Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Verwertung mineralischer Abfälle
Nach offiziellen Schätzungen gibt es bundesweit jährlich ca. 220 Millionen Tonnen mineralische Abfälle. Immerhin – auf LKW-Ladungen gerechnet – ergibt dies eine LKW-Kette von … na ja, jedenfalls mehr als einmal um die Erde.
Die Anforderungen an die Verwertung dieser Abfälle sollen künftig vereinheitlicht werden. Während z.B. in Bayern umfassende Regelungen zur Verwertung mineralischer Abfälle in den unterschiedlichen Verwertungsmaßnahmen bestehen, wird das Bedürfnis nach rechtssicheren und bundesweit einheitlichen Regelungen weitgehend geteilt. Nur, dass die Eckpunkte, die die LAGA als Grundlage für eine solche Verordnung erarbeitet hat, weitgehende Einschneidungen vorsehen.
So sollen z.B. die Zuordnungswerte im Vergleich zum bisherigen LAGA-Merblatt 20 zum Teil verschärft werden. Ob dies überhaupt erforderlich – und damit angemessen – ist, wurde in dem vom Bundesumweltministerium Mitte Februar durchgeführten Workshop in Frage gestellt. Ähnliches gilt für die Unterteilung in „technische Bauwerke“ und „bodenähnliche Anwendungen“ – eine begriffliche Wortneuschöpfung mit einschneidenden Folgen. Zu „bodenähnlichen Anwendungen“ werden Verwertungsmaßnahmen wie z.B. die Verfüllung von Gruben und Brüchen gezählt. Und diese sollen – so das aktuell diskutierte Eckpunktepapier – erheblich strengeren Anforderungen unterliegen, sodass quasi nur noch schadstofffreie mineralische Abfälle verwendet werden dürfen. Dies soll unabhängig davon gelten, ob aufgrund der Umgebungsverhältnisse – wie z.B. der Dichte und der Mächtigkeit der bestehenden Bodenschicht zum Grundwasserleiter – ein sicherer Grundwasserschutz gewährleistet ist.
Gefordert wurde daher, dass die künftigen Anforderungen, so sie denn kommen, konsistent, die Anforderungen an „bodenähnliche Anwendungen“ mit denen an technische Bauwerken vergleichbar sein müssen, wenn die Verwertung auf vergleichbar sicherem Niveau erfolgt. Oder juristisch ausgedrückt: Der Gleichbehandlungsgrundsatz muss gewahrt bleiben. Oder steht das Bundesbodenschutzgesetz, mit dem die schärferen Anforderungen zurzeit begründet werden, in der Normenhierarchie neuerdings über dem Grundgesetz?
Befürchtet wurde zudem von vielen Workshop-Teilnehmern, dass die künftigen Regelungen letztlich eine Verwertung mineralischer Abfälle erheblich erschweren und die Abfallmengen letztlich wieder als Beseitigungsabfall Deponien zugeführt werden. Und wen wundert es, dass die
Verwertung auf Deponien
von der geplanten Verordnung ausgenommen ist. Hier gilt die im Sommer letzten Jahres erlassene Deponieverwertungsverordnung, nach der durchaus zum Teil wesentlich höher belastete mineralische Abfälle auf Deponien – sei es beim Straßen- und Wegebau, sei es bei der Oberflächenabdichtung – verwertet werden können. Dass diese großzügigeren Zuordnungswerte nicht ganz mit den Werten übereinstimmen, die nach EU-Recht für Inertabfälle gelten (und nach der EG-Deponierichtlinie dürfen nur Inertabfälle auf Deponien verwertet werden), hatte den Verordnungsgeber nicht so sehr gestört.
Welche Zuordnungswerte für Inertabfälle gelten, kann der Entscheidung des Rates von Dezember 2002 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren für die Annahme von Abfällen auf Abfalldeponien – der so genannte Deponierahmenrichtlinie – entnommen werden. Diese hätte bis 16. Juli 2005 umgesetzt werden müssen. Nun liegt der Entwurf einer
Verordnung zur Umsetzung der EG- Deponierahmenrichtlinie
vor. Ein bisschen spät, aber immerhin. Ob demnächst nur noch solche mineralischen Abfälle auf Deponien verwertet werden dürfen, die als Inertabfälle im Sinne der europäischen Festlegungen gelten, nun, das wagen wir zu bezweifeln. Bei Erlass der DepVerwV waren die Kriterien der EG- Deponierahmenrichtlinie jedenfalls längst bekannt.
Entsorgungsengpässe und Gewerbeabfallverordnung
Weil wir es immer wieder mit Freude lesen, wollen wir es Ihnen nicht vorenthalten. Unser Bundesumweltminister äußerte sich zu aktuellen Pressemitteilungen, nach denen es einen akuten Müllnotstand gebe. Davon, so Umweltminister Gabriel, könne keine Rede sein … (wo er Recht hat, hat er Recht: Nach Einschätzung von Fachleuten und -presse müssen wir von einem längerfristigen und nicht nur von einem akuten Entsorgungsengpass ausgehen). … Die Anforderungen der Abfallablagerungsverordnung zeigten ihre gewollte Wirkung … (dass haufenweise Zwischenläger entstehen?) … und letztlich hätten sich die gewerblichen Abfallerzeuger nicht rechtzeitig auf die neue Situation eingestellt (also doch Entsorgungsengpass, aber selbst schuld?). Dass bei den bis Sommer 2005 bestehenden Kapazitäten ein wirtschaftlicher Betrieb so mancher Behandlungsanlage kaum möglich war – wir erinnern uns an den wahrlich heftigen Kampf um Müll aufgrund der bis dahin bestehenden Überkapazitäten an Entsorgungsanlagen – wird dabei glimpflich vergessen.
In diesem Zusammenhang ist auch die Meldung des BMU interessant, man wolle sich wegen der bestehenden Entsorgungsengpässe die GewAbfV noch mal angucken. Ändern wolle man sie aber nicht. Aber noch mal angucken kann ja nie schaden!
Abfallverbringung und notifizierende Person
Im Februar hat der Europäische Gerichtshof eine weitere Entscheidung zu grenzüberschreitenden Abfallverbringungen getroffen. Danach haben zwar grundsätzlich Abfallerzeuger die Notifizierung vorzunehmen. Allerdings kann ein Einsammler die „notifizierende Person“ sein, wenn
Schön! Da treffen wir doch tatsächlich mal eine Homogenität zwischen EG-Recht und deutschem Recht. Denn die Entscheidung entspricht insoweit den Regelungen der Nachweisverordnung über den Sammel-Entsorgungsnachweis, nach denen der Einsammler bei eingesammelten Kleinmengen gleichfalls an die Stelle des Abfallerzeugers treten kann.
Abfallverbringung und Umweltstandards im Importland
Bereits im Dezember 2004 hatte der EuGH festgestellt, dass die zuständige Behörde am Versandort auch Einwände gegen eine Verbringung erheben kann, wenn die Verwertung im Importland nicht den Umweltstandards entspricht, die im Exportland gelten (wir hatten berichtet). Diese Möglichkeit des Einwandes soll explizit auch in die EG-AbfVerbrV aufgenommen werden.
Umgekehrt bedeutet dies – jedenfalls bislang – nicht, dass der Exporteur darlegen muss, dass die Verwertung im Importland auf einem gleichwertig hohen technischen Niveau wie im Exportland erfolgt. Dies hat der EuGH in der Entscheidung von Februar 2006 gleichfalls hervorgehoben. Die Anforderungen an die Angaben in der Notifizierung seien insoweit in der EG-Abfallverbringungsverordnung abschließend geregelt. Was noch nicht ist, kann ja noch werden… Unabhängig davon kann es aber im Einzelfall empfehlenswert sein, im Rahmen der Notifizierung Angaben über die (vergleichbaren) Umweltstandards im Importland zu machen, um vorzubeugen, dass Notifizierungsanträge mit einer anderen Begründung, letztlich aber eben wegen solcher Fragen abgelehnt wurden.
Die Forderung nach EU-weit harmonisierten Umweltstandards wird wieder einmal erhoben. Ob Deutschland – sollten diese Umweltstandards weiter entwickelt werden – die berühmte Vorreiterrolle spielen wird? Über alle neuen Vorgaben halten wir Sie jedenfalls wie immer auf dem Laufenden.
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