Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Prompte Reaktion
Im letzten newsletter hatten wir berichtet, dass die Anstalt Solidarfonds aufgelöst werden soll. Und das soll auch wirklich so kommen. Vor mehr als zwei Jahren hatte der Europäische Gerichtshof den Beitrag, der von allen ordnungsgemäß notifizierenden Personen an die Anstalt Solidarfonds zu leisten ist, für unzulässig erklärt. Er verstoße gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs, der für Abfälle zur Verwertung gilt. Die Aufhebung dieser Anstalt mitsamt der dazugehörigen Verordnung wurde dann tatsächlich und nach geraumer Zeit in Angriff genommen.
Und prompt hat das Bundesverfassungsgericht den Beitrag für verfassungswidrig erklärt. Nach immerhin 10 Jahren. So lange waren die betreffenden Rechtsstreitigkeiten anhängig. Das Gericht wertete den Beitrag als unzulässige Sonderabgabe. Eine Einschätzung, die bereits seit vielen Jahren in Fachkreisen vertreten wurde. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß und von allerhöchster Stelle. Und wer zwischenzeitlich bestimmte Entsorgungswege im Ausland nicht beschritten hat, weil er den Beitrag nicht aufbringen konnte oder wollte – nun, der hat halt Pech gehabt.
Umsetzungsfristen seit Jahren bekannt
Seit vielen Jahren, genauer gesagt seit 1999, war die Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie bekannt. Ein höheres Umwelt- und Gesundheitsschutzniveau soll erzielt werden. Immerhin sterben nach offiziellen Schätzungen allein in Deutschland jährlich ca. 65.000 Menschen an den Folgen – nein, nicht an den Folgen der Abfallentsorgung, sondern an den Folgen der Belastung mit Feinstaub.
Ein Anwohner einer stark befahrenen Straße zog vor Gericht, um zügig einen Aktionsplan gerichtlich einzufordern. Doch dieser Antrag wurde vom bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgelehnt. Es bestehe kein Anspruch des Antragstellers, dass der Aktionsplan innerhalb kurzer Zeit aufgestellt wird. Ein solcher Plan müsse hohen Anforderungen genügen, um komplexe Emissions- und Immissionsverhältnisse zu bewältigen. Es handele sich um einen komplexen Entscheidungsprozeß, der zwangsläufig längere Zeit in Anspruch nehme.
Ist eine vergleichbare Argumentation zurzeit hinsichtlich der Folgen der Abfallablagerungsverordnung denkbar? Nach den politischen Verlautbarungen in der Fachpresse jedenfalls nicht. Abfallerzeuger und Entsorger hatten doch jahrelang Zeit, sich auf die kommenden Anforderungen einzustellen. Und so manche Betreiber von Müllverbrennungsanlagen singen ein Loblied auf die Kräfte des Marktes, die jetzt endlich zur Geltung kämen, und weil die Nachfrage nun mal höher ist als das Angebot, …
Dass wir uns heute in einer Situation des Entsorgungsnotstandes befinden, ist weniger die Folge nicht bestehender, sondern von einem rechtlichen Ausschluss bestehender Entsorgungskapazitäten. Selbst von solchen Deponien, die möglicherweise – wir möchten und können das hier technisch gar nicht beurteilen – ein vergleichbares natürliches Abdichtungssystem wie das in der TASi geforderte aufweisen. So hat das niedersächsische Oberverwaltungsgericht unter Berufung auf die Ablagerungsverordnung eine Anordnung bestätigt, nach der der Weiterbetrieb einer Deponie nur unter der Maßgabe zulässig sei, dass zusätzlich zur mineralischen Abdichtung auch eine Kunststoffabdichtung vorhanden ist. Die weitere Prüfung, ob aufgrund der Gegebenheiten eine vergleichbare natürliche Abdichtung vorhanden ist, nun, die wurde abschlägig beschieden. Die Ablagerungsverordnung habe die möglichen Ausnahmen abschließend geregelt; hinsichtlich dieser Frage habe kein Ermessensspielraum mehr bestanden.
Die Anforderungen der Ablagerungsverordnung gehen weit über die Anforderungen der EG-Deponierichtlinie hinaus. Die kleine Widersprüchlichkeit ist nur, dass die hohen Anforderungen an den Umweltschutz zur Folge haben, dass Millionen von Tonnen an Gewerbeabfall und Siedlungsabfall zurzeit entweder gar nicht entsorgt werden können oder erst einmal provisorisch, nämlich in legalen oder illegalen Zwischenlägern, gelagert werden, was unter dem Aspekt des Umweltschutzes auch keine – gelinde gesagt – wünschenswerte Konsequenz ist. Aber wenn’s dem Umweltschutz dient.
Gäbe es da nicht auch noch die EG-Abfallrahmenrichtlinie: Nach der sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, um ein integriertes und angemessenes Netz von Beseitigungsanlagen zu schaffen. Ja, wo und wie ist es denn nun, dieses integrierte und angemessene Netz? Leicht durchlöchert jedenfalls. Dass die Anforderungen der EG-Abfallrahmenrichtlinie bereits seit 1991 bestehen, ist wohl eher nebensächlich.
Alternativen im Ausland
werden bereits gesucht. Vergleichbar wie vor 15 Jahren. Ende der 80er / Anfang der 90er befürchtete man den tatsächlichen Entsorgungsnotstand, dass nämlich zu geringe Entsorgungskapazitäten vorhanden seien. Der damalige Umweltminister reagierte u.a. mit der so genannten Reststoffbestimmungsverordnung – diejenigen, die sich schon länger im Entsorgungsgeschäft tümmeln, werden sich erinnern. Damals wurden alle Produktionsrückstände, die – wie auch immer – verwertet werden sollten, als Reststoff eingestuft. Eine Genehmigungspflicht für Reststoffexporte bestand nicht, auch nicht für die Stoffe, die in dieser Reststoffbestimmungsverordnung aufgeführt waren. Diese Verordnung listete – stofflich identisch – die Stoffe auf, die, wenn sie als Abfall einzustufen waren, als Sonderabfall galten. (Derselbe Umweltminister prangerte selbstverständlich den Missbrauch des Begriffs „Wirtschaftsgut“ auf’s heftigste an.)
Heute will man Exporte nur zulassen, wenn die Entsorgung auf einem gleichwertig hohen Umweltschutzniveau erfolgt wie in Deutschland. Die Lagerung in Zwischenlägern – wie in Deutschland – ist damit wohl nicht gemeint!!
Die Schuldfrage ist geklärt
Ein Aktionsplan, der den hohen und komplexen Anforderungen an die Entsorgung genügt, vergleichbar den hohen Anforderungen an den Aktionsplan zur Begrenzung der Feinstaub-Belastung, und der natürlich nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann? Die Politik verweist auf das hohe Umweltschutzniveau, das mit der Ablagerungsverordnung erreicht werden soll. Und wer sich nicht auf den 1.6. eingestellt hat und seinen Abfall jetzt nicht loswird, ist selbst schuld.
Neue Systeme
Die Betroffenen kommen – der Produktverantwortung und dem ElektroG sei Dank – nicht drum herum. Hersteller von Elektrogeräten sind zurzeit eifrig damit befasst, Systeme zur Rücknahme und Verwertung von Altgeräten zu entwickeln. Das EAR wird zur Gemeinsamen Stelle und gleichzeitig als Beliehene Stelle des Umweltbundesamtes benannt. Und kleine Hersteller fürchten die hohe Belastung, die durch die Kosten zur kostenlosen Rücknahme der Altgeräte auf sie zukommt. Bereits etablierte Systeme zur Zerlegung und zum Recycling von Elektroaltgeräten – wie etwa Behindertenwerkstätten – fürchten ihrerseits um ihre Existenz. Dies angesichts dessen, dass über diese Systeme bisher – wir konnten es gerade der Fachpresse entnehmen – die gesammelten Elektroaltgeräte weitgehend recyclet wurden. Ob vom Gesetzgeber gewollt oder nicht gewollt: Es scheint ganz so, als ob das ElektroG umfassend zur Marktbereinigung genutzt wird.
Abwarten und Kirschen essen
ist nicht möglich. Außerdem ist die Kirschenernte längst vorbei. So widersprüchlich die Anforderungen zum Teil auch sein mögen, so wenig sie – zumindest teilweise – mit Umweltschutz zu tun haben und wie kompliziert die Regelungen auch immer formuliert sind. Wir helfen Ihnen gerne weiter.
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