Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Neuerungen im Abfallverbringungsrecht
Am 15. Juli trat die neue EG-Abfallverbringungsverordnung in Kraft. Knapp 100 Seiten. Auch der deutsche Gesetzgeber war fleißig und hat das nationale Verbringungsrecht überarbeitet, was zu diversen Diskussionen Anlass gab. Im Wesentlichen sei hervorgehoben, dass nunmehr der Vorrang der Inlandsentsorgung von Hausmüll grundsätzlich festgeschrieben ist. Auch werden Bußgelder (und die Strafen) für illegale oder auch fehlerhafte Verbringungen erhöht. Ferner sollen die Kontrollen intensiviert werden. Hoffen wir, dass die Verhältnismäßigkeit hinsichtlich der Ahndung von wirklichen oder rein formalen Verstößen gewahrt bleibt.
Vor-Sortierung von Haushaltsabfällen
Noch im letzten newsletter hatten wir über den Rechtsstreit berichtet, ob Privatunternehmen verwertbare Anteile aus dem Hausmüll aus Wohnanlagen aussortieren dürfen. Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof hat dies nun bejaht. Die Sortierung erfolge vor dem eigentlichen Zeitpunkt der Abholung der Abfälle, sodass eine Überlassungspflicht zum Zeitpunkt der Vorsortierung vor Ort noch nicht bestehe. Auch übernehme die Drittfirma im Prinzip eine Verpflichtung des Abfallerzeugers, die verwertbaren Fraktionen von den zu beseitigenden zu trennen.
Ob dies in dieser Sache ein endgültiges Urteil ist? Nein, der Verwaltungsgerichtshof hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Überlassungspflicht und Darlegungslast bei Abfallverwertung
In einem weiteren Urteil hat der baden-württembergische VGH ein Krankenhaus verpflichtet, den Klinikmüll den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen. Die Überlassungspflicht bestünde in diesem Falle, weil nicht dargelegt wurde, wo der Müll tatsächlich verwertet werden sollte.
Der VGH verwirft damit zunächst die prinzipielle Anerkennung von nordrhein-westfälischen Verbrennungsanlagen als Verwertungsanlagen. Denn dort sollte der Abfall verbrannt (thermisch verwertet) werden. Die Entscheidung knüpft jedoch an die bisherige Rechtsprechung an. Zum einen verweist der VGH auf den Europäischen Gerichtshof, der die Verbrennung in einer Müllverbrennungsanlage in der Regel als Beseitigung gewertet hat.
Und wer sich auf den Vorrang der Verwertung beruft und den Überlassungspflichten nicht nachkommen will, muss darlegen, wo und wie die Abfälle verwertet werden. In diesem Sinne hatte das Bundesverwaltungsgericht bereits zu der Frage entschieden, ob Gewerbebetriebe verpflichtet sind, eine Restmülltonne vorzuhalten. Dies hatte das BVerwG damals grundsätzlich bejaht. Allein der Nachweis, dass (und damit auch wie und wo) die Abfälle tatsächlich verwertet werden, könne von den Überlassungspflichten befreien. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht Stuttgart nochmals die Rechtmäßigkeit einer Gewerbegrundgebühr für Restmüll bestätigt. Falle keine Beseitigungsabfall an, so könne schließlich von dieser Gebühr befreit werden.
Abwasser kann Abfall sein
Auch der Europäische Gerichtshof hat wieder einmal eine Entscheidung grundsätzlicher Natur gefällt. Danach ist Abwasser, das aus dem Kanalnetz austritt, Abfall. Dies gelte unabhängig davon, ob der Austritt absichtlich oder unabsichtlich erfolge.
Der Gerichtshof hob hervor, dass ausgetretenes Abwasser vom Anwendungsbereich des Abfallrechts nur ausgeschlossen sei, wenn nationale Vorschriften einen gleichwertigen Umweltschutz gewährleisten wie die Abfallrahmenrichtlinie. Auch müssten diese nationalen Vorschriften Regelungen zur Bewirtschaftung und zu einem umweltgerechten Umgang mit dem – als Abfall anzusehenden – Abwasser beinhalten. Die EG-Abwasserrichtlinie sei insoweit jedenfalls keine andere Regelung, da sie keine entsprechenden Anforderungen aufweise.
Sportschuh kein Elektrogerät
Diese Klarstellung, die der bayerische Verwaltungsgerichtshof getroffen hat, ist doch mal erfreulich. Ein Sportschuh ist ein Sportschuh und kein Elektrogerät. Selbst wenn bestimmte elektronische Teilchen – wie hier zur Regulierung der Dämpfung – enthalten sind. Der Hauptzweck bleibt nun einmal Sportschuh. Womit sich Gerichte alles befassen dürfen! Manchmal tun uns sogar die Richter leid.
Umweltpolitik und Sicherung von Abfallströmen
Ist der Mensch Bio? Wohl kaum angesichts all der Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe, Antibiotika im Fleisch und was sonst so in Lebensmitteln enthalten ist. Isst der Mensch Bioschwein? (Ja, wir geben zu, wir haben es nun einmal mit den Tieren und zurzeit besonders mit den Schweinen.) Nach einem Beschluss des VG Lüneburg jedenfalls nicht, wenn das Schwein 8 Tage Futter bekam, in dem 0,04 % gentechnisch veränderte Sojabohnen enthalten war. Das stellt das Schwein auf dieselbe Stufe wie ein herkömmliches, industriell aufgezogenes Tier und für den betroffenen Bauern bedeutete dies einen Schaden von bis zu 130.000,− € führte. Egal, der Verbraucherschutz muss gewahrt werden!
Ähnlich muten die Diskussionen in der Abfallwirtschaft an. Während z.B. auf Inertstoffdeponien Abfälle mit gewissen Schadstoffanhaftungen abgelagert werden dürfen, sollen für die Verwertung mineralischer Abfälle bei der Verfüllung von Gruben wesentlich strengere Anforderungen gelten. Dies, obwohl die Basisabdichtung einer Inertstoffdeponie nur eine Dicke von 1 m bei bestimmter Dichtigkeit aufweisen muss, die Anforderungen bei der Verfüllung hingegen z.T. wesentlich strenger ausfallen sollen.
Aber man stößt wie immer auf Interessensgegensätze, da Marktanteile erhalten oder erobert werden wollen. Manche schimpfen ganz prinzipiell gegen die Verfüllung von Gruben. Ganz so, als ob hier nur Missbrauch herrsche. Andere verweisen hingegen darauf, dass die Verfüllung eine öffentlich-rechtliche Pflicht ist. Das BVerwG hatte in dem bekannten Tongrubenurteil immerhin die Verfüllung als Verwertungsmaßnahme grundsätzlich anerkannt.
Doch warum sollte es bei der Verfüllung anders sein als bei anderen Abfallströmen. Die Kommunen wollen im operativen Geschäft bleiben und berufen sich auf die Daseinsvorsorge. Immer wieder gern wird auch die Thematik aufgerührt, ob die energetische Nutzung von Abfällen sinnig ist oder nicht. Die einen sagen ja. Abfälle sind gute Ersatzbrennstoffe. Und seit Einführung der Verpackungsverordnung wird immer wieder hervorgehoben, dass Kunststoffe eigentlich nichts anderes als Öl sind. Den Hausmüllverbrennungsanlagen fehlte die heizwertreiche Fraktion, weshalb entweder Öl zugefeuert werden musste oder aber die getrennt erfassten Kunststoffabfälle doch wieder in denselben Verbrennungsanlagen landeten. Gerne erinnern wir uns an den Unsinn, Abfälle getrennt zu sammeln, zu sortieren, Kunststoffe zu verarbeiten und aufwändig aufzubereiten, so dass schließlich eine Art Altöl entstand, das wiederum Müllöfen zugeführt wurde.
Nichtsdestotrotz kommt dieses Thema immer wieder auf’s Tapet. Dem Bürger sei eine Abkehr von der getrennten Erfassung nicht zuzumuten, man dürfe ihn nicht verunsichern. Tja, der hätte dann auch tatsächlich Zweifel an unserer Umweltpolitik, wenn ihm ein für allemal gesagt wird, dass die getrennte Erfassung von Kunststoffabfällen nichts als überflüssig ist. Auch will die Fraktion der stofflichen Verwerter ihrer Marktanteile nicht verlustig gehen, sodass – wir hatten ja schon darüber berichtet – heiße Diskussionen bei der Novellierung der EG-Abfallrahmenrichtlinie laufen und liefen. Diese Fraktion erhält gelegentlich Unterstützung von Umweltverbänden, die ebenfalls das rohstoffliche Recycling favorisiert wissen wollen.
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