Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
KAS-Leitfaden 25
Bereits im Oktober 2012 hatte die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) einen Leitfaden von immerhin 217 Seiten erarbeitet. Den KAS-Leitfaden 25, in dem Abfälle aufgrund ihrer Inhaltsstoffe der Störfallverordnung zugeordnet werden. Erarbeitet wurde dieser Leitfaden allerdings ohne Beteiligung der einschlägigen Vertreter der Entsorgungsbranche, die ihre konkreten Erfahrungen und ihren Sachverstand aus der Entsorgungspraxis hätten einbringen können. Und so ist dieser Leitfaden erst in den letzten Monaten in der Branche, die von diesem tatsächlich betroffen sein soll, bekannt geworden.
Und seitdem läuten die Alarmglocken. Zu Recht.
Die Seveso-Richtlinien
Die europäischen Störfall-Richtlinien, die sogenannten Seveso-Richtlinien. regeln die Anforderungen beim Umgang mit giftigen, explosionsgefährlichen, brandgefährlichen und ähnlichen Stoffen. Hiervon sind Abfälle eigentlich explizit ausgenommen. Aber Deutschland hat wieder einmal eins daraufgesetzt: Aufgrund der Richtlinien, die die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen europaweit regeln, ergebe sich, dass Abfälle trotzdem nach der Störfallverordnung zu bewerten seien.
Damit seien Abfälle auch den Kategorien der gefährlichen Stoffe der StörfallV zuzuordnen. Und, so die Logik, müssten die Gefahrenkriterien, die für Abfälle gelten, mit den Gefahrenkriterien, die für störfallrelevante Stoffe gelten, abgeglichen werden. Und jedenfalls für bestimmte Abfälle müssten somit die Prüfungskriterien der StörfallV zugrunde gelegt werden.
Das Abfallrecht legt jedoch nach der europäischen Abfallrahmenrichtlinie die gefahrenrelevanten Eigenschaften der Abfälle nach H-Kriterien fest, die nicht exakt den Gefahrenmerkmalen des Stoffrechts, das der StörfallV zugrunde liegt, entsprechen. Also muss das angepasst werden!
Zuordnung von Abfällen im Sinne der AVV
Die Zuordnung von Abfällen im Sinne der AVV zu den Stoffkategorien der StörfallV einschließlich der Bestimmung der für diese Abfälle relevanten Mengenschwellen hat allerdings in der Praxis erhebliche Probleme bereitet. Deshalb wird jeder relevante Abfallschlüssel einzeln betrachtet.
Und so wurde von der Kommission für Anlagensicherheit eben mal die Erstellung dieses Leitfadens „Einstufung von Abfällen gemäß Anhang I der StörfallV“ beschlossen.
Mengenberechnung der gefährlichen Abfälle
Doch damit nicht genug: Ob ein Betriebsbereich der StörfallV unterliegt, hängt von den Mengenberechnungen ab. Anhand dieser Mengenberechnungen wird ermittelt, ob ein Betriebsbereich im Sinne der StörfallV vorliegt oder nicht. Dabei gibt es wiederum 2 Staffeln: In Abhängigkeit von den jeweiligen Stoffen gibt es die „kleineren“ störfallrelevanten Betriebsbereiche, für die ein Störfallkonzept zu erstellen ist. Und – wiederum in Abhängigkeit von den Mengen der in einem Betriebsbereich befindlichen Stoffe – gibt es die „größeren“ störfallrelevanten Betriebsbereiche, für die umfangreiche weitere Anforderungen gelten, wie etwa die Erstellung eines Sicherheitsberichts und eines Alarm- und Gefahrenabwehrplans.
Wenn aber ein Abfall entsprechend der Stoffliste der StörfallV eingestuft ist, ist nach diesem Leitfaden die jeweilige Abfallmenge zur Berechnung der Mengenschwelle heranzuziehen – und nicht die Menge des gefahrenrelevanten Stoffs, der in dem jeweiligen Abfall enthalten ist. Mit anderen Worten: Die Mengenschwelle bezieht sich nach diesem Leitfaden auf die Menge des Abfalls, nicht auf die Menge der gefährlichen Inhaltsstoffe, die im Abfall enthalten sind.
KAS-Leitfaden 25 und Abfallentsorgungsanlagen
Im Ergebnis würden somit Anlagen, in denen z.B. 5 bzw. 50 t an Katalysatoren lagern, bereits unter die StörfallV fallen. Oder z.B. Läger mit 50 bzw. 200 t von Altholz der Kategorie IV.
Wie wäre es, wenn man sämtliche größeren Bekleidungskaufhäuser der StörfallV unterwerfen würde. Denn in den Textilien sind regelmäßig giftige bis sehr giftige Substanzen enthalten.
Jedenfalls aber ist der KAS-Leitfaden kein verbindliches Regelwerk. Und sollte dieser Leitfaden gegen einen Anlagenbetreiber verwendet werden, so sollte man sich unbedingt hiergegen verwahren!
Umsetzung der 5-stelligen Abfallhierarchie
Die EU-Kommission hat die mangelhafte Umsetzung der 5-stelligen Abfallhierarchie in Deutschland gerügt. Durch die Gleichstellung der thermischen Verwertung mit dem Recycling, wenn die Abfälle einen Heizwert von ≥ 11.000 Kj/Kg aufweisen, werde ein Kernstück der europäischen Abfallrahmenrichtlinie nicht umgesetzt.
Dies entspricht der Kritik der Recyclingverbände: Die Müllverbrennung zu Dumpingpreisen bremse das Recycling aus. Das Preisniveau sei viel zu niedrig, als dass eine Sortierung zur stofflichen Verwertung oder die qualifizierte Aufbereitung zu hochwertigen Sekundärbrennstoffen wirtschaftlich darstellbar wäre.
Verbrennungslinien, bei denen sowieso eine millionenschwere Anlagenüberholung ansteht oder die technisch überholt sind, sollten stillgelegt, die Schaffung zusätzlicher MVA-Kapazitäten sollte nicht mehr genehmigt und gefördert werden, so mancher Verbandsvertreter.
Aber da steht die Verbrennungslobby – die sich neuerdings sogar gerne als Recyclinglobby präsentiert – dagegen. Denn der Markt für diese teuren Anlagen soll erhalten bleiben. Nicht zuletzt auch für den Export.
Deponiesteuer
Genauso gibt es schon in anderen Ländern eine Deponierungssteuer, um dem Gebot der Abfallverwertung Nachdruck zu verleihen. Doch auch davon will man in Deutschland bislang nichts wissen. Deponien werden in der Regel von den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern betrieben.
Novellen der Verpackungsverordnung
Die Bundesregierung will wieder einmal die VerpackungsV ändern. Die 6. Novelle ist zwar noch gar nicht durch, doch man plant schon die 7. Ziel dieser 7. Novelle ist es, die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen den „dualen Systemen“ zu verbessern, so das Bundesumweltministerium. Und weiter: Der faire Wettbewerb zwischen jenen Unternehmen, die auf dem Markt der haushaltsnahen Verpackungsentsorgung tätig sind, soll gestärkt werden.
Sprechen wir hier von den „tätigen“ Unternehmen oder denen, die sich die Dualen Systeme wie auch immer aufteilen. Denn über die tatsächlich „tätigen“ Unternehmen halten sich die Dualen Systeme vertraglich im Zweifel schadlos.
Und im Übrigen mehren sich – gerade von kommunaler Seite – die Stimmen, die VerpackungsV gehöre sowieso abgeschafft. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
Hühnchenreste sind kein Abfall!
Kommen wir zurück zu den Abfalltransporten. Manche Transporte, die eigentlich mit einem ‚A‘-Schild gekennzeichnet sein sollten, werden es auch künftig nicht führen müssen. Denn die transportieren Ware. Offiziell anerkannte Ware. So werden z.B. Hühnerreste, die aufgrund der großindustriellen, für die Tiere regelmäßig unerträglichen Aufzucht anfallen, mal eben nach Afrika exportiert. Denn hierzulande werden hauptsächlich Hühner- und Putenbrüste vermarktet und verzehrt. Der Rest ist eigentlich Abfall. Aber der lässt sich noch vermarkten. Zum Beispiel in Afrika. Dass das Fleisch dann ziemlich vergammelt beim Verbraucher ankommt – nach aktuellen Untersuchungen wesentlich belasteter als das sogenannte Gammelfleisch – interessiert wenig. Dort, in Afrika, greift auch keine „Hühner-Salmonellen-Verordnung“. Die betrifft nicht die Hühnerteile, mit denen der afrikanische Markt überschwemmt und der dortige einheimische Markt zerstört werden.
Aber wehe dem, der einen nicht ordnungsgemäß gekennzeichneten Transport von unbelastetem Bodenaushub oder Ähnlichem durchführt!!
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