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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Oktober / November 2004

Unbewegliche Sachen – Abfall
Heizwertklausel
Gefährliche und ungefährliche Abfälle
Verwertung schadstoffhaltiger Abfälle
Verwertung chemikalienrechtlich verbotener Stoffe und REACH
Verfahrensvereinfachungen
Dosenpfand
Elektroaltgerätegesetz
visuelle Umweltverschmutzung

We are star dust …

so der romantisch anhauchende Titel eines songs aus den 60ern. Ist aber gar nicht so romantisch. Denn die Erde – und somit auch wir selbst – sind nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Produkt zerborstener Sterne, letztlich von galaktischem Abfall. Wir beschäftigen uns also mit einer urirdischen Materie. Mit Abfall. Das hat ja auch was. Nur, dass die Erde im rechtsfreien Raum entstanden ist.

Ganz anders heute:

Beweglich oder unbeweglich – das ist hier die Frage

Wieder einmal bahnt sich ein Grundsatzproblem an. Ist kontaminiertes Erdreich, das nicht ausgekoffert ist, nicht doch Abfall. In Deutschland heißt die Antwort bislang: Nein! Nur bewegliche Sachen können Abfall sein, und nicht-ausgehobener Boden – wie z.B. auch ein bestehendes Gebäude – sind eben nicht beweglich.

Ganz anders der Europäische Gerichtshof. Der hat mit Urteil von September 2004 festgestellt, dass auch nicht ausgehobener kontaminierter Boden Abfall sein kann. Die europäische Abfallrahmenrichtline beschränkt nämlich Ihren Anwendungsbereich nicht auf bewegliche Sachen.

Ist nun das Bodenschutzgesetz mitsamt danach erlassener Verordnung in das Abfallrecht einzupassen? Wo bestehen möglicherweise Widersprüche zwischen Bodenschutzrecht und Abfallrecht? Welche Behörde ist eigentlich zuständig? Fragen über Fragen.

Wie es Euch gefällt

Vielleicht wird man diese Fragen aber auch gar nicht so schnell beantworten müssen. Denn gelegentlich lässt sich der Gesetzgeber ja viel Zeit, die Rechtsprechung des EuGH umzusetzen – wie es gerade gefällt. Wie etwa bei der thermischen Verwertung und dem in Deutschland immer noch geltenden Mindestheizwert von 11.000 kJ / kg. Nach Aussage des EuGH ist ein Mindestheizwert zwar nicht dafür ausschlaggebend, ob es sich bei einem Verbrennungsverfahren um eine Verwertungs- oder um eine Beseitigungsmaßnahme handelt. Ausschlaggebend sei viel mehr, dass der Hauptzweck der Maßnahme in der Verwendung der Abfälle als Brennstoff liegt, wenn

Auch hat der in Deutschland noch immer gültige Mindestheizwert nicht viel mit ökologischen Anforderungen zu tun, sondern eher mit der Zuweisung der Abfälle zu Beseitigungsanlagen. Doch bis das Heizwertkriterium – dessen Unmaßgeblichkeit nochmals vom EuGH in einer aktuellen Entscheidung von Oktober 2004 gegenüber den Niederlanden bestätigt wurde – in Deutschland geändert wird, müssen wahrscheinlich erst einmal umfangreiche Schadensersatzklagen geführt worden sein.

Oder machen wir einen kurzen Exkurs in das Gentechnikrecht. Ein Thema, dass bei manch einem ein ungutes Gefühl hervorruft. Denn viele Risiken sind noch ungeklärt. Ein Imker und ein anerkannter Naturschutzverband hatten versucht, Informationen darüber zu erhalten, auf welchen Flächen private Landwirte gentechnisch veränderten Mais anbauen. Das Auskunftsrecht wurde nicht gewährt. Auch wenn die einschlägige EG-Richtlinie, die so genannte Freisetzungsrichtlinie, die längst – nämlich seit über zwei Jahren – hätte umgesetzt werden müssen, die Informationspflicht vorsieht, so erwächst hieraus kein Anspruch auf die begehrte Information. Eben weil die Richtlinie noch nicht umgesetzt ist. Erst einmal müsse das Umweltinformationsgesetz geändert werden, da zurzeit nur Umweltbehörden, nicht aber Landwirtschaftsministerien informationspflichtig seien, so der bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Money, money, money, …

Es tobt der Kampf um Entsorgungsaufträge. Und so bietet eine Kommune der Nachbarkommune Entsorgungsdienstleistungen an. Das stört – wen wundert's – private Entsorgungsfirmen. In Nordrhein-Westfalen hat das Oberverwaltungsgericht in einer Entscheidung von Oktober 2004 die Zulässigkeit bejaht. Eine Gemeinde kann hiernach die Entsorgung in einer anderen Gemeinde durchführen. Ob hierfür ein Vergabeverfahren durchzuführen ist, ist allerdings noch nicht entschieden. Kurz davor hat das hessische Oberlandesgericht – jedenfalls für Hessen – klargestellt, dass für die Beauftragung einer Gemeinde durch eine andere Gemeinde mit Entsorgungsdienstleistungen vorab ein Vergabeverfahren durchzuführen ist. Es sei nicht auszuschließen, dass private Anbieter wirtschaftlich günstigere Angebote unterbreiten.

Zukunftsmusik

Andere Neuerungen stehen zur Diskussion: So soll die Einstufung von Abfällen als „überwachungsbedürftig“ hinfällig werden. Das deutsche Recht will sich dem europäischen Recht anpassen – und das kennt eben nur gefährliche (= besonders überwachungsbedürftige) und nicht gefährliche Abfälle.

Die Charakterisierung und Konkretisierung, wann von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen auszugehen ist, soll in einer Verwaltungsvorschrift geregelt werden, die zurzeit als Referentenentwurf vorliegt. Unterteilt das Abfallverzeichnis gefährliche und ungefährliche Abfälle zum Teil danach, ob in den Abfällen gefährliche Stoffe enthalten sind oder nicht, so wird das unbestimmte Merkmal „gefährlich“ über die Kriterien der EG-Richtlinie über gefährliche Abfälle in Verbindung mit dem europäischen Stoffrecht konkretisiert.

Verwertung gefährlicher Abfälle

Im Entwurf zu dieser Verwaltungsvorschrift ist zudem klargestellt, dass diese keine Vorgaben für die Behandlung und Verwertung von Abfällen enthält. Sollte dies eine erste Annäherung an die Rechtsprechung des EuGH bedeuten, dass auch schadstoffhaltige Abfälle durchaus Verwertungsabfall sein können?

Klarstellung für Stoffe, die der Chemikalienverbotsverordnung unterliegen

Nach langen Diskussionen und Änderungsvorschlägen sowohl vom Bundesumweltministerium als auch aus einigen Ländern wird die Chemikalienverbotsverordnung nun wieder geändert. Es wird klargestellt, dass chemikalienrechtlich verbotene Stoffe, die zu Abfall werden, durchaus verwertet werden dürfen, wenn die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos in einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage erfolgt und das Gefahrenpotenzial beseitigt (= zerstört) wird.

Nachdem bereits der hessische und der bayerische Verwaltungsgerichtshof das Verwertungsverbot für chemikalienrechtlich verbotene Stoffe für verfassungswidrig erklärt hatten (wir berichteten), sah auch das Bundesumweltministerium den dringenden Novellierungsbedarf.

Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit hat als Koordinationsstelle das Heft in die Hand genommen. Neben anderen Gesetzesnovellierungen soll auch die erforderliche Klarstellung in der ChemVerbotsV in einem Rahmengesetz in Kürze erlassen werden.

REACH

Während bei der Abfallwirtschaft intensiv darauf geachtet wird, welche Abfälle als gefährlich und welche als ungefährlich einzustufen sind, bei welchen Abfällen besondere Sicherheitsvorkehrungen und Entsorgungsmaßnahmen einzuhalten sind, ist das bei Produkten noch gar nicht so selbstverständlich. Zusatz- und Schadstoffe in Lebensmitteln, Kleidung, Polstermöbeln und sonstigen Gebrauchsgegenständen sind allgegenwärtig. Dennoch wird das neue europaweit geltende Chemikalienrecht, das REACH – wie es auch immer ausfallen mag –, noch auf einen Zeitraum x verschoben. Im Frühsommer 2005 wird es jedenfalls noch nicht in Kraft treten. Ob mit REACH eine wirkliche Begrenzung dieser Substanzen in Verbauchsgütern eintreten wird, ist noch eine ganz andere Frage.

Werden diese Güter jedoch zu Abfall, so sind strenge Anforderungen an die Entsorgung einzuhalten. Wieviel einfacher wäre es, wenn bereits bei den Produkten darauf geachtet würde, mit keinen oder so wenig wie möglich Schadstoffen auszukommen. Dann wäre nicht nur die Entsorgung von Abfällen einfacher, sondern auch die Verwendung der Produkte wäre weniger riskant.

Verfahrensvereinfachungen

Diskutiert werden zurzeit tatsächlich auch Verfahrensvereinfachungen: So soll die Verpflichtung, Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen zu erstellen, wegen des erkannten unterschiedlichen Vollzuges und der Ineffizienz dieser Instrumente voraussichtlich ganz entfallen. Und die Nachweisführung soll künftig elektronisch erfolgen. Wir halten Sie auf dem Laufenden, ob und wann diese Neuerungen kommen.

Wer den Pfennig nicht ehrt …

… ist selbst schuld. Als große durchschlagende Neuerung der Verpackungsverordnung gilt nun: Das sowieso umstrittene Dosenpfand wird beibehalten, aber die „Insellösungen“ werden abgeschafft. Überall dort, wo entsprechende pfandbewehrte Getränke (-verpackungen – dem Konsumenten geht es ja recht eigentlich nur um das Getränk) verkauft werden, sind diese Verpackungen auch zurück zu nehmen. Wir müssen uns also nicht mehr unser Hirn darüber zermartern, wo wir welche Dose oder PET-Flasche gekauft haben. Dafür dürfen wir künftig immer einheitlich 25 Cent an Pfand pro Flasche zahlen.

Elektroaltgerätegesetz rückt in greifbare Nähe

Mit dem Kabinettsbeschluss vom 1. September 2004 rückt zudem das Elektro- und Elektronikgerätegesetz in greifbare Nähe. Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten werden verpflichtet, die Altgeräte, die von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (kostenlos) zurückzunehmen sind, kostenlos zu verwerten. Dieselbe Verpflichtung trifft Importeure solcher Geräte. Für „historische“ Altgeräte, die vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes verkauft – juristisch korrekt: in den Verkehr gebracht – wurden, besteht die kostenlose Rücknahmepflicht durch die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.

Kostenlos? Na ja. Die Kosten für die „kostenlose“ Rücknahme werden auf die Abfallentsorgungsgebühren, die die Kreise und kreisfreien Städte erheben, umgelegt. Und die Kosten für die Verwertung schlagen sich in den Preisen für Neugeräte nieder. Den Preis der Produktverantwortung zahlt also wieder einmal der Verbraucher.

Das kennen wir doch bereits von einem berühmten (grünen) Punkt! Aber in einer Sache hat der Gesetzgeber doch dazugelernt. Anders als beim Dualen System soll das neue „Elektro-Altgeräteregister“ (EAR) sicherstellen, dass alle Hersteller und Importeure ihren Verpflichtungen nachkommen. Es führt deren Registrierung, die Mengenerfassung sowie die Nachweise für die Entsorgung etc. Das EAR ist jedoch nicht für den tatsächlichen Entsorgungsvorgang – die Logistik, die Sortierung und die Verwertung – zuständig und darf auch keine entsprechenden Aufträge erteilen. In den Ruf eines Monopolisten soll diese Institution erst gar nicht kommen.

Abfall oder nicht Abfall – schon wieder eine Frage

Absehbar ist auch hier schon wieder die alles entscheidende Gretchenfrage: Wann ist ein Altgerät ein Altgerät und damit Abfall und wann ist ein Gerät ein noch reparaturfähiges Produkt? Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hat jedenfalls in einer Entscheidung vom Frühjahr dieses Jahres eine Anordnung für rechtmäßig befunden, nach der gebrauchte Kühlkompressoren, die nach Nigeria verbracht wurden (und dort noch vermarktet werden sollten), als Abfall wieder zurückzuführen waren.

Coulours

Und zu guter letzt eine Anregung für den Gesetzgeber: Ein englisches Gericht hat die Kategorie der „visuellen Umweltverschmutzung“ eingeführt: Ein leidenschaftlicher Trabbi-Fan wurde mit eben dieser Begründung verurteilt, etwa die Hälfte der gesammelten 46 Trabbis aus seinem Garten zu entfernen.

Wie wäre es mit: Abfallentsorgungsanlagen – oder Industrieanlagen allgemein – sind in dezenten Pastelltönen zu halten und in die landschaftliche Umgebung einzupassen oder so ähnlich. Der Kampf um Müll tobt dann zwar – mit Hilfe der unterschiedlichen Auslegungen der abfallrechtlichen Vorgaben – weiter, das Umweltrecht bleibt weiter kompliziert. Die Bedingungen, wie Abfälle zu entsorgen sind, bleiben detailliert geregelt – und wehe dem, der gegen formale Anforderungen verstößt. Gesetzlich vorgesehene Verfahrensvereinfachungen werden immer noch zu wenig gelebt – wie etwa die Möglichkeit der Anzeige einer (nicht wesentlichen) Änderung. Aber die Anlagen sähen dann hübsch proper aus.

 
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©  2003-2010  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2010-09-01
Abfalltonne