Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Was ist ein Nutztier, was ist ein Haustier?
Die Frage könnte sich ja ganz individuell stellen. Der eine hält einen Hund als Hütehund, der andere, um ihn zu liebkosen.
Ganz anders bei Schweinen. Die gelten grundsätzlich als Nutztiere – man darf sie nicht einfach nur lieb haben. So wurde ein Halter eines Zwergschweines verpflichtet, das Tier wieder von seinem Hofgrundstück zu entfernen. Da gehört es nicht hin. Im Gegensatz zur Haltung von Schweinen in Massenschweinemastanlagen.
Was ist Abfall aus privaten Haushaltungen?
Noch im letzten newsletter haben wir die Novellierung der Verpackungsverordnung angesprochen. Hierzu wurde Anfang August ein Papier des Bundesumweltministeriums vorgelegt. Danach sollen z.B. Selbstentsorgungssysteme nur noch für Abfälle aus dem gewerblichen Bereich zulässig sein. Der Begriff „Abfälle aus privaten Haushalten“ wird sehr eng eingegrenzt. Kantinen, Verwaltungen, Kasernen usw. sollen nicht dazu zählen. Ob das Ganze mit Definitionen anderer Verordnungen übereinstimmt? Müll aus privaten Haushalten im Sinne der VerpackungsV – für den Bereich Selbstentsorger. Müll aus gewerblichen Bereichen im Sinne der GewAbfV. Müll aus privaten Haushalten im Sinne des ElektroG. Das führt wahrlich zu Rechtsklarheit. Aber warum sollte es anders sein als mit den Nutz- und den Schmusetieren.
Übrigens soll das Thema Rekommunalisierung für alle Abfälle aus privaten Haushalten nun wieder beendet sein. Eine Verlagerung der Verantwortung von Herstellern und Vertreibern für Verpackungsabfälle auf die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ist nicht vorgesehen. So die vornehme Formulierung, dass hier keine neue Zuweisung von Müllströmen erfolgen soll. Zurzeit jedenfalls nicht.
Thermische Verwertung und die Heizwertklausel
Ähnlich wie die Frage, wann ein Tier ein Nutz- und wann ein Haustier ist, stellt sich immer wieder die Frage, wann die Verbrennung von Abfall als Beseitigungsverfahren und wann als thermisches Verwertungsverfahren gilt. Kürzlich hatten wir noch berichtet, dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofs bezüglich der thermischen Verwertung von Abfällen in deutschen Landen nur sehr bedingt umgesetzt werden. Nein, das stimmt so nicht immer. Manchmal müssen auch wir uns korrigieren. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat Anfang des Jahres entschieden, dass entsprechend der Kriterien des EuGH der Heizwert keine Rolle spiele, wenn durch den Einsatz der Abfälle Primärenergieträger ersetzt werden. Im konkreten Fall ging es um die Verwertung von so genannten Inkontinenzabfällen, auf gut deutsch: von Windeln. Die sollten in einem Müllheizkraftwerk verwertet werden. Doch der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger forderte die Überlassungspflichten ein.
Das Gericht erkannte – wie nun auch das Verwaltungsgericht Minden im Urteil von August 2006, das über den Einsatz vergleichbarer Abfälle entschieden hat –, dass dann, wenn diese Abfälle nicht eingesetzt würden und vermehrt Primärenergieträger verwendet werden müssten, die wiederum durch die Windeln ersetzt werden, eine Verwertung vorliegt. Es zähle allein, ob – entsprechend der Anforderungen des EuGH – Primärenergieträger ersetzt werden und ein Energieüberschuss genutzt wird. Der Heizwert spiele insoweit keine Rolle. Wofür Inkontinenzabfälle doch alles gut sind.
Klärschlammverwertung
Ähnlich wie andere organische Überreste. Wir erinnern uns an die Meldung, dass in San Francisco jetzt sogar Hundekot thermisch verwertet werden soll. Der kann also doch nützlich sein. Also, liebe Leser, schaffen Sie sich einen Hund an. Der ist nicht nur gut für die Gesundheit (man muss raus), sondern – eifert man dem amerikanischen Vorbild nach – eine unaufhaltsame Quelle natürlicher Rohstoffe (ob das dann Primär- oder Sekundärrohstoff ist, nun, darüber möchten wir nicht entscheiden). Dem Gebot der Ressourcenschonung durch Schonung von Primärrohstoffquellen, festgeschrieben als eines der obersten umweltrechtlichen Prinzipien in unserem Vertrag über die Europäische Union, wird jedenfalls nachgekommen. (Oder fällt das dann unter das Gesetz über erneuerbare Energien?)
Auch die Diskussion über die Verwertung von Klärschlamm taucht immer wieder auf und dann wieder ab. Die landwirtschaftliche Nutzung soll eingeschränkt, jedenfalls strengeren Grenzwerten unterworfen werden. Die Tendenz geht dahin, dass Klärschlamm vermehrt thermisch verwertet werden soll.
Die Europäische Kommission diskutiert mittlerweile seit mehreren Jahren an einer Novellierung der Vorgaben. Die kommen aber nicht so recht voran. Bayern hat das Aus für die Nutzung von Klärschlamm in der Landwirtschaft mittelfristig angekündigt. Warum eigentlich? Handelt es sich nicht um natürliche Kreisläufe? Wären da nicht die Verunreinigungen durch Schadstoffe, verursacht von industriellen Einleitern. Oder auch die Rückstände von Chemikalien, die wir aufgrund unserer heutigen so gesunden und natürlichen Lebensmittel zu uns nehmen. Oder die Restbestände der Vielzahl von Medikamenten, die von Kranken oder auch Nicht-Kranken konsumiert werden.
Nur, dass manche bei der thermischen Klärschlammverwertung ein Problem kommen sehen: Der nicht wiederbringbare Verlust von Phosphat, der für den Nährstoffgehalt erforderlich ist. Aber wofür haben wir denn die Chemieindustrie?!
Verantwortlichkeit für Abfälle und andere Verunreinigungen …
Zurück zu unserem Fall mit dem armen Schwein. Der ist noch weitergehend von Bedeutung. Zwar wurde die Anordnung, das Schwein vom Hof zu entfernen, für rechtmäßig erachtet. Aber das Schwein hat Glück gehabt. Die Behörde muss – so der gerichtliche Vergleich – das Hausschwein noch bis Ende April 2008 auf dem Hof dulden.
In unserer kleinen Serie über allgemeine verwaltungsrechtliche Grundsätze, die auch im Abfallrecht gelten, kommen wir also zur Duldung. Die gehört zu einem – zwar ungeschriebenen, aber umso wichtigeren – verwaltungsrechtlichen Grundsatz. Nur, dass dieser Grundsatz von den Genehmigungs- und Überwachungsbehörden zuweilen nicht gerne gelebt wird. Dabei ist ein wirklich rechtmäßiger Umgang angesichts der vielen Unklarheiten kaum denkbar.
Entsorgungspflicht von Waldbesitzern
Die Behörde erlässt einen Gebührenbescheid für die Entsorgung von in einem Privatwald wild entsorgten Abfällen. Das Gericht verneint eine Entsorgungspflicht, da der Wald öffentlich zugänglich ist, wozu der Eigentümer sogar verpflichtet ist. Und erst die 2. Instanz stellt klar, dass eine Entsorgungspflicht in diesem Falle nicht besteht. Im Gegensatz zur Entsorgungspflicht von nicht öffentlich-zugänglichen Grundstücken. Denn grundsätzlich ist jeder Besitzer auch für die Entsorgung von wild abgelagertem Müll verantwortlich – und das betrifft auch den wild abgelagerten Müll auf Grundstücken von Entsorgungsanlagen. Oder z.B. die Verantwortung des Bundes für die Beseitigung von Kampfmitteln, die noch aus dem 2. Weltkrieg stammen. Zwar hat der Bund diesen Krieg nicht geführt. Doch ist er nun einmal der Rechtsnachfolger. Die Verantwortung ergebe sich unmittelbar aus dem Grundgesetz.
Doch wenn ein Grundstück zwangsweise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss, so bestehe keine Entsorgungspflicht für wild abgelagerte Abfälle. Im konkreten Fall ging es übrigens um 35 Hühnerviertel und andere Leckereien.
… und die Duldung von rechtswidrigen Zuständen
Was also wirklich Recht ist, weiß man oftmals erst nach 2 bis 3 Instanzen und nach mehreren Jahren. Um wirklich zu Verfahrensvereinfachungen zu kommen, die die praktische Umsetzung der Anforderungen in der Praxis im Auge haben, ist das Mittel der Duldung ein durchaus rechtmäßiges Mittel. Jedenfalls dann, wenn tatsächlich keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen ersichtlich sind. Und darum sollte es doch eigentlich gehen. Oder?
Damit Sie die Anforderungen nicht aus dem Auge verlieren, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
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