Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Aus Jamaika wurde nichts. Nun kommt die GroKo. Und es gibt einen Koalitionsvertrag. Und der bietet für den Bereich Abfall- und Umweltrecht einige recht allgemein gehaltene Statements. So stehen die Koalitionäre für eine Weiterentwicklung des erfolgreichen deutschen Modells der Kreislaufwirtschaft. Na klar! Doch es gibt tatsächlich auch konkrete Aussagen, die einer positiven Entwicklung förderlich sein können.
Künftige deutsche Abfallpolitik
So sollen anspruchsvolle Recyclingquoten, Wettbewerb und Produktverantwortung auch künftig die Leitplanken sein. Abfallvermeidung und Recycling sollen - auch im Rahmen des europäischen Kreislaufwirtschaftspakets – gestärkt, die Einsatzmöglichkeiten für recycelte Materialien verbessert, entsprechende Anreize sowie mögliche gesetzliche Pflichten geprüft werden. Daneben soll die Produktverantwortung weiterentwickelt werden. Hersteller sollen Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit stärker berücksichtigen.
Das klingt neu und innovativ. Nur, dass diese allgemeinen Ziele – angefangen vom Öko-Desing der Produkte und Verpackungen bis hin zur Akzeptanzsteigerung für den Einsatz von recyceltem Material – nicht wirklich neu sind.
Europäische Kunststoffstrategie…
Selbstverständlich sollen auch die weiteren Arbeiten an der europäischen Plastikstrategie unterstützt werden. Diese Kunststoffstrategie wurde auch dringend erforderlich, nachdem China den Markt für diese Abfälle weitgehend verschlossen hat. Und plötzlich stößt man darauf, dass die Recyclingfähigkeit der Kunststoffe doch bereits bei der Produktion berücksichtigt werden müsse. Denn allein die Vielzahl der in den Kunststoffverpackungen verwendeten Pigmente und Additive erschwere das Recycling. Hier sollen die grundlegenden Anforderungen der europäischen Verpackungsrichtlinie überarbeitet werden. Ähnliches ist vorgesehen für Mikrokunststoffe: Deren Einsatz soll durch das europäische Chemikalienrecht eingeschränkt werden.
Doch warum hatte man all diese Additive und Pigmente überhaupt zugelassen? Was haben Mikrokunststoffe in Kosmetika und Kleidung zu suchen?
… und Kritikpunkte
In Fachkreisen wird die Strategie teilweise begrüßt, teilweise stößt sie auf Kritik. Die Strategie sei zahnlos, wird zum Teil betont. Zwar würden alle Akteure angesprochen, die mit Kunststoffen im Zusammenhang stehen. Die EU-Kommission setze aber zu sehr auf freiwillige Initiativen, die Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Auch beinhalte die Strategie eine Reihe von Prüfaufträgen, ohne dass ambitionierte, europaweit realisierbare Ziele vorgegeben würden.
Herstellerverantwortung und Akzeptanz von Recyclingprodukten
Die Recycler begrüßen grundsätzlich diese Strategie, sehen aber ebenfalls das Problem der Recyclingfähigkeit der Kunststofffraktionen aufgrund der unterschiedlichen Inhaltsstoffe. Und – wie in anderen Segmenten der Entsorgungswirtschaft auch – wird dringend die Förderung der Akzeptanz von recycelten Materialien gefordert.
Akzeptanz von aufbereitetem Bauschutt
Vor ähnlichen Problem stehen z.B. die Betreiber von Bauschuttaufbereitungsanlagen. Klar, wenn die Abnahme des Recyclingprodukts auf Akzeptanzprobleme stößt, läuft das Recycling ins Leere. So wird in der GewAbfV zwar gefordert, dass gemischte Bauabfälle, die überwiegend Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik enthalten, einer Aufbereitungsanlage zuzuführen sind. Der Betreiber soll bestätigen, definierte Körnungen herzustellen. Unabhängig von der Beschaffenheit des Gemischs oder des Schadstoffgehalts? Unabhängig von den bestehenden Akzeptanzproblemen für RC-Baustoff? Die Betreiber stationärer Anlagen sollen also bestätigen, dass sie - entgegen ihrer immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten - Energie nicht effizient und sparsam verwenden, indem sie nicht vermarktungsfähige Produkte erzeugen.
Titandioxid
Während Additive, Mikrokunststoffe etc. trotz der bekannten Umweltrelevanz z.B. für die Gewässer noch zugelassen sind, soll Titandioxid zurzeit neu bewertet und ggf. als gefährlich, als ‚wahrscheinlich krebserregend‘ eingestuft werden. Denn bei einem Tierversuch in Frankreich zeigte sich, dass Ratten, die einer hochdosierten Staubbelastung mit Titandioxid ausgesetzt waren, ein erhöhtes Krebsrisiko aufwiesen.
Werden die armen Ratten mit Metallkügelchen beworfen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie verletzt oder sogar getötet werden. Deshalb sind die Kügelchen per se noch lange nicht gefährlich. Und wer sich kontinuierlich hohen Dosen von Holzstaub aussetzt, dessen Lungen werden auch nicht gerade begeistert sein. Deshalb ist jedenfalls naturbelassenes Holz alles andere als krebserregend. Anders nun die Diskussion um Titandioxid. Dass aber durch die Nutzung von Zahnpasta oder, wer’s denn mag, von Kaugummis schon irgendjemand an Mund-, Rachen- oder sonstigem Krebs erkrankt sei, ist uns nicht bekannt. Oder haben wir da was verpasst?
Mantelverordnung…
Zurück zum Koalitionsvertrag: Die neue Bundesregierung will den Bodenschutz in der Praxis voranbringen. Mit dem bundeseinheitlich rechtsverbindlichen Rahmen für die Verwertung mineralischer Abfälle, also der Mantelverordnung, soll ein hohes Schutzniveau für Mensch, Boden und Grundwasser gewährleistet werden.
Bleibt die Hoffnung, dass die MantelV vielleicht doch noch kommt, was vor allem diejenigen freuen würde, die seit langem einheitliche und verbindliche Vorgaben fordern.
… und Bodenschutz
Gleichzeitig sollen Entsorgungsengpässe vermieden werden. So wollen die Koalitionäre bei entsprechenden Änderungsanträgen der Länder eine Öffnungsklausel im Bodenschutzrecht aufnehmen, wonach die Möglichkeit eingeräumt werden soll, bereits bestehende und bewährte länderspezifische Regelungen bei der Verfüllung von Gruben, Brüchen und Tagebauen beizubehalten. Hierunter würde z.B. der bayerische Verfüll-Leitfaden fallen. Dies ist tatsächlich ein Fortschritt nach all den langjährigen Diskussionen um die MantelV!
Wie es nun weitergeht? Nun, wir haben berichtet. Die Länder sind teilweise uneins, was die MantelV angeht; manche fordern gar eine völlige Neuauflage des Verordnungsentwurfs. Bleibt nur zu hoffen, dass nun tatsächlich praxisgerechte Vorgaben erlassen werden.
Sperrmüll ≠ Restmüll
Aktuell hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Sperrmüll grundsätzlich gewerblich gesammelt werden darf. Die Vorinstanz, das Oberverwaltungsgericht NRW, hatte solche Sammlungen noch für unzulässig erklärt; diese Abfallart müsse dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen werden, da es sich bei Sperrmüll um ‚großteiligen Restmüll‘ handele. Hierzu hatten wir schon einmal die Vermutung geäußert, dass die Richterschaft wohl nie zu dem wirtschaftlich minderbemittelten Personenkreis zählte, der – als dies noch möglich war – seinen Hausstand an Sperrmülltagen zusammengetragen hat. Außerdem schien die Richterschaft übersehen zu haben oder übersehen zu wollen, dass Siedlungsabfälle und Sperrmüll ohnehin unterschiedlichen Abfallschlüsseln zugeordnet sind.
Das BVerwG hat die Urteile der Vorinstanz nun aufgehoben, in denen die Untersagung der Sperrmüllsammlung zunächst bestätigt worden war. Die Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bestehe nur für gemischte Abfälle aus privaten Haushaltungen, also dem Inhalt der schwarzen bzw. grauen Tonne. Dazu gehöre Sperrmüll nun einmal nicht. Somit kann Sperrmüll grundsätzlich auch im Rahmen von gewerblichen Sammlungen gesammelt werden. Ob eine angezeigte Sammlung im konkreten Fall die Funktionsfähigkeit der Abfallentsorgung des öffentlichen Entsorgungsträgers gefährde, sei gesondert zu prüfen.
Es gibt also doch Richter, die eine Ahnung davon haben, was (Sperr-)Müll ist!?
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