Beseitigungsabfall eingestuft.
Und noch einmal Gewerbeabfall
Gewerbebetriebe sind verpflichtet, die Abfälle, die nicht verwertet werden, getrennt zu erfassen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen. Für die Entsorgung des Restmülls ist mindestens ein Restmüllbehälter zu nutzen, der von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern bereitgestellt wird. Allerdings bestehen höchst unterschiedliche Einschätzungen darüber, ob überhaupt ein Restmüllbehälter erforderlich ist und – wenn ja – welche Behälterkapazität im Einzelfall angemessen ist.
Zum Teil gehen öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger bei der Berechnung des Restmülls und damit der Volumenkapazität der Restmüllcontainer von Prozentsätzen des im Betrieb anfallenden Abfalls aus. 10 %, oder auch 15 % der gesamten Abfallmenge werden einfach prinzipiell als Beseitigungsabfall eingestuft. Zum Teil werden angebliche Erfahrungswerte herangezogen, die zwischen 3 und 6, teilweise aber auch bei 10 Litern Restmüll pro Mitarbeiter und Woche liegen sollen. Etwas differenzierter geht die Mustersatzung vor, die die kommunalen Spitzenverbände erarbeitet haben. Danach wird das erforderliche Volumen des Restmüllbehälters nach Branchen differenziert und über Einwohnergleichwerte errechnet.
Alle pauschalen Berechnungsmethoden, seien es die „Erfahrungswerte“ der Kommunen, seien es die nach Branchen errechneten Werte, werden jedoch dem Einzelfall nicht gerecht. Denn bei allen pauschalierten Berechnungsarten werden Betriebe verpflichtet, einen bestimmten Anteil des Abfalls als Beseitigungsabfall einzustufen, unabhängig davon und selbst dann, wenn sie umfassend dem Abfallverwertungsgebot nachkommen. Die vorrangige Pflicht zur Verwertung von Abfällen ist doch, wenn wir uns recht entsinnen, im KrW-/ AbfG festgeschrieben.
Das Volumen des erforderlichen Restmüllbehälters muss daher im Einzelfall angemessen sein und kann nicht pauschal errechnet werden – so auch die Ausführungen der LAGA in den Vollzugshinweisen zur GewAbfV. Eine pauschale Berechnung der Restmüllmenge – und damit der Volumenkapazität des Restmüllbehälters – ist und bleibt nicht zulässig.
Aktuell mit dieser Ergänzungslieferung erhalten Sie die Vollzugshinweise der LAGA sowie eine Darstellung der Problematik der Gewerbeabfallverordnung sowohl aus behördlicher und als auch aus betrieblicher Sicht.
Fortschritt
Bisher haben wir es uns verkniffen, uns in die laufenden Diskussionen um das Dosenpfand einzumischen. Kurz wollen wir die Thematik nun doch aufgreifen.
Das Dosenpfand wird als ein Fortschritt zur Durchsetzung des Umweltgedankens gepriesen. Ob dem wirklich so ist, und ob das Dosenpfand angesichts der technischen Neuerungen in der Verwertungstechnik überhaupt sinnvoll ist, ist die eine Seite. Die ökologische Sinnfrage stellt sich übrigens auch für alle mit einem grünen Punkt versehenen Abfälle. Doch was ist passiert. Der Käufer einer Cola-Flasche zahlt 25 Cent für das Pfand – und wenn er viel unterwegs ist und die Flasche nicht wieder da abgeben kann, wo er sie gekauft hat, kriegt er diese 25 Cent eben nicht zurück.
Die große Neuerung, die im Rahmen der Novellierung der Verpackungsverordnung im Herbst des Jahres eintreten soll, ist, dass man nicht nur bei dem Verkäufer, der das Pfand auf die Colaflasche (oder – selbstredend – Limo oder wahlweise ein anderes Getränkeprodukt, das dem Dosenpfand unterliegt) erhoben hat, dieses Pfand zurück erhalten kann, sondern auch bei einem anderen Händler, der dem neuen Rücknahmesystem angeschlossen ist.
Immerhin: Ein Fortschritt.
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