Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Abfall – ein unbestimmter Rechtsbegriff
Kehren wir zurück zu unserem kleinen Grundkurs Verwaltungsrecht. Dieses Mal zu den unbestimmten Rechtsbegriffen. Das Wort Abfall ist und bleibt ein solcher: Was für den einen von Wert – und sei es nur aus ideellen oder sentimentalen Gründen –, ist für den anderen blanker Müll. Zum Zwecke der Rechtssicherheit müssen unbestimmte Rechtsbegriffe konkretisiert werden. Und um Schindluder mit dem Begriff Produkt zu vermeiden, gibt es neben den grundlegenden Abfalldefinitionen unseres KrW-/AbfG weitere Hinweise.
So z.B. das rheinland-pfälzische Merkblatt zum Export von Elektroaltgeräten. In diesem wird klargestellt, oder besser gesagt, sollte klargestellt werden, wann solche Altgeräte Abfall sind und wann sie als freies Produkt die Grenzen überschreiten dürfen. Was aber, wenn solche Hinweise widersprüchliche Aussagen treffen? So dünkt uns jedenfalls ebendieses Merkblatt. Denn mal gelten Altgeräte, die zum Zwecke der Reparatur exportiert werden, als Produkt (es sei denn, sie beinhalten bestimmte Schadstoffe wie etwa FCKW), mal sollen nur voll funktionsfähige Geräte kein Abfall sein. Ja was denn nun?
So ist – wie so häufig bei unbestimmten Rechtsbegriffen – zu befürchten, dass die Auslegungsmöglichkeiten von denen ausgenutzt werden, die sie wider aller Rücksicht auf Menschen und Umwelt ausnutzen möchten. Die Berichte über die katastrophalen Bedingungen, unter denen Altgeräte z.B. in Ghana, Indien oder China „entsorgt“ werden, reißen jedenfalls nicht ab.
Ausgelaufenes Altöl
Selbstredend ist die Frage, ob eine Sache Abfall ist oder nicht, auch ständiges Thema vor den Gerichten. So auch vor dem EuGH. Der hat z.B. kürzlich entschieden, dass ausgelaufenes Altöl aus einer Schiffshavarie, das an die französische Küste angeschwemmt war, Abfall ist. Mit der Konsequenz, dass der Besitzer bzw. der Eigentümer – hier der Ölkonzern Total – die Reinigungs- und Entsorgungskosten zu tragen hat. Vielleicht sollte dieses Urteil Grundsatzcharakter auch für andere Bereiche haben. So etwa für genveränderte Pflanzen. Den Freilandversuch von Genmais hat unter anderem das VG Braunschweig für zulässig erklärt. Was ist aber, wenn der Pollen – was ganz natürlich erscheint – zu konventionellen oder gar ökologisch betriebenen Feldern herüberweht? Doch diese Risiken trägt der konventionelle Bauer respektive der Ökobauer.
Liquiditätsrisiko von Entsorgungsunternehmen
Kehren wir heute gleich zweimal zurück zu unserem Grundkurs Verwaltungsrecht. Hier gibt es Ermessensgrundsätze. So hat die Behörde insbesondere bei so genannten „Kann-Bestimmungen“ ihr sachgemäßes Ermessen für den jeweiligen Einzelfall auszuüben. Anders jedoch bei der Frage, ob Entsorgungsunternehmen für ihren Betrieb eine Sicherheitsleistung erbringen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hier ganz pauschal festgestellt, dass bei Entsorgungsunternehmen grundsätzlich ein latentes Liquiditätsrisiko bestehe, weshalb die Behörde ihr Ermessen ausgeübt haben soll, wenn sie das, was die Kann-Bestimmung so vorsieht, hier also eine Sicherheitsleistung verlangt, einfach anordnet. Ohne weitere individuelle Prüfung und Abwägung.
Gute Nachrichten
Manchmal lesen wir durchaus erfreuliche Nachrichten. So etwa, dass lebende Goldfische in der Schweiz nicht mehr in der Toilette entsorgt werden dürfen. Das ist beruhigend. Warum nicht mehr davon?
und schlechte Nachrichten – die Entsorgungsbranche
so etwa, dass konventionelle Hühner nur in Ausnahmefällen ökologische Eier legen können. Das verwundert und verwundert wiederum nicht. Offenbar sind Hühner aus der industrialisierten Massentierhaltung schon so entartet, dass sie keine ökologische = natürliche Nachkommenschaft mehr zeugen können. Nichtsdestotrotz wird gegen die industrialisierte Tierhaltung nicht wirklich etwas unternommen. Das Geschäft mit billigem Fleisch soll ja blühen. Ganz anders die Bewertung der Entsorgungsbranche. Da schreibt eine der renommiertesten deutschen Wochenzeitschriften im Rahmen eines ausführlichen Berichtes über die Skandale in ostdeutschen Gruben, dass mit der Abfallablagerungsverordnung „eine ganze Branche (…) das große Geschäft (witterte)“. Seit wann ist es etwas Skandalöses, ein Geschäft zu wittern? Lebt nicht unser Wirtschaftssystem genau davon? Aber wenn es die Entsorgungsbranche betrifft…
Dass der größte Teil der Entsorger versucht, im Rahmen all der Regelungen und Anforderungen so gut und so legal wie möglich zu arbeiten, wird kaum erwähnt. Umgekehrt, der Ruf, der dieser Branche anhaftet, nämlich der der Schmuddelbranche, kehrt, so unser Eindruck, wieder mehr und mehr zurück. Und wehe dem, der in den Verdacht gerät, auch nur gegen eine formale Anforderung aus dem Wust von Vorschriften verstoßen zu haben!
Abfallverwertung in bergrechtlichen Betrieben
Ganz im Gegensatz zu den Betrieben, die dem Bergrecht unterstehen und die den aktuellen Skandal der Verfüllung von Gruben mit Hausmüll und hausmüllähnlichen Gewerbeabfall ausgelöst haben. Im Falle der Grube Vehlitz hatte die zuständige Behörde die Zulassung der nicht-mineralischen Abfallarten zurückgenommen. Doch stellte das VG Magdeburg zunächst klar, dass die Untersagung der Verfüllung mit anderen als mineralischen Abfällen – und damit die Rücknahme der zuvor genehmigten Abfallarten – nicht mit den Anforderungen des Bodenschutzrechts begründet werden könne. Bei der Verfüllung von Gruben sei Bodenschutzrecht nicht anwendbar. Boden sei nur die oberste Erdschicht; was darunter verfüllt wird, sei nicht mehr als Einbringung in oder auf dem Boden anzusehen. Auch könne die Anordnung, künftig nur noch mineralische Abfälle anzunehmen sowie bestimmte Vorsorgemaßnahmen sicherzustellen, nicht auf das Bundesberggesetz gestützt werden.
Diese Sichtweise hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt in den Beschlüssen von August 2008 grundsätzlich bestätigt. Danach sei – jedenfalls in dem konkreten Fall – eine Begrenzung des Organikanteils für das zu verfüllende Material nicht vorgegeben. Die von der zuständigen Behörde nachträglich erlassene Anordnung, nach der organikhaltige Abfälle nicht mehr verfüllt werden durften, könne nicht auf das Bundesberggesetz bzw. auf die allgemeine Rücknahmevorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes gestützt werden.
Abfallentsorgung in der ehemaligen DDR
Oder der Fall der Deponie Ihlenberg. Hier wurden die Vorwürfe, es bestünde ein erhöhtes Krebsrisiko für die Mitarbeiter, höchst offiziell zurückgewiesen. Das Risiko bestehe allenfalls für die Mitarbeiter, die zu DDR-Zeiten dort gearbeitet hatten. Nur: Welche Abfälle wurden auf dieser Deponie – damals Schönberg – eigentlich abgelagert? War da nicht ganz viel westdeutscher Müll drunter?
Giftmüllkrise in Abidjan
Und noch viel großzügiger ist die Handhabung, wenn es sich um die Folgenbeseitigung einer illegalen Müllentsorgung im fernen Ausland, vor allem in der 3. Welt, handelt. Jedenfalls hat die UN festgestellt, dass 2 Jahre nach Ausbruch der Krise in Abidjan die Müllkippen, auf denen der Giftmüll illegal abgelagert worden war, noch immer nicht saniert sind. Für die Gesundheit der dortigen Bevölkerung stellen sie weiterhin eine erhebliche Bedrohung dar.
Das behördliche Augenmerk ist, so scheint es zumindest, zunehmend auf den gerichtet, der versucht, so legitim wie nur möglich zu entsorgen. Das erscheint allerdings angesichts der Regelungsflut, der Ausnahmen und Querverweise als ein wahres Kunststück. Doch gerade zur Bewältigung dieses Kunststücks stehen wir Ihnen gerne zur Seite.
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