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Rechtsanwältin   Dr. Birgit Stede


Newsletter Mai 2019

Gerichtliche Überprüfung der Höhe einer Sicherheitsleistung
Pauschaler Generalverdacht
Entscheidungen zulasten der (Überwachungs-)Behörden
Dringlichkeit von Beseitigungsmaßnahmen
Egal, wie sie sich entscheiden
Einschlüsselung von Störstoffen
Schmuddelkind bleibt Schmuddelkind?

Vor Gericht und auf hoher See… Wer kennt den Spruch nicht, wenn es um den Gang zum Gericht geht. Weil man mit behördlichen Forderungen oder mit Auflagen in einer Genehmigung konfrontiert wird, die man für nicht akzeptabel hält, oder weil eine Strafanzeige erstattet wurde, die man alles andere als für gerechtfertigt hält, oder oder... Aber halt: Eine pauschale Gerichtsschelte ist völlig unangebracht. Es gibt Richter, die sich intensiv in einen Fall einarbeiten und sachgerechte Entscheidungen treffen oder für alle Seiten akzeptable Kompromisse suchen.

Gerichtliche Überprüfung der Höhe einer Sicherheitsleistung

Aber es gibt aber auch andere. So gibt es Fälle, bei denen man sich wirklich nur am Kopf kratzen und verwundert staunend die Entscheidungsgründe zur Kenntnis nehmen kann. Das - bei Weitem und zum Glück - nicht immer, aber leider immer wieder.

So mussten wir kürzlich in der Begründung eines Beschlusses eines oberen Verwaltungsgerichts Folgendes lesen: ‚Gerade dann, wenn ein Unternehmen – meist nach einer längeren wirtschaftlich und finanziell verlaufenden Entwicklung – insolvent ist, ist kein Verlass darauf, dass der Geschäftsbetrieb genauso abgelaufen ist, wie er „in der Regel“ verlaufen ist.’

Konkret ging es um die Frage der Höhe der Sicherheitsleistung, die jedenfalls grundsätzlich von allen Entsorgungsunternehmen gefordert werden soll. Nur, dass im vorliegenden Fall ein Betrag verlangt wurde, der fünffach höher lag als in einem Vergleichsfall – für absolut die gleichen Abfälle und sogar die gleiche Menge. In dem Vergleichsfall wurde auf Basis eines gerichtlichen Vorschlags ein Kompromiss gefunden. Übrigens handelt es sich um dasselbe (erstinstanzliche) Gericht, das nun die fünffache Höhe der Sicherheitsleistung bestätigt hat, was im Beschwerdeverfahren zu dieser Aussage geführt hat.

Pauschaler Generalverdacht

Mit anderen Worten: Das Beschwerdegericht geht offenbar davon aus, dass dann, wenn eine Entsorgungsfirma droht, insolvent zu werden, diese Firma im Zweifel vorher sowieso Abfälle angenommen hat, ohne dass die für diese Abfälle erforderliche Genehmigung vorliegt. Damit unterstellt das Gericht, dass Entsorgungsfirmen, die Gefahr laufen, insolvent zu werden, im Zweifel ohnehin illegal handeln. Ein solcher pauschaler Generalverdacht als Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung! Das ist doch mal was!

Diesen pauschalen Generalverdacht kann man bei Bedarf selbstverständlich auch umdrehen. Einer Entsorgungsfirma, die wirtschaftlich bestens dasteht, kann man natürlich auch leicht unterstellen, sie handele im Zweifel illegal. Woher soll denn sonst die Kohle kommen…?

Entscheidungen zulasten der (Überwachungs-)Behörden

Aber halt. Auch wenn, gelinde ausgedrückt, verblüffende Entscheidungen oftmals zulasten von Abfallerzeugern und -besitzern sowie von Betreibern von Entsorgungsanlagen getroffen werden: Es gibt auch Entscheidungen zulasten der (Überwachungs-)Behörden, die in keiner Weise nachvollziehbar sind.

Dringlichkeit von Beseitigungsmaßnahmen

So wurden im April 2018 in einem kleinen Dorf etwa 2.000 verendete Schweine in einem Schweinestall entdeckt. Nachdem das zuständige Landratsamt eine Frist zur Räumung gesetzt hatte, die unbeachtet geblieben ist, hat es die Räumung der Kadaver selbst veranlasst. Als so genannte Ersatzmaßnahme. Und hat diese selbstredend dem Landwirt in Rechnung gestellt.

Gegen die Geltendmachung der Kosten hat der Landwirt vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Mit Erfolg. Demnach hätte das Landratsamt die Räumung und Entsorgung der Tierkadaver nicht wegen „besonderer Dringlichkeit“ regulär ausgeschrieben. Da die Schweine jedoch bereits mehrere Monate verendet im Stall lagen, ohne dass dies jemandem aufgefallen sei, sah das Gericht diese Dringlichkeit nicht gegeben. Ein zweiter Anbieter hätte die Räumung wesentlich kostengünstiger veranlasst.

Warum es niemandem aufgefallen ist, dass in dem Stall monatelang die toten Tiere lagen, bleibt die eine Frage. Vielleicht hat sich die Menschheit schon zu sehr an die industrialisierte Massentierhaltung mit letztlich Millionen von geknechteten Tieren gewöhnt, sodass der Geruch und die Veränderungen im Stall nicht mehr als „besonders“ wahrgenommen wurden.

Warum aber das zuständige Landratsamt aufgrund der bereits verstrichenen Zeit nicht von einer umso dringlicheren, geradezu dringlichsten Dringlichkeit ausgehen konnte, bleibt schleierhaft.

Egal, wie sie sich entscheiden

Das betroffene Land bleibt also auf seinen Räumungs- und Entsorgungskosten sitzen. Doch was wäre passiert, wenn das Landratsamt erst einmal ein zeitaufwändiges Ausschreibungsverfahren eben für die Räumung des Stalles und die Entsorgung der Tierkadaver veranlasst hätte, und in der Zwischenzeit wären Krankheiten, zusätzlicher Rattenbefall oder Seuchen ausgebrochen?

Der Fall erinnert an den Fall des Flüssigeiskandals vor mittlerweile ca. dreieinhalb Jahrzehnten. Ein Regierungspräsidium hatte die Warnung ausgesprochen, eine bestimmte Nudelmarke nicht zu verzehren, da der Verdacht bestand, dass diese mit verunreinigtem Flüssigei hergestellt worden seien. Der Hersteller machte Schadensersatz geltend, und das betroffene Land durfte damals fast 13 Millionen DM zahlen.

Und was wäre gewesen, wenn die Nudeln wegen verdorbener Eimasse tatsächlich verdorben gewesen wären und diejenigen, die diese Nudeln verzehrten, reihum schwer krank geworden wären? Dann hätte es die zuständige Behörde versäumt, rechtzeitig und klar die Bevölkerung zu warnen.

Egal wie sich in solchen Fällen die Behörde entscheidet: Sie kann sich nur falsch entscheiden!

Einschlüsselung von Störstoffen

Kommen wir zurück auf das Problem der richtigen Abfallschlüssel, wir hatten ja schon berichtet. Eine immer wieder aufkeimende Frage ist die richtige Einschlüsselung von aussortierten Störstoffen. Sind diese einem 19er Schlüssel zuzuordnen, oder kann der ursprüngliche Abfallschlüssel gewählt werden?

Das Problem ist nur: Aussortierte Störstoffe werden oftmals zu Zwischenlägern zum Zwecke der weiteren Entsorgung geliefert. Und die haben in der Regel keine 19er Schlüssel in ihrem Input-Katalog. Und viele wollen die auch gar nicht. Denn dann müssten sie für die gleiche Abfallart – so z.B. Holz aus Baumaßnahmen und Holz als aussortierter Störstoff – getrennte Input- und Outputregister führen.

Aber wie kommt es überhaupt, aussortierte Störstoffe einem 19er Schlüssel zuordnen zu wollen. Dann müsste allein schon das Aussortieren eine Art Abfallbehandlung sein. Nur, dass sich durch das Entfernen störender Bestandteile aus einer Abfallfraktion die Beschaffenheit oder die Zusammensetzung weder der eigentlichen störstoffbefreiten Fraktion noch der aussortierten Störstoffe ändert. Und man fragt sich: Welchen Nutzen soll die Zuordnung zu einem 19er Schlüssel haben?

So können wir an dieser Stelle auf eine positive gerichtliche Entscheidung verweisen: Danach kann das Aussortieren vor Störstoffen sowohl ein Untertatbestand der Lagerung als auch ein Untertatbestand der Behandlung sein.

Schmuddelkind bleibt Schmuddelkind?

Erinnern wir uns zum guten Schluss an die salmonellenverseuchten Eier. Als vor diesen Eiern gewarnt wurde, waren in den Supermärkten die Regale für Bioeier aus regionaler Produktion wie leergefegt. Doch nur wenige Wochen später war alles wieder beim Alten: Bioeier waren wieder ausreichend verfügbar. Skandale in der Lebensmittelbranche kommen und werden schnell wieder vergessen.

Dagegen wirkt ein Skandal in der Entsorgungsbranche nach. Lange. Die Entsorgungsbranche ist – so scheint es jedenfalls – in der Öffentlichkeit und offenbar auch in den Augen mancher Richter immer noch eine Schmuddelbrache. Ganz egal, welchen technischen und bürokratischen Anforderungen sich die Firmen heutzutage stellen.

 
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©  2003-2019  Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2019-05-18
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