Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Bürokratieabbau im Abfallrecht
Die Welt hat wohl kaum darauf gewartet, die Welt der Abfallwirtschaft aber schon: Die abfallrechtlichen Anforderungen sollen entbürokratisiert werden! Nein, dieses Mal ist es kein Aprilscherz, sondern nackte Wahrheit. Der Entwurf einer Novelle zum KrW-/AbfG liegt vor.
Mit der Gesetzesnovelle werden zum einen Anpassungen an das EG-Recht erfolgen. So soll die – im EG-Recht seit 1991 geforderte – Registrierungspflicht von nicht genehmigungsbedürftigen Entsorgungsanlagen eingeführt werden. Ferner soll die Terminologie angepasst werden. Man spricht dann auch in Deutschland nicht mehr von „besonders überwachungsbedürftigen“, sondern von „gefährlichen Abfällen“. Die Kategorie der „überwachungsbedürftigen Abfälle“ soll gänzlich entfallen.
Zum anderen sollen Verfahrensvereinfachungen – wie etwa beim Nachweisverfahren durch die elektronische Nachweisführung – greifen (wir hatten bereits berichtet) und die Verpflichtung zur Erstellung von Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen weitgehend entfallen.
Die behördliche Überwachung wird selbstredend gewährleistet bleiben. Das wäre ja noch schöner, wenn z.B. Abfallerzeuger und -entsorger künftig nicht mehr die Inhaltsstoffe der angefallenen und zu entsorgenden Abfälle angeben müssten oder ohne behördliche Kontrolle Abfälle entsorgen könnten. Dann ginge es ja zu wie in der
Landwirtschaft
– jedenfalls wie in der industrialisierten Landwirtschaft. Die Unmengen von Abfall erzeugt, nicht nur Mist. Auch Böden werden heftig vernutzt. Ein Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes untersucht zurzeit die Auswirkungen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln auf die Umwelt. Doch stößt das Vorhaben auf heftige Kritik – bis hin zu Anträgen, das Projekt abzubrechen. Es wird als „Bespitzelung der Landwirte“ und als unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre gewertet. Dies, obwohl Bodenproben nur von öffentlichen Flächen entnommen werden.
Eine Berufung auf den Schutz der Privatsphäre bei Abfallerzeugern und Betreibern von Abfallentsorgungsanlagen? Undenkbar! Da würden die Überwachungsbehörden gleich das Schlimmste vermuten.
Biomüll natürlich verwertet
Eine belgische Kleinstadt hat 6.000 Hühner an die Einwohner verteilt, die von nun an den Biomüll vertilgen sollen. Die Biotonne wurde abgeschafft. Stück für Stück scheint man sich – zumindest in ländlichen Gebieten – wieder dem natürlichen Kreislauf annähern zu wollen. Entsprechende abfallrechtliche Vorgaben und Handhabungen in Deutschland? Schon wieder undenkbar!
Denn wir haben ja strenge Tierschutzregelungen: Die werden allerdings auch so herangezogen, wie es gerade Recht ist. So hat das Verwaltungsgericht Koblenz eine Anordnung gegenüber einem „Gnadenhof“ für Tiere für rechtmäßig erkannt, wonach die Tiere zu entfernen sind. Der Hof beherbergt 14 Rinder, 200 Pferde, 27 Ziegen, 16 Schafe, 227 Schweine, 38 Hühner, Enten, Gänse und 2 Lamas, also ca. 550 Tiere, die z.T. krank übernommen wurden. Auf immerhin 17 Hektar = 170.000 qm. Das Gericht meinte, es liege ein Verstoß gegen tierschutzrechtliche Vorschriften vor. Einem ca. 100 kg schweren Schwein werden nach den tierschutzrechtlichen Regelungen für die Massentierhaltung gerade mal 0,75 qm zugestanden!
Ablagerungsverordnung und Verfahren „Eiterköpfe“
Das in der Fachöffentlichkeit mit Interesse verfolgte Verfahren „Eiterköpfe“ hat der EuGH im April entschieden. Danach steht die Abfallablagerungsverordnung nicht dem europäischen Recht entgegen. wenn hierdurch engere Grenzen für die Ablagerung von Abfällen mit biologisch abbaubaren Anteilen aufgestellt werden. Die Mitgliedstaaten seien ohnehin verpflichtet, nationale Strategien zur Verringerung der Menge der zu deponierenden biologisch abbaubaren Abfälle zu ergreifen. National schärfe Schutzmaßnahmen können daher ergriffen werden.
Die Frage, ob die Schließung vieler Deponien am 31. Mai 2005 EG-rechtskonform ist, wurde im Verfahren Eiterköpfe nicht geprüft, da sie nicht aufgeworfen worden war. Damit stand auch nicht die Frage im Raum, ob – wegen der Schließung dieser Deponien – die weitere Annahme mineralischer Abfälle z.B. zum Zwecke der „Profilierung“ als Verwertungsmaßnahme angesehen werden kann.
Und daran bestehen doch erhebliche Zweifel (wir hatten berichtet). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht – ebenfalls in einer aktuellen Entscheidung von April 2004 – die Verfüllung einer Tongrube als Verwertung anerkannt. Der Tongrubenbetreiber sei verpflichtet, die Oberfläche – im Zweifel auch mit Primärrohstoffen – wieder nutzbar zu machen. Würden hier Abfälle eingesetzt, so sei dies Verwertung, wobei allerdings die bodenschutzrechtlichen Anforderungen einzuhalten seien.
Einen kleinen, aber feinen Unterschied erkennen wir jedoch zwischen der Verfüllung von Tongruben und der Anerkennung der Deponieprofilierung als Verwertungsmaßnahme: Bei einer Tongrube war es Begehr, den Rohstoff zu gewinnen. Die Verfüllung des notwendigerweise entstandenen Lochs ist also eine öffentlich-rechtliche Pflicht. Ist die Verfüllung mit Abfällen jedoch eigentliches Begehr, wie es bei Deponien der Fall ist, so werden keine Primärrohstoffe ersetzt.Dann ist die Verfüllung eben keine Verwertung – so das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bereits im Jahre 1995.
Dosenpfandpflicht für Inländer
Kürzlich haben wir noch anlässlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Frage aufgeworfen: Darf das Dosenpfand überhaupt jetzt schon erhoben werden, oder besteht die Verpflichtung erst dann, wenn sie europaweit für alle betroffenen Hersteller gilt? Im April dieses Jahres hat das Oberverwaltungsgericht Berlin eine Antwort gefunden: Die Pfandpflicht für Bier, Mineralwasser und andere kohlensäurehaltigen Lebensmittel ist rechtens. Na dann!
Regelungsflut und Interpretationen
Noch einmal zurück zum Bürokratieabbaugesetz: Ob und wann das Gesetz erlassen wird und ob es wirklich Vereinfachungen bringen wird? Nun: Durch weitere Gesetzesnovellierungen, neue Verordnungen und Änderungen von Verordnungen, LAGA-Mitteilungen und Handlungsempfehlungen, Ländervorschriften und sonstige ministerielle Erlasse stehen wir sowieso vor einer Regelungsflut, die kaum noch überschaubar ist. Dass mit dem Bürokratieabbau in der Abfallüberwachung eine wirkliche Erleichterung für Abfallerzeuger und -entsorger eintritt, ist daher ernsthaft nicht absehbar. Viele Schwierigkeiten beruhen zudem gar nicht auf der Formulierung des Gesetzestextes, sondern auf Interpretationen desselben. Nicht zuletzt und vor allem, um Abfallströme zu lenken. Interessengelenkte Interpretationen.
Haben Sie Fragen zu oder Unsicherheiten über die bestehenden und die neuen Regelungen – so sie denn kommen – stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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