Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Abrissprämie kann sinnvoll sein
Dank unserer kritischen Leserschaft möchten wir aber zunächst eine Aussage relativieren, die wir im letzten newsletter getroffen haben. So wurden wir darauf hingewiesen, dass die Abrissprämie durchaus sinnvoll sein könne; mit der Prämie solle nicht der Abriss erhaltenswerter Altbauten aus der Vor-Jahrhundertwende gefördert werden, sondern vor allem von Bauten aus den 60er und 70er Jahren. Diese werden heutzutage teilweise auf Teufel komm raus und zu horrenden Kosten wärmeisoliert, obwohl die Bausubstanz minderwertig und planerisch nicht gerade als besonders wertvoll einzustufen sei. Dem möchten wir gerne zustimmen.
Nun aber zu den künftigen Anforderungen an die Verwertung der bundesweit immerhin ca. 240 Millionen Tonnen / Jahr mineralische Abfälle.
Ersatzbaustoffe und unterschiedliche Analyseverfahren
Was die ErsatzbaustoffV betrifft, so wird man sich wohl an die umfangreichen Listen gewöhnen müssen. Dabei hat das BMU bei der Festlegung der Grenzwerte für einzelne Parameter nun Kritikpunkte der Wirtschaft berücksichtigt. Die unterschiedlichen Probenahme- und Analyseverfahren sind aber weiterhin äußerst umstritten – Säulentest 1:2 für Ersatzbaustoffe; Säulen- oder Schüttelverfahren 1:2 für die Verfüllung, Schüttelverfahren 1:10 bei der Deponierung. Die Vergleichbarkeit ist allerdings nicht gegeben. Da helfen auch die Umrechnungsmodelle nichts, die zurzeit entwickelt weden. Und da zudem oftmals nicht vorab feststeht, wie die Abfälle entsorgt werden, müsste gleich mehrfach analysiert werden. Für alle Entsorgungsverfahren einheitliche Probe- und Analyseverfahren werden daher dringend gefordert.
Betreiber von Verfüllungen – stets mit einem Fuss im Knast?
Zu den geplanten Anforderungen an die Verfüllung ist erschreckenderweise festzustellen, dass offenbar sämtliche Argumente, die im Laufe der Jahre vorgetragen wurden, beim BMU offenbar schlichtweg abgeprallt sind. Die Verfüllung von Materialien, die das doppelte der Vorsorgewerte der BBodSchV einhalten, soll grundsätzlich zulässig sein. Aber die Sache hat gleich mehrere Pferdefüße:
Für die Verfüllung höher belasteten Materials müsste eine wasserrechtliche Erlaubnis vorliegen, selbst dann, wenn die Umgebungsverhältnisse und/oder Sorptionsschichten eine umweltgerechte Verfüllung gewährleisten. Und welche Behörde will schon eigenverantwortlich und ohne konkretisierende verbindliche Regelungen über einen solchen Antrag entscheiden. Auf DK-0-Deponien kann hingegen höher belastetes Material abgelagert werden. Eine Basisabdichtung von 1m und einem Kf-Wert von 10-7 wahrt den Grundwasserschutz. Gleichbehandlung? Angemessenheit? Vorrang der Verwertung? Ressourcenschutz? Pustekuchen!
Ein weiterer Pferdefuß liegt darin, dass auf eine wasserrechtliche Erlaubnis nur dann verzichtet werden soll, wenn die Eluatwerte der neuen Tabellen 3.1.1 und 3.1.2 eingehalten werden. Diese Werte liegen aber bei bzw. sogar weit unterhalb derer, die die TrinkwasserV vorgibt. Und da Böden geogen oder anthropogen bedingte Hintergrundbelastungen aufweisen können, könnte guten Gewissens kaum noch eine Krume ohne vorherige Analyse verfüllt werden – nicht einmal Aushub von der „günen Wiese“. Denn sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die Eluatwerte doch überschritten waren, so hätte eben eine wasserrechtliche Erlaubnis vorliegen müssen. Ohne eine solche Erlaubnis handelt man aber ordnungswidrig – und so manche Behörde würde sicherlich auch gleich eine Straftat der illegalen Boden- und/oder Grundwasserverunreinigung wittern.
Bevorzugung von Inertabfalldeponien – zum Wohle der Deponiebetreiber?
Für DK-0-Deponien kann bei Böden und bestimmten weiteren mineralischen Abfällen hingegen gänzlich auf vorherige Analysen verzichtet werden. Und eine Überschreitung der ohnehin schon großzügigeren Grenzwerte bis zum 3-fachen kann zudem zugelassen werden.
Es ist also damit zu rechnen, dass Bodenaushub künftig gleich Deponien zugeführt wird, allein um die Kosten für die bei der Verfüllung regelmäßig erforderlichen Analysen zu sparen.
Die Entsorgungsbranche hat in weiten Kreisen immer noch einen fragwürdigen Ruf. Dass es nicht diese Branche ist, die die Abfälle erzeugt, wird dabei glimpflich übersehen. Aber Verfüller scheinen als besonders schwarze Schafe zu gelten. Wir sprechen nicht über die, die Haus- und Gewerbemüll unter mineralische Abfälle mischen und das Ganze verkippen. Gasfassung und Eindämmung der Geruchsbelästigungen sollen nun die Sicherungsmaßnahmen sein. Nein, wir sprechen von denen, die ordnngsgemäß nach bestehenden Regelungen – wie etwa dem bayerischen Leitfaden – verfüllen und in Folge dieser Verfüllung keinerlei Umweltschaden zu verzeichnen haben.
Fragt sich abschließend: Wem nutzen die übertriebenen Anforderungen? Den Deponiebetreibern? Wirklich begeistert sind die von den absehbaren Folgen auch nicht. Denn im Nu wären die Deponien voll. Also die Bodenschützer in den Vollzugsbehörden und Ministerien? Wohl eher. Als Don Quichotes des wahren Umweltschutzes?
Dioxin-Skandal und die Einstufung von Tieren als Abfall
Lange Zeit hatten Tierschützer beklagt, dass Tiere rechtlich als Sachen eingestuft wurden. Anläßlich des Dioxin-Skandals konnte man aber wieder einmal - wie schon beim BSE-Skandal - lernen, wie schnell Tiere, die durch Tierfutter vergiftet werden, als Abfall eingestuft werden. Ein Recht auf Leben haben diese Tiere eben nur, wenn sie noch als Nahrungsmittel dienen.
Müllmann Berlusconi
Angesichts der Müllkrise in Neapel gefiel uns ein Zitat durchaus gut: Seine Regierung werde die Abfallberge in Kürze beseitigen, soll der italienische Staatschef zugesichert haben. Man stelle sich Berlusconi vor, im orangenen Arbeitsanzug inmitten der Müllberge… Fast bewunderungswürdig. Fast so wie Sarkozy: Als im letzten Winter die Züge im Kanaltunnel stecken blieben, hatte der sich zum Meister des Bahnverkehrs ernannt mit dem Ausspruch: „Die Züge sollen fahren!“ Und siehe da, die Züge fuhren tatsächlich (irgenwann) wieder.
Behördliche Überwachung abschließend geregelt
Nachdem der bayerische VGH die Grenzen der Eigenüberwachung von Anlagen klargestellt hat, die gesetzlich abschließend geregelt sind, hat nun ein weiteres bayerisches Verwaltungsgericht auch die Grenzen der behördlichen Überwachung benannt: Die ist nämlich auch abschließend geregelt. Weitergehende Anforderungen sind unzulässig. Das Verfahren wurde übrigens per Beschluss beendet, nachdem die Behörde, die die weitergehenden Anforderungen gestellt hatte, noch im Gerichtssaal die entsprechenden Auflagen aufgehoben hatte.
Wertstofftonne und interessensgeleitete Argumente
Zur Frage, unter wessen Regie die Wertstofftonne eingeführt werden kann, kursieren nun widerstreitende Gutachten. Das von einer Privatfirma in Auftrag gegebene kommt natürlich zu dem Schluss, die Wertstofftonne sei nur in privater Regie zulässig. Dieses Ergebnis sei interessensgeleitet, kontert der Gegengutachter: „Die einheitliche Wertstofftonne in kommunaler Regie ist rechtlich zulässig“. Das ist natürlich nicht interessensgeleitet!
Damit Sie ohne interessensgelenkte Einschätzungen den Dschungel des Umweltrechts bewältigen, stehen wir Ihnen wie immer gerne mit Rat und Tat zur Seite.
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