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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Oktober 2011

Novellierung KrW-/AbfG
Mantelverordnung – kein vollziehbares Regelwerk in Sicht
Abfallvermeidung und Siedlungsabfälle
Verbot der 60 Watt-Birne
Altpapier- und Kunststoffverwertung für Lebensmittelverpackungen
Export von Umwelttechnologie
Innovative Technologien brauchen innovative Entsorgungslösungen
Das Volk der Getrenntsammler und Recyclinganlagen

„Fortschritte in der Umweltpolitik, aber Schwächen bei der Umsetzung“ konstatiert die europäische Kommission. Das neue Ziel sei, Umweltschäden nicht mehr einfach zu beheben, sondern im Vorfeld zu verhindern. Aber was ist neu daran? Das Vorsorgeprinzip, das genau dieses Ziel beinhaltet, ist seit -zig Jahren eine Grundlage europäischer Umweltpolitik, so auch für die Abfallpolitik. Aber das Prinzip kommt bisher, so scheint es, nicht wirklich zum Tragen.

Novellierung KrW-/AbfG

Zur Novellierung des KrW-/AbfG gibt’s eigentlich nichts Neues zu berichten. Die Privatwirtschaft, vor allem die dualen Systembetreiber, pocht auf den freien Markt. Kommunalvertreter pochen auf die Pflicht zur Daseinsvorsorge. Gutachten kursieren, Expertenanhörungen finden statt. Die EU-Kommission kommt – wir hatten berichtet - zu dem Ergebnis, gewerbliche Sammlungen könnten zu starken Wettbewerbseinschränkungen unterliegen und das sei nicht europarechtskonform. Hiergegen pocht das BVerwG in seiner Entscheidung vom 4. Juli dieses Jahres darauf, das Altpapierurteil von Juni 2009 stünde im Einklang mit Europarecht. Und der VGH Mannheim konstatiert, dass – ganz entgegen der bisherigen Einschätzung auf Basis der GewerbeabfallV – wohl auch Abfälle aus Kasernen überlassungspflichtig seien.

Das Gesetz hat soeben den Deutschen Bundestag passiert und wird nun dem Bundesrat zugeleitet. Aber man geht davon aus, dass der Vermittlungsausschuß angerufen werden muss. Der soll möglichst noch in diesem Jahr eine Kompromißlösung für das künftige KrW-/AbfG finden, die dann von Bundesrat und Bundestag – und schließlich auch von der EU-Kommission – abgesegnet werden müsste. Jedenfalls drängt die Zeit. Die europäische Abfallrahmenrichtlinie hätte längst in nationales Recht umgesetzt werden müssen.

Mantelverordnung – kein vollziehbares Regelwerk in Sicht

Anders bei der Mantelverordnung. Hier sind keine konkreten europäischen Vorgaben umzusetzen. Dafür wurde aber im Laufe der nun etwa fünfjährigen Diskussion immer wieder betont, es solle ein bundesweit einheitliches und vollziehbares Regelwerk geschaffen werden. Da zuviele Punkte ungeklärt, vor allem die gravierenden Konsequenzen infolge der strikten Anforderungen an die Verfüllung nicht berücksichtigt seien, wurde kürzlich gutachterlich gefordert, die Mantelverordnung zu entkoppeln. Zunächst solle nur die ErsatzbaustoffV erlassen werden; die vorgesehenen Änderungen der Grundwasserverordnung und die geplanten Anforderungen an die Verfüllung von Gruben sollten nochmals eingehend überprüft und überarbeitet werden.

Hiergegen wenden sich aber nicht nur viele Verbände, sondern auch das BMU selbst. Es solle beim Gesamtkonzept bleiben. Das allerdings nach wie vor nicht in Sicht ist. Selbst das Bundesjustizministerium hat umfassenden Überarbeitungsbedarf angemeldet.

So wird zunehmend die Position vertreten, man sei eigentlich und über viele Jahre hinweg mit dem LAGA-Merkblatt 20 ganz gut gefahren. Darauf aufbauend konkretisieren, soweit noch nicht geschehen, mehr und mehr Länder Anforderungen an die Verwertung mineralischer Abfälle. Denn letztlich besteht auch hier ein europarechtlicher Aspekt, nämlich der der Verwertungsquoten.

Abfallvermeidung und Siedlungsabfälle

Das (neu) proklamierte Ziel, Umweltschäden im Vorfeld zu verhindern, würde für das Thema Siedlungsmüll bedeuten, dass dieser mittels Produktions- und Verpackungsverfahren weniger würde. Doch nach aktuellen Pressenotizen ist das durchschnittliche Aufkommen in den letzten 13 Jahren von 468 auf 524 kg/Einwohner hochgeklettert. Und es soll noch weiter ansteigen. Nicht zuletzt wegen der Verpackungen. Nicht zuletzt wegen nicht konsumierter Lebensmittel.

Jetzt handelt schon ein Kinofilm darüber: Geschätzte 50 % – und manche Schätzungen liegen sogar darüber – an Lebensmitteln werden schlicht und einfach als Abfall vernichtet. Wegen des Marketings von Supermärkten: Es soll nur angeboten werden, was das Konsumtenauge anlockt; der Rest wird weggeworfen. Wegen der Verkürzung von Haltbarkeitsdaten, wodurch die Lebensmittelindustrie ihre Umsatzzahlen steigern will. Der Verbraucher schmeißt weg, von dem er meint, es sei nicht mehr frisch. Und sowieso gelten Produkte, so auch Lebensmittel, die das Verfallsdatum überschritten haben, als Abfall.

Fragt sich nur: Haben wir ein Welternährungsproblem oder haben wir ein Verteilungsproblem?

Verbot der 60 Watt-Birne

Seit 1. September dürfen 60-Watt-Glühbirnen nicht mehr in den Großhandel gebracht werden. Energiesparlampen sollen die ersetzen. Neben dem, dass keine ausreichenden Sammelsysteme für ausgebrannte Lampen beklagt werden, enthalten diese – was viele Bürger bis heute nicht wissen – Quecksilber und sind daher, anders als die gute alte Glühbirne, Sondermüll. Hatte der Begriff Abfallvermeidung – im Sinne des Vorsorgeprinzips – nicht auch etwas mit „Minimierung des Schadstoffpotenzials in Abfällen“ zu tun?

Und sie enthalten seltene Erden, die sowieso schon in Massen für Mobiltelefone, Laptops etc. eingesetzt werden und die unter miserablen Bedingungen vor allem in Afrika und China gewonnen werden. Von den dortigen Arbeitsbedingungen einmal ganz abgesehen: Hatte der Begriff Vorsorge nicht auch etwas mit Verhinderung von Umweltschäden zu tun?

Altpapier- und Kunststoffverwertung für Lebensmittelverpackungen

Über den Erdölgehalt in Lebensmitteln, die in Kartonagen aus Altpapier verpackt sind, hatten wir schon berichtet. Nicht weniger lecker mutet uns die aktuelle Pressenotiz an, dass Lebensmittelverpackungen auch aus Kunststoffen hergestellt werden, die zuvor für den „non-food-Bereich“ wie etwa Shampoos und Putzmittel verwendet wurden. Hierfür will die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit nun einen Input-Grenzwert festschreiben. Das ist Fortschritt – ganz im Sinne der Vorsorge für die menschliche Gesundheit!

Export von Umwelttechnologie

Umwelttechnik ist der Markt der Zukunft, so das BMU. So wurde die Exportinitiative Recycling- und Effizienztechnik – kurz: RETech – gegründet. Wenn schon das Ziel der Abfallvermeidung nicht durchgesetzt wird, so soll die sich notwendigerweise ständig weiterentwickelnde Umwelttechnologie natürlich ein Exportschlager bleiben.

Innovative Technologien brauchen innovative Entsorgungslösungen

In Baumaterialien, Kosmetika, Reinigungsmitteln und selbst in Lebensmitteln sind sie heute enthalten: Nanopartikel. Nun liegt eine über 600 Seiten starke Studie des Sachverständigenrates für Umweltfragen vor. Danach können Nanopartikel eingeatmet werden, sind lungengängig, gelangen in den Organismus und lagern sich in Organen und sogar im Gehirn ab. Was diese Partikel im menschlichen Körper bewirken? Wer weiß, vielleicht haben Maurer und Verputzer künftig die Berufskrankheit „Zementkopf“. Die Auswirkungen auf Boden und Grundwasser sind gänzlich unbekannt. Und wie diese Stoffe entsorgt werden können? Keine Ahnung.

Der moderne Forschergeist ist gefragt. Damit auch weiterhin für moderne Produkte moderne Entsorgungskonzepte angeboten und exportiert werden können.

Das Volk der Getrenntsammler und Recyclinganlagen

Währenddessen tun sich Firmen, die im Inland recyclen wollen, zunehmend schwerer. Selbst Schulkinder wissen heute zwar genau, wie wichtig die Getrenntsammelei ist. Welch unbeschwerte Kindheit hatten wir – jedenfalls insoweit – noch in den 60er Jahren! Aber Recyclinganlagen in der Nähe des eigenen Wohnorts? Und viele Kommunalvertreter reagieren auf des Volkes Willen – man will ja wiedergewählt werden. In mehr und mehr Bauleitplänen werden Supermärkte, Baumärkte u.ä. sehr willkommen geheißen, nicht aber z.B. Entsorgungsanlagen, deren Ansiedlung von vornherein ausgeschlossen wird.

Aber warum sollte es da anders zugehen als z.B. im Steuerrecht. So hat das Finanzgericht Düsseldorf einem Recyclingbetrieb, der Regranulate für die Kunststoffindustrie erzeugt sowie Altholz für dieHolzwerkstoffindustrie aufarbeitet, den Status des „produzierenden Gewerbes“ aberkannt mit der Folge, dass Strom nicht zum ermäßigten Steuersatz bezogen werden kann.

 
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©  2003-2011  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2011-10-31
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