Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Abfallentsorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge
Daseinsvorsorge klingt schön. Der Staat kümmert sich um die essentiellen Lebensbedingungen seines Volkes. So kümmert er sich auch darum, dass die Abfälle, die in privaten Haushalten so anfallen, von der öffentlichen Hand entsorgt werden. Diese essentielle Aufgabe wurde mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2009 explizit bestätigt. Wir hatten ja angekündigt, dass wir darauf zurückkommen werden. Und das tun wir, ob wir es wollen oder nicht.
Daseinsvorsorge klingt schön. Wie wäre es etwa mit der Daseinsvorsorge, dass jedermann freien Zugang zu gleichartiger medizinischer Versorgung hat und die Leistung nicht davon abhängt, welcher Kasse er zugehört. In anderen – ebenfalls marktwirtschaftlich orientierten – Ländern sind solche Systeme durchaus etabliert. Oder wie wäre es mit der Daseinsvorsorge, sicherzustellen, dass nur tatsächliche Lebensmittel als Lebensmittel auf den Markt kommen. Bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln weiß man bis heute nicht das Geringste von den Langzeitfolgen, die möglicheweise eintreten. Und Nanopartikel mögen ja für manche Verwendungszwecke sinnvoll sein, dass aber mit solchen Mitteln je nach Erhitzungsgrad eine Pizza mal nach Funghi und mal nach Salami schmeckt, mag den einen oder anderen an „Soylent Green“ erinnern.
Entsorgungssicherheit
Aber was in Teufels Namen hat die Verwertung von Altpapier mit Daseinsvorsorge zu tun? Ach ja: Dass die Entsorgung von Haushaltsabfällen durch private Firmen nicht mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und Planungssicherheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger haben darf. Denn die sind nun einmal für die Entsorgung von Hausmüll zuständig.
Private Firmen können die auch gar nicht bewerkstelligen. Die dürfen nämlich nicht – so unserBundesverwaltungsgericht – auf vertraglicher Grundlage und in regelmäßigen, dauerhaften Strukturen wiederkehrende Entsorgungsleistungen erbringen. Ganz so, wie es für die Entsorgungssicherheit erforderlich ist. Und da sie das nicht können dürfen, können sie natürlich auch keine Entsorgungssicherheit gewährleisten.
Widersprüche zu europarechtlichen Kriterien im Hinblick auf den freien Markt für Verwertungsabfälle wollte das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennen, genauso wenig wie kartellrechtliche Probleme. Betrachtet man jede Kommune für sich und nicht die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger als Gesamtheit, so kann man sicher zu dem Schluss kommen.
Nein, wir beschimpfen nicht die Kommunen. Was aber die Verwaltungsgerichte – und mit dieser Entscheidung auch das Bundesverwaltungsgericht – betrifft, so ist doch zu bemerken, dass zunehmend und ausgesprochen kommunal- bzw. verwaltungsfreundlich entschieden wird.
Europäischer Gerichtshof unterstützt kommunale Zusammenarbeit
Das betrifft nicht nur deutsche Verwaltungsgerichte, sondern gelegentlich auch den Europäischen Gerichtshof. Der hat nämlich Verträge zwischen Kommunen u.a. für die Vorhaltung von Entsorgungseinrichtungen ohne vorherige öffentliche Ausschreibung für zulässig erklärt.
Keine Sicherheitsleistung für öffentlich-rechtlich betriebene Deponien
Auch was z.B. die Sicherheitsleistung für Entsorgungsanlagen betrifft, können Kommunen einen gewissen Neidfaktor auf sich ziehen. Nicht nur, dass sie von der Mehrwertsteuer befreit sind. Bislang jedenfalls. Nein. Im Gegensatz zu privaten Entsorgungsfirmen, von denen eine Sicherheitsleistung verlangt werden soll, soll bei öffentlich betriebenen Deponien von einer solchen abgesehen werden, wenn über eine Einstandspflicht von Staat, Land oder Kommunen der Sicherungszweck gewährleistet ist. Im Gegensatz zu Privatfirmen, bei denen die Allgemeinheit nicht die Kosten tragen soll, wenn im Falle einer Insolvenz noch zu entsorgende Abfälle auf dem Betriebsgrundstück lagern, trägt hier von vornherein die öffentliche Hand – und damit der Bürger – die Kosten, wenn etwas schief läuft.
Nein, auch hier können und wollen wir nicht auf die Kommunen schimpfen. Denn das sind politische Entscheidungen – zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge. Selbstredend.
Keine grundlegende Charakterisierung für Inertabfälle
Und noch einen Neidfaktor können sich Deponiebetreiber gutschreiben. Bei der Annahme von bestimmten Inertabfällen kann die Behörde zustimmen, dass auf die „grundlegende Charakterisierung“, also die Analytik, verzichtet wird. Das erspart hohe Kosten für die Untersuchung der Abfälle. Ganz im Gegensatz zur Verwertung von mineralischen Abfällen. Nach bisherigen Empfehlungen kann hier nur dann auf Untersuchungen verzichtet werden, wenn das Material garantiert aus einem unbelasteten Bereich stammt. Nur, dass die Werte für Inertabfälle nach der Deponieverordnung – soweit vergleichbar – π mal Daumen den Z 1.1-Werten entsprechen. Und der dreifache Wert kann grundsätzlich zugelassen werden.
Abfallentsorgung ohne Zuständigkeit
Aber wir hatten ja versprochen, mit der aktuellen Ausgabe und so kurz vor Weihnachten ein paar etwas apokalyptische Gedanken zu verschwenden. So befürchten manche (durchaus ernstzunehmende) Kritiker des Freisetzens gentechnisch veränderter Pflanzen, dass der Samen auf die immerhin noch bestehende natürliche Fauna, vor allem Gräser, überschlagen könnte. Und da es einer der Zwecke gentechnischer Veränderungen ist, dass die Pflanzen sich nicht mehr selbst reproduzieren können, der Samen immer auf´s Neue eingekauft werden muss, könnten auch unsere noch natürlich wachsenden Gräser irgendwann einmal eben nicht mehr nachwachsen. Einen ähnlichen Schwund könnte die Menschheit erleiden. Wie mittlerweile nicht nur von der Fachpresse bemerkt, treiben Millionen von Tonnen Kunststoffabfälle in den Weltmeeren, die sich langsam aber sicher zersetzen. Nicht nur, dass diese Kunststoffe für Meeresbewohner und -vögel eine enorme Bedrohung darstellen. Nein. Über die Nahrungskette können die Partikel auch in den menschlichen Körper gelangen. Und den Weichmachern in den Kunststoffen – den Phthalaten – wird nunmal die unerfreuliche Wirkung nachgesagt, dass sie unfruchtbar machen können…
Aber für diese Abfälle fühlt sich bislang keiner zuständig. Nix mit Daseinsvorsorge.
Abfallentsorgung mit Zuständigkeit – die Untertagedeponierung
Nicht nur atomarer Müll, sondern auch gefährlicher Abfall soll auch künftig in Salzstöcken unter Tage abgelagert werden. Langzeitsicher soll eine Verbindung mit der Biosphäre verhindert werden. Salzstöcke sind ja, wie man von der Grube Asse her weiß, -zigtausende Jahre sowas von sicher.
Wie bei im Meer versenkten Giftfässern, Kriegsmunition, versenkten Schiffen mit fragwürdiger Fracht, radioaktivem Abwasser: Das alles ist dann zwar nicht von der Erde, aber immerhin von der Erdoberfläche verschwunden. Ganz im Sinne der Daseinsvorsorge?
Wir hegen die vage Hoffnung, dass die vier (modernen) Reiter sich vielleicht doch noch verirren mögen. Deshalb wünschen wir Ihnen bereits jetzt einen schönen und ruhigen Jahresausklang. Selbstverständlich werden wir Ihnen auch im kommenden Jahr mit unseren Informationen und mit Rat und Tat zur Verfügung stehen.
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