Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Das Altpapierurteil des VG Hamburg
So bestätigte das VG Hamburg die Untersagungsverfügung einer gewerblichen Altpapiersammlung. Dabei stützte das Gericht seine Entscheidung von August 2012 bereits auf die Vorschriften des neuen KrWG. Die Sammlung des Entsorgers gefährde die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, weil die Erfüllung der Entsorgungspflichten zu wirtschaftlich ausgewogenen Bedingungen verhindert werde.
Dass gegen höherrangiges Recht verstoßen wird, wollte das Gericht nicht erkennen. Es würde nicht in die Berufsfreiheit, sondern nur in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen. Diese Freiheit ist zwar ebenfalls verfassungsrechtlich geschützt, doch wurde dies nicht weiter als problematisch angesehen. Die Untersagung widerspreche zudem nicht dem EU-Recht; sie sei aus Gründen der „Daseinsvorsorge“ gerechtfertigt. Was aber in aller Welt hat Altpapiersammeln und -recyclen mit Daseinsvorsorge zu tun?
Auch habe keine Entscheidung durch eine Behörde stattgefunden, die nicht als neutral betrachtet werden könne. Merkwürdig. Denn an anderer Stelle in der Fachpresse lesen wir, dass gerade in Hamburg die Abfallpolitik von einem Management „aus vergangenen Zeiten“ gesteuert werde; die Stadtwerke seien ein „Staat im Staat“, über den es keine Kontrolle gebe. Wie dann eine neutrale Entscheidung gefällt werden kann, bleibt wohl das Geheimnis der hamburger Richter.
Gewerbliche Schrottsammler
In Fachkreisen wird zudem befürchtet, der Berufsstand der gewerblichen Schrottsammler könne ausradiert werden, um die Rentabilität der kommunalen Abfallwirtschaft zu erhöhen. Das ist tatsächlich zu befürchten, wenn der Forderung nach einer gemeinsamen Wertstofferfassung in kommunaler Hand nachgekommen wird. Unabhängig davon, dass das vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen aufgebaute System der Schrottsammlung und -verwertung hierdurch ausgehöhlt würde, wird zudem der Begriff der „Abfälle aus privaten Haushalten“ so, wie er von der Rechtsprechung entwickelt wurde, immer mehr aufgeweicht.
So sollen mittelgroße Kommunen nach einer aktuellen Studie die besten Ergebnisse beim Recycling aufweisen. Na klar, wenn den Firmen die gewerbliche Schrottsammlung untersagt wird, wird die kommunale Entsorgung lukrativer.
Aussortieren von Metallen aus Schlacke
Da trotz gemeinsamer Erfassung die MVAs ausgelastet sein müssen, kursieren geich neue Vorschläge. Die Metalle könnten aus der Schlacke zurückgewonnen werden. Prima. Die klein- und mittelständischen Unternehmen sollen ihren Hut nehmen. Dafür wird Metall mit anderen Wertstoffen gemeinsam erfasst, wandert mit in den Ofen, um dann aus der Schlacke wieder rückgewonnen zu werden. Ein echter Fortschritt der Kreislaufwirtschaft!
Und so gibt es weitere Verlautbarungen, wonach eine Müllverbrennungsanlage aufgrund der Schlackeaufbereitung letztlich auch eine Recyclinganlage sei. Es lebe die interessierte Interpretation!
Online-Dialog Wertstofftonne
Umso ergreifender sind die Ergebnisse des vom BMU initiierten „Online-Dialogs Wertstofftonne“, an dem sich im August über 1000 Bürger beteiligten. Wie bürgerfreundlich! Viele versprachen sich natürlich, die Wertstofftonne in öffentlicher Hand käme ihnen zugute. Die positiven Werte der Wertstoffe würden sich positiv auf die Gebühren auswirken. Im Gegensatz dazu wollten die Privatfirmen doch nur ihre Profite steigern.
Dass Privatfirmen z.B. Schrott in der Regel abkaufen, wird glimpflich übersehen. Und vielleicht sollte sich so mancher auch mal das aktuelle Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler studieren.
Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft
Im Resumée, so scheint es, wird Ungarn mehr und mehr als Vorbild genommen. Denn dort soll ab 2013 der Müll nur noch durch Unternehmen entsorgt werden, die mehrheitlich – also zu mindestens 51 % - in staatlicher Hand liegen. Dass die Europäische Kommission hiergegen schon ihre Bedenken erhoben hat, spielt da wohl eine nachrangige Rolle.
Anstatt also eine Zusammenarbeit zwischen Privatfirmen und Kommunen zu fördern, stachelt der Gesetzgeber – und mit ihm nun auch so manches Gericht – den Konkurrenzkampf erst richtig an.
Aus LAGA werde LAK …
Die „LAGA“ erwägte, sich in „LAK“ umzutaufen – Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Kreislaufwirtschaft. Ähnliche Überlegungen bestehen z.B. beim bayerischen Umweltministerium, wo in der zuständigen Abteilung das Wort „Abfall“ durch „Kreislaufwirtschaft“ ersetzt werden soll. Na klar, wir haben ja auch kein KrW-/AbfG mehr, sonder ein KrWG. Von Abfall spricht man nicht mehr.
… und aus Abfall werde Produkt?
Etwas verhaltener zeigt sich die LAGA allerdings bei der Frage der Anerkennung des Produktstatus von Recyclinggips. Wir hatten berichtet, dass die Gipsindustrie ein Recyclingkonzept erarbeitet hat. Danach werden die Kriterien des KrWG zum Abfallende von Recyclingrodukten umfassend eingehalten: Der Recyclinggips kann üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werden, es besteht ein Markt oder eine Nachfrage nach ihm, alle geltenden technischen Anforderungen sowie alle Rechtsvorschriften und anwendbaren Normen für Erzeugnisse werden erfüllt und die Verwendung führt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt.
Hiergegen argumentiert jedoch die LAGA. Es sei kein Markt und damit kein Ende der Abfalleigenschaft gegeben, solange Aufbereitungsverfahren und Verwertungswege nicht etabliert seien. Diese Voraussetzung steht zwar so gar nicht im Gesetz – danach reicht der Nachweis der Nachfrage aus. Aber – unabhängig von den schönen Kürzeln – will man vom Wort Abfall nicht so gerne lassen. Es lebe das Abfallregime und die unendliche abfallrechtliche Kontrolle.
Nun: Die AwSV
Bei der weiteren Bearbeitung der AwSV (früher: VAUwS) scheint offenbar Diskussionsbereitschaft zu bestehen. Zwar noch nicht hinsichtlich des großen Massenstroms der mineralischen Abfälle, die zum Zwecke der Herstellung von Recyclingbaustoff aufbereitet werden. Je nach Größe der Aufbereitungsanlage werden die zusätzlich erforderlichen Kosten auf 2 bis zu fast 14 Mio € pro Betrieb geschätzt.
Altholz der Kategorie I bis III, Metall, Glas, Kunststoffe sowie weitere Stoffe sollen hingegen nicht als wassergefährdend eingestuft werden. Trotzdem staunen wir wieder einmal und nicht schlecht: In der Abfallbranche ist man gezwungen, zu argumentieren, bis die Ungefährlichkeit einmal anerkannt wird. Dagegen wurde z.B. das Verpressen großer Mengen von Salzlauge in unterirdische Hohlräume vom Verwaltungsgericht Kassel als zulässig anerkannt. Obwohl die zuständigen Landesämter für Umwelt und Geologie hierin durchaus eine Gefährdung für das Trinkwasser erkannt hatten. Doch diese Einschätzung sei ignoriert worden. Von der Grube Asse ganz zu schweigen.
Alt-Mobiltelefone
Zu guter Letzt sei ein Zitat aufgegriffen, wonach ein Umweltinstitut errechnet hat, dass nur 5 % der in Deutschland anfallenden Alt-Mobiltelefone einer sachgerechten Entsorgung zugeführt werden. Ein erheblicher Teil der Altgeräte werde in Entwicklungs- und Schwellenländer exportiert. Sei es, die Altgeräte werden dort noch eine Weile genutzt, sei es, sie werden sofort - wie anderer Elektroschrott auch - einfach und unter katastrophalen Zuständen entsorgt: Dies sei eine Maßnahme zur Reduzierung der Gesamtumweltauswirkungen. Hoffen wir nur, dass das betreffende Umweltinstitut das so tatsächlich nicht gemeint hat.
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