Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Wir schreiben den 11. Dezember 2018. Und wie jedes Jahr zu dieser Zeit herrscht Hektik. Alles soll noch vom Tisch, alles soll erledigt werden. Als würde es kein neues Jahr geben. Als ob die Apokalypse droht. Aber die Feiertage und die Tage zwischen den Jahren werden kommen. Und mit ihnen die Tage der Ruhe. Eine Ruhepause, die man auch wirklich benötigt. Hübsch bildhaft nennt man diese Tage in Frankreich ‚die Gefechtspause der Zuckerbäcker‘. Auf Französisch natürlich!
5-Punkte-Plan
Kürzlich hat das Bundesumweltministerium seinen 5-Punkte-Plan für weniger Plastik und mehr Recycling vorgestellt. Danach sollen z.B. überflüssige Produkte und Verpackungen vermieden und notfalls verboten werden. Das gelte z.B. für Einweggeschirr und für bewusst eingesetztes Mikroplastik in Kosmetika. Verpackungen sollen umweltgerechter gestaltet, Mehrweg gestärkt werden. Auch solle das umweltfreundliche Produktdesign gefördert werden. Und die Stoffkreisläufe sollten durch kluges und hochwertiges Recycling geschlossen werden. So weit so gut.
Produkte und Verpackungen
So sollen z.B. bestimmte Plastikprodukte verboten werden. Das ist nicht wirklich neu, wir hatten berichtet. Die EU hat bereits entsprechende Verbote von Wattestäbchen aus Plastik, der berühmten Strohhalme, die nicht aus Stroh sind, etc. verabschiedet. Aber Deutschland will das umsetzen. Immerhin! Nichts zu hören ist jedoch z.B. von den Unmengen an Kleidung, die als Fast-Fashion bekannt und oftmals aus Plastik ist. Das Geschäft mit der schnelllebigen Mode läuft einfach zu gut.
Dafür soll mehr Leitungswasser getrunken werden, um die Flut an Plastikflaschen einzudämmen. Aber was ist, wenn man in einer Gegend mit nitratbelastetem Grundwasser lebt?
Produktdesign
Ist auch schön und gut. Doch beklagen die Umweltverbände, dass gerade Deutschland die Einführung von Reparaturstandards in der Öko-Design-Richtlinie blockiere. Und tatsächlich hat der deutsche Bundestag aktuell die Einführung eines „Rechts auf Reparatur“ für elektronische Klein- und Großgeräte abgelehnt. Es lebe die Abfallvermeidung.
Herstellerverantwortung
Das Ansinnen, auf Freiwilligkeit und Herstellerverantwortung zu setzen, erscheint recht hoffnungsvoll. Immerhin – und da kann man den Umweltverbänden durchaus glauben – sind die großen Lebensmittelkonzerne global für die Plastikmüllflut in Flüssen, Meeren, Wäldern und Städten verantwortlich. Und das weltweite Müllaufkommen soll nach einschlägigen Schätzungen bis 2050 um weitere 70%, der Plastikmüll um weitere 40% ansteigen.
Apropos: 50 Mio. Euro sollen über zehn Jahre verteilt für den Export von Technologien zur Bekämpfung der Vermüllung der Meere zur Verfügung gestellt werden. Angesichts der mittlerweile hochgerechnet ca. 150 bis 200 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen…
Aber immerhin hat man bei freiwilligen Vereinbarungen, im Zweifel auch bei Verpflichtungen, sein Scherflein dazu beigetragen, dass sich die Massen an Müll in Deutschland evtl. verringern, jedenfalls weniger stark anwachsen.
Förderung von Recyclaten
Das wäre mal was. Denn angesichts der bisherigen Regelung, die Recyclingquote am Input einer Anlage zu berechnen und nicht am Output, ist Deutschland tatsächlich alles andere als der Recyclingweltmeister, als den man sich so gerne so lange gebrüstet hat.
Um das Recycling tatsächlich wirtschaftlich sinnvoll werden zu lassen, wird durchaus kontrovers diskutiert, ob der Einsatz bestimmter Recyclingquoten verbindlich vorgegeben werden soll oder aber auf die Freiwilligkeit der Produzenten gesetzt werden kann. Forderungen werden laut, Mindestrecyclatanteile bei Kunststoffen vorzugeben. Manch ein renommierter Konsumgüterproduzent und auch Handelsketten setzen sich durchaus die Ziele, ab einem Zeitpunkt X sonundsoviel % an Recyclingprodukten einzusetzen. Das macht sich auf dem deutschen Markt gut.
Verpflichtung zur Nutzung von Recyclingprodukten
Ob der Einsatz von Recyclingprodukten verbindlich vorgegeben wird, bleibt also fraglich. Dagegen wäre dies z.B. bei den Materialien, bei denen die öffentliche Hand in großem Umfang selbst Verwender ist, durchaus möglich.
Verbindliche Nutzung von Ersatzbaustoffen
So ist die öffentliche Hand aufgrund der Vielzahl der von ihr initiierten Baustellen in großem Umfang Verwender von Baustoffen. Hier bestünden durchaus rechtliche Möglichkeiten, die Nutzung von geeigneten und umweltverträglichen Ersatzbaustoffen durch die öffentliche Hand verbindlich vorzugeben. Angefangen von einer verbindlichen Festlegung in § 45 KrWG, vorrangig den Einsatz solcher Ersatzbaustoffe zu fordern. Zurzeit besteht hier lediglich eine Prüfpflicht. Auch könnte vorgegeben werden, dass die öffentliche Hand – bei Baumaßnahmen also in der Regel die ausschreibende Stelle – nachweisen muss, weshalb bestimmte Ersatzbaustoffe nicht verwendet werden sollen. Damit wäre eine Beweislastumkehr gegeben, sodass alle Anbieter von Ersatzbaustoffen die Ausschreibung im Zweifel auch anfechten könnten. Bis hin z.B. zur Umsatzsteuersenkung für Ersatzbaustoffe. Hierüber könnte die ökologisch sinnvolle Verwendung solcher Baustoffe zur Schonung der natürlichen Ressourcen sinnvoll gefördert werden. Ähnlich wie bei Brennholz, das als ökologisch gewünschter nachwachsender Rohstoff eine entsprechende Umsatzsteuerreduzierung genießt.
Vorbildfunktion
Solche verbindliche Vorgaben hätten zudem einen weiteren Nutzen: Die öffentliche Hand hat Vorbildfunktion. Denn wenn die öffentliche Hand vermehrt Ersatz- / Sekundärbaustoffe verwendet, könnte der Boulevardpresse, die zurzeit oftmals noch ohne vertiefte Recherche deren Einsatz verpönt, der Wind aus den Segeln genommen werden. Und private Bauherren wären weniger verunsichert, ob die Materialien tatsächlich geeignet und umweltverträglich sind.
Kein Klagerecht des örE
Bereits im September 2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger kein eigenes Klagerecht gegen eine gewerbliche Sammlung zusteht. So habe nach § 17 Abs. 3 KrWG die zuständige Behörde zwar auch den Schutz der Funktionsfähigkeit des örE im Blick bei der Frage, ob eine gewerbliche Sammlung zulässig oder zu untersagen ist. Eine eigenständige Rechtsposition sei dem örE hierüber aber nicht eingeräumt.
Fast selbstverständlich fordern nun die anwaltlichen Vertreter, die in solchen Fällen üblicherweise die örE vertreten, dass ein solches Recht gesetzlich verankert werden solle. Doch sollte dies geschehen, so dürfte sich die Anzahl der ohnehin bereits geführten Rechtsstreitigkeiten rund um § 17 KrWG noch wesentlich erhöhen. Mittlerweile liegen zu dieser Thematik immerhin ca. 480 Entscheidungen vor. Und wie hieß es noch in den Monitoringberichten der Bundesregierung aus den Jahren 2014 und 2016 so schön, dass Wettbewerb und Warenverkehrsfreiheit auch für die Sammlung von Abfällen aus privaten Haushaltungen, die der Verwertung zugeführt werden, Geltung beanspruchen und über diese Vorgaben des KrWG gestärkt werden sollen.
Gute Aussichten?
Ob sich also in diesem noch relativ frisch angefangenen Jahr 2019 und der Folgezeit tatsächlich Grundlegendes ändert? Nun, bei allem Zweckoptimismus, wir wagen kaum, es zu glauben. Da erinnern wir uns eher an das Zitat des ehemaligen französischen Umweltministers Hulot. Der erklärte seinen Rücktritt Ende August 2018 u.a. mit den Worten „Man sagt mir, lass dir Zeit, hab Geduld, aber wir haben seit 30 Jahren Geduld! Seit 30 Jahren lassen wir die Phänomene laufen, aber sie sind dabei, uns zu entgleiten.“ Doch so manch einer scheint zu glauben, man habe noch unendlich viel Zeit.
So wünsche ich Ihnen, dass Sie dann, wenn Sie dies lesen, eine wirklich erholsame Pause hinter sich haben, um wieder gestärkt ins Gefecht ziehen zu können.
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