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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter November 2007

Die unendliche Verantwortlichkeit der Abfallbesitzer
Frittierfett ist kein Brennstoff
Der Kreislauf der Recyclingwirtschaft
Verfüllung einer Tongrube und richterliche Entscheidungsfindung

Meisterstücke 1: Die unendliche Verantwortlichkeit der Abfallbesitzer

Noch kürzlich hatten wir von einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg berichtet. Ein Urteil, das uns durchaus erfreulich erschien. Danach sollte die Verantwortlichkeit des (ehemaligen) Abfallbesitzers entfallen, wenn er die Abfälle einem sorgfältig ausgewählten und zertifizierten Entsorgungsunternehmen übergibt. Mit diesem Urteil wurde erstmals eine Begrenzung der unendlichen Haftung von Abfallerzeugern und -besitzern ausgesprochen.

Doch nun hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil von Juni 2007 alles wieder über den Haufen geschmissen. Wer einmal Abfälle erzeugt oder in seinen Besitz nimmt, bleibt für die Entsorgung verantwortlich! Immer und ewig! Selbst dann, wenn er das Entsorgungsunternehmen sorgfältig ausgewählt und für den Entsorgungsweg bereits bezahlt hat. Geht jedoch bei der Entsorgung irgendetwas schief oder wird der Entsorger insolvent, so flammt die Verantwortlichkeit für die Abfälle wieder auf. Wer einmal Besitzer war, bleibt in der Haftung. Daneben kommen natürlich auch neue Besitzer ins Spiel. So muss nach einem Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshofs die Grundstückseigentümerin für die Beseitigung einer Shredderhalde gerade stehen.

Ganz anders zum Beispiel im Arztrecht. Die Haftung der Ärzteschaft bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten – so etwa bei Kunstfehlern – war und ist sehr beschränkt. So kam es vor, dass bei einer Kopfoperation die Schädeldecke unsachgemäß gelagert werde, sodass eine künstliche Schädeldach-Ersatzplastik eingesetzt werden musste. Doch wurde nur ein geringes Schmerzensgeld für die „emotionalen Empfindungsstörungen“ anerkannt, nicht aber für die Beschwerden, die dem Betroffenen tatsächlich verblieben.

Im Abfallrecht bleiben hingegen Abfallerzeuger oder -besitzer in der Verantwortung. Selbst dann, wenn sie alle Sorgfaltspflichten gewahrt haben. Da ist das Abfallrecht einfach strikt.

Meisterstücke 2: Frittierfett ist kein Brennstoff

Allein schon das Wort „Biokraftstoff“ soll offenbar (immer noch) ökologische Verträglichkeit vermitteln. Dabei weisen Berichte längst auf den Raubbau an der Natur durch Monokulturen und den intensiven Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger hin, von den Lebens- und Arbeitsbedingungen z.B. auf Palm- oder Maisplantagen in vielen Weltgegenden ganz zu schweigen.

Kann aber Frittierfett vollständig verbrannt werden, so handelt es sich dennoch um Abfall. Und für die Verbrennung/Verwertung braucht man nun einmal eine entsprechende Zulassung, ansonsten kann die Anlage – im konkreten Fall ging es um ein Kraftwerk – stillgelegt werden. Dies gelte selbst dann, wenn das Frittierfett aufgekauft wird, so das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz von Mai 2007. Seitens des Erzeugers bestehe nun einmal ein Entledigungswille. Außerdem habe das Fett seine Zweckbestimmung verloren, ohne dass ein neuer Verwendungszweck eingetreten sei. Das verwundert. Sollte doch das Fett als Brennstoff eingesetzt werden. Aber im Gegensatz zu Biodiesel wurde das Fett ja vorher schon einmal verwendet. Eben als Frittierfett. Da muss man ein abfallrechtliches Überwachungsauge drauf haben. Im Gegensatz zu den Bedingungen, unter denen „Biokraftstoff“ erzeugt wird.

Der Kreislauf der Recyclingwirtschaft

Und im Gegensatz zu den Bedingungen, unter denen so manche Recyclingaktivitäten verlaufen. So wurde nun bekannt, dass Billigschmuck, der in China produziert wurde, wegen des Bleigehaltes höchst gesundheitsgefährdend ist. Der Schmuck wurde aus E-Schrott hergestellt, der wiederum aus Amerika stammte. Wie die Arbeitsbedingungen in dieser Recyclingbranche und die Gesundheitsschäden der dort Arbeitenden angesichts des leicht oxidierbaren Bleis aussehen, kann man sich leicht ausmalen. Doch der Weltmarkt boomt!

Meisterstücke 3: Verfüllung einer Tongrube und richterliche Entscheidungsfindung

Dass die Verfüllung von Gruben eine verwaltungsrechtliche Verpflichtung darstellt – und deshalb das Bundesverwaltungsgericht die Verfüllung mit geeigneten Materialien grundsätzlich und zu Recht als Verwertung anerkannt hat – wird gerne vergessen. Die Verfüllung steht zurzeit mehr und mehr im Mittelpunkt der abfallrechtlichen Diskussionen. Und dies oftmals mit dem Tenor, hier würde nur Schindluder getrieben.

Ein Beschluss des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von Juli 2007 scheint dieser prinzipiellen Verurteilungspraxis folgen zu wollen. Ein Grubenbesitzer wurde verpflichtet, eingebrachtes Material wieder auszuheben und zu beseitigen. Gestützt wurde diese Verpflichtung auf die Stellungnahme des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes. Ob und welche Gegengutachten vorgelegt wurden, interessierte das Gericht hingegen offenbar überhaupt nicht. Nein: Die Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes hätten in der Regel größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten. Die amtlichen Erkenntnisse würden auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebietes und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen.

Das stimmt in mehrfacher Hinsicht verwunderlich.

Wieso haben Behördenvertreter mehr Fachkompetenz im Vergleich zu privaten Fachinstituten? Machen Behördenvertreter nie Fehler? Legen sie nie einen falschen Sachverhalt zugrunde? Vor einigen Jahren hatte einmal ein Landesamt für Umweltschutz einen Berg Kohle beprobt und analysiert, doch hatte es keinerlei Heizwert ermitteln können. Schließlich wurde festgestellt, dass die Probe nicht von der Kohle, sondern von daneben liegenden Steinen entnommen worden war. Den Fehler hatte übrigens ein privater Sachverständiger herausgefunden.

Der Beschluss des VGH ist auch in sonstiger Weise zumindest verblüffend, wir können auch von erschreckend reden. Führen wir unseren kleinen Grundkurs „allgemeines Verwaltungsrecht“ etwas fort. Im Verwaltungsrecht herrscht der Grundsatz der Amtsermittlungspflicht. Sowohl Behördenvertreter als auch Verwaltungsrichter sind – eigentlich! – verpflichtet, einen Sachverhalt in Gänze zu prüfen, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Werden aber Gegengutachten vollkommen außer Acht gelassen, so wird jegliches entlastende Material, das der Betroffene vorlegt, ganz einfach ignoriert.

Der VGH zitiert schließlich in seiner Entscheidung die behördliche Anordnung. Daraus wird ersichtlich, dass der Betroffene innerhalb enger Fristen das Material zu entfernen hat. Auch gegen diese enge Fristsetzung hat das Gericht keine Bedenken erhoben. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint uns die Pressenotiz, wonach immer noch mehr als 20.000 t illegal verbrachter Abfälle in Tschechien lagern. Nur 2.500 t der insgesamt ca. 30.000 t seien zurücktransportiert worden. Nach immerhin knapp zwei Jahren. Doch hier ist ja nur die öffentliche Hand – und nicht ein privater Unternehmer – zur Rückholung verpflichtet.

Es lebe der kleine Unterschied!

 
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©  2003-2010  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2010-09-01
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