Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen künftig nicht mehr verpflichtend
Noch im letzten newsletter hatten wir über die Versprechungen des Gesetzgebers eines künftigen Bürokratieabbaus im Abfallrecht geschrieben. Schon wird ein Teil Wirklichkeit: Am 25. Mai hat der Bundesrat einer Gesetzesänderung zugestimmt, nach der die Verpflichtung, Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen zu erstellen, künftig hinfällig wird.
Dass das Instrument der Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen nicht effektiv und zum Teil nicht durchführbar ist, ist schon seit längerem bekannt. So ist es in der Bauwirtschaft kaum möglich, Abfallwirtschaftskonzepte zu erstellen. Wie die Auftragslage in den nächsten Jahren aussehen wird? Welche Abfälle durch Abbruch- oder Aushubarbeiten anfallen werden? Wenn man das auch nur ahnen könnte! Doch dies gilt letztlich nicht nur für die Bauwirtschaft. Manche Länder verzichteten daher ganz auf die Vorlage von Abfallwirtschaftskonzepten durch Abfallerzeuger und -besitzer.
Künftig soll die Verpflichtung weitgehend entfallen. Die Erstellung von Abfallwirtschaftskonzepten und -bilanzen wird grundsätzlich eine freiwillige Angelegenheit, ein internes Planungsinstrument für ein Unternehmen. Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn ein Entsorgungsunternehmen als Drittbeauftragter von einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger einen Auftrag erhalten und durchführen will. Dann müssen Abfallwirtschaftskonzepte und -bilanzen vorgelegt werden, wobei allerdings die zuständigen Behörden einen abweichenden Bilanzzeitraum zulassen können.
Still ruht die See? Von wegen!
Verwertung chemikalienrechtlich verbotener Stoffe wird zulässig
Manchmal denkt man, still ruht die See, und schon wogen die Wellen. So auch bei der Chemikalienverbotsverordnung. Die wurde vor 3 Jahren geändert. Stoffe, die chemikalienrechtlich verboten sind und zu Abfall werden, durften danach nur noch beseitigt werden. Die Änderung trat am 1. März 2003 in Kraft. Die Einschränkung hatte zunächst zur Folge, dass diese Stoffe, sobald sie zu Abfall wurden, grundsätzlich als Beseitigungsabfall eingestuft wurden. Abfallerzeuger und -besitzer wurden regelmäßig verpflichtet, die Abfälle den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern respektive den Trägern der Sonderabfallentsorgung anzudienen bzw. zu überlassen. Und weitere Konsequenz war, dass innovative Verwertungsverfahren, bei denen z.B. Abfälle so behandelt werden, dass das Gefahrenpotenzial zerstört und gefahrstofffreie Sekundärrohstoffe rückgewonnen werden, verhindert wurden.
Dass diese Konsequenzen nicht mit den umweltpolitischen Zielsetzungen, insbesondere dem Kreislaufwirtschaftsgedanken, vereinbar sind, hatte der hessische Verwaltungsgerichthof in einem von Unterzeichnerin gemeinsam mit Rechtsanwälten Dr. Dammert und Rieger geführten Verfahren bereits im Dezember 2002 klargestellt. Dieser Einschätzung schloss sich der bayerische Verwaltungsgerichtshof im Oktober 2003 an, der ebenfalls das prinzipielle Verwertungsverbot von chemikalienrechtlich verbotenen Stoffen für unzulässig erklärte (wir hatten berichtet). Die Europäische Kommission hatte zuvor schon im Juli 2002 ihre Sicht klargestellt, dass Produkte, die chemikalienrechtlich nicht mehr verwendet werden dürfen und zu Abfall werden, als gefährlicher Abfall einzustufen sind – und dass der Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung eben auch für gefährliche Abfälle gilt. Ein prinzipielles Verwertungsverbot war auch unter EG-rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar.
Parallel zu diesen Verfahren erarbeitete das BMU eine weitere Änderung der ChemVerbotsV. Dann ruhte die See. Bis jetzt. Nun haben Bundestag und Bundesrat zugestimmt: Die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung chemikalienrechtlich verbotener Stoffe in einer hierfür zugelassen Anlage wird explizit (wieder) für zulässig erklärt.
Weit, weit weg
Kürzlich hatten wir noch berichtet: Die Anstalt Solidarfonds soll aufgelöst werden. Und prompt hat das Bundesverfassungsgericht die Forderungen gegenüber notifizierenden Personen, ihren Beitrag an die Anstalt Solidarfonds leisten zu müssen, für verfassungswidrig erklärt. Das bleibt auch so. Allerdings gibt es nun Verlautbarungen, dass der Bund nicht für erforderliche Abfallrückführungen illegaler Verbringungen gerade stehen will. Das soll offenbar den Ländern angelastet werden. Ob das mit den Regelungen des Basler Übereinkommens vereinbar ist? Danach sind die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die gegebenenfalls erforderlichen Rückführungen für illegale Verbringungen sicherzustellen. Apropos: Was ist eigentlich mit den ausrangierten Schiffen, die zum Beispiel in Indien ohne jegliche Schutzvorkehrungen zerlegt werden? Auch Schiffe der Bundeswehr?
Wie auf hoher See …
… fühlen sich zurzeit viele Entsorger, seien es die privaten, seien es die öffentlich-rechtlichen. Denn mit dem 31. Mai – und dem Ende vieler Deponien – ist bislang nicht absehbar, wie sich diese Neuerungen letztlich auf den Entsorgungsmarkt auswirken werden. Das eine Land meldet, es verfüge über ausreichende Vorbehandlungskapazitäten, das andere Land beklagt Lücken in der Entsorgungsinfrastruktur. Zum Teil behilft man sich mit dem Notnagel der Zwischenlagerung von Haushaltsabfällen, sodass so mancher Umweltschützer schon jetzt befürchtet, dass diese nur für einen vorübergehenden Zeitraum vorgesehenen Lagerungen so peu à peu in Vergessenheit geraten und letztlich zu einer Dauereinrichtung werden. Gleichzeitig beobachtet das Umweltbundesamt, ob nun wieder mehr Abfallexporte notifiziert werden. Und wieder gleichzeitig wachsen die Berge an nicht-entsorgten Gewerbeabfällen.
Es fehlen laut Fachpresse Kapazitäten für ca. 6 Mio. Tonnen. Aber – so die Überschrift zu demselben Artikel – würdigen die Vertreter der Entsorgungswirtschaft den 1. Juni als Meilenstein. Das ist er sicherlich auch. Nur: In welche Richtung der weist, weiß wohl kaum einer.
Dass sowieso mehr Fragen als Antworten bestehen – und kaum noch ein Überblick über die umwelt- und abfallrechtlichen Anforderungen möglich ist, nun, das ist nichts Neues. Immerhin haben wir nun ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, nach der Abfälle aus Seniorenwohnanlagen als Haushaltsabfall – einzustufen sind. Und damit nicht als Gewerbeabfall. Das hilft dem einen weiter. Dem anderen nicht. Und ein weiteres Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße erklärt auch Vermieter als Abfallgebührenschuldner – sie gelten auch als Abfallbesitzer. Das wird so manchen Mieter-Vermieterkonflikt noch beflügeln.
Und nochmal gleichzeitig befürchten Betreiber von Bodenbehandlungs- und vergleichbaren Anlagen, dass mit der Deponieverwertungsverordnung, die ebenfalls im Mai den Bundesrat passiert hat, Boden und andere mineralische Abfälle ohne Vorbehandlung auf Deponien gelangen – zum Zwecke der Verwertung selbstredend – und so den Behandlungsanlagen entzogen werden. Wir haben über die Fragwürdigkeit dieses Verordnungsentwurfes berichtet.
Land in Sicht?
Wir können Ihnen nicht die Unsicherheiten hinsichtlich der weiteren Entwicklung auf dem Entsorgungsmarkt nehmen. Wir können Ihnen aber bei Ihren Fragen zu den aktuellen und kommenden abfallrechtlichen Regelungen zur Seite stehen.
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