Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Früher war alles besser. Doch laden Sie heute jemanden zum Essen ein, den Sie noch nicht so gut kennen. Jemanden, der seine Kindheit in den 50er, 60er, 70er Jahren verbracht hat. Und Sie fragen vorsichtshalber, was er nicht mag. Zu ca. 90 % erhalten Sie die eine Antwort: Milchreis. Früher war alles besser? Nein, ganz bestimmt nicht! Doch es gab auch Selbstverständlichkeiten, die heute keine mehr sind. So z.B., dass sich die Anschaffung einer Waschmaschine durchaus lohnte, weil sie in der Regel mindestens 20 bis 30 Jahre funktionierte.
Langlebigkeit von Produkten
Auch heute wird die Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten gefordert. Die Nachhaltigkeit. Was man angesichts der Realität kaum mehr hören mag.
Eine heutige Waschmaschine der teureren Sorte hält vielleicht 5, wenn man Glück hat 7 Jahre. Manch ein T-Shirt, nicht unbedingt das Billigste, weist gelegentlich nach zweimaligem Waschen bereits die ersten Löcher auf. In Druckerpatronen ist die Lebensdauer sowieso per Chip vorgegeben. Unabhängig davon, wie viel Druckerfarbe noch in der Patrone enthalten ist. Und so manch einer schreckt auf, dass die so beliebt gewordenen E-Scooter nicht nur zu zum Teil höchst gefährlichen Unfällen führen, sondern teilweise nur ein halbes Jahr funktionsfähig sind.
Abfallvermeidung als oberstes Ziel?
Also nichts mit Nachhaltigkeit. Ob das so genannte Recht auf Reparatur, das aktuell auf EU-Ebene gestärkt werden soll, hier wirklich – nachhaltig – etwas bewirkt, bleibt abzuwarten. Bislang jedenfalls nichts mit Abfallvermeidung. Dabei wäre das die erste Maßnahme, die zu fördern wäre. Eigentlich. Stattdessen hat Presseberichten zufolge das Abfallaufkommen in Deutschland ein Rekordniveau erreicht. Dabei hätte die Langlebigkeit von Produkten neben der Abfallvermeidung einen weiteren positiven Effekt: CO2-Emissionen könnten nach diversen Berechnungen, so etwa durch das Europäische Umweltbüro, in enormem Umfang eingespart werden.
Aber solche Vorgaben an die Produktion will die Politik nicht treffen. Sie würden ja in die freie Wirtschaft eingreifen, die ihre Produkte möglichst viel und in möglichst kurzen Zeitabständen verkaufen will. Und die freie Wirtschaft, so scheint es jedenfalls, ist nun einmal unser höchstes Gut.
Reduzierung der Schadstoffe in Abfällen
Ähnlich sieht es bei den Inhaltsstoffen aus. Auch hier wäre – eigentlich – nur eine Maßgabe zielführend. Jedenfalls grundsätzlich sollten nur Produkte vermarktet werden dürfen, deren Rohstoffgewinnung und deren Produktion sozial- und umweltverträglich verläuft, die keine Schadstoffe enthalten und die nach Gebrauch grundsätzlich reparierbar sind, andernfalls umweltunschädlich verwertet werden könnten?
Doch auch solche Vorgaben an die Rohstoffgewinnung und die Produktion will die Politik – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – nicht treffen.
Ähnlich wie z.B. bei den Kreuzfahrtschiffen. Jedermann kann heute zur Kenntnis nehmen, dass diese neue Form des Massentourismus in immensem Umfang Stickoxide, CO2, Schwefeldioxid und Feinstaub freisetzt. Aber die Branche boomt. Man rechnet damit, dass von heute 2 Millionen Deutschen in wenigen Jahren 8 Millionen Deutsche pro Jahr eine Kreuzfahrt buchen und antreten werden. Bei einem solch boomenden Wirtschaftszweig kann man doch nicht nein sagen!
Und ob die Menschheit überhaupt bestimmte Produkte benötigt? So denken wir nun, im Herbst, natürlich an die unsäglich lauten Laubbläser, die mit viel Energie erzeugt werden und Energie verbrauchen. Und eigentlich vollkommen nutzlos sind.
Ungeklärte Entsorgungswege
Gleichzeitig werden Produkte vertrieben, für die bislang kein gesicherter Entsorgungsweg zur Verfügung steht. Man denke nur an die Gebäude-Isolierungen aus Verbundstoffen und die kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffe (CFK). Hiervon werden demnächst große Mengen anfallen, da mit dem Wegfall der EEG-Förderung viele Windkrafträder außer Betrieb genommen werden. Egal, dass diese durchaus noch Strom liefern könnten. Und man denke an Lithiumbatterien, die in den verschiedensten Anwendungsbereichen, so auch in den kurzlebigen E-Scootern, eingebaut werden und die das Brandrisiko, so auch in den Entsorgungsanlagen, erheblich erhöhen.
Seriöse Betreiber und Institutionen versuchen zwar, Entsorgungsmöglichkeiten zu entwickeln. Doch stehen diese eher noch auf Kindesbeinen. Für den Massenstrom dieser Abfälle, der auf uns zukommt, bestehen jedenfalls noch keine Lösungen.
Stellungnahmen zum Entwurf des KrWG
Nun liegen die Stellungnahmen der diversen Verbände zum Entwurf des neuen KrWG vor. Dem Gesetz, das die Grundlagen unserer Abfallwirtschaft regeln soll.
Herstellerverantwortung
So wird von manchen Verbänden nicht ganz zu Unrecht kritisiert, dass sich die Hersteller an den Kosten der Straßenreinigung von wild weggeworfenem Müll beteiligen sollen. Die Neuerung wird damit begründet, sie entspreche der Produktverantwortung. Nur, dass die Hersteller die Straßen selbst eigentlich nicht vermüllen. Sie stellen lediglich die Objekte her, gegen die die Politik wiederum nicht offensiv einschreiten will.
Umgekehrt soll – wir haben berichtet – die Rücknahme von Gütern nach Gebrauch durch den Handel erheblich erschwert werden. Dies, obwohl genau diese Rücknahme den Grundsätzen der Produktverantwortung entsprechen würde.
Obhutspflicht für Retouren
Die Obhutspflicht für die weitere Verwendung von Retouren im Onlinehandel soll verpflichtend vorgegeben werden. Nur, dass dann, wenn diese Retouren kostenlos z.B. an soziale Einrichtungen abgegeben werden, dennoch die MwSt fällig wird. Das schafft Anreize zur kostenfreien Abgabe der Retouren! Anstatt gleich klarzustellen, dass solche Abgaben selbstverständlich MwSt-frei sind.
Öffentliche Hand und örE
Die öffentliche Hand – jedenfalls die Bundesbehörden – soll künftig zwar eine vorrangige Verwendungspflicht von Sekundärrohstoffen haben. Aber eine weitergehende Verpflichtung, oder gar ein einklagbares Recht der Erzeuger von Sekundärrohstoffen, so auch von Ersatzbaustoffen, würde nach Ansicht der kommunalen Vertreter viel zu weit gehen. Warum? Weil sie auf dem Markt ihre Beschaffungsfreiheit beibehalten wollen. Dass die öffentliche Hand eigentlich eine Vorbildfunktion innehat, so gerade auch im Bausektor und damit zur vorrangigen Verwendung von Ersatzbaustoffen, wird lieber unter den Tisch gekehrt.
Umgekehrt kritisieren viele Verbände – natürlich – die vorgesehene Einführung der Klagebefugnis der örE bei angezeigten gewerblichen Sammlungen. Auch darüber haben wir berichtet.
Im Ergebnis mutet es an, dass mit den vorgesehenen Änderungen des KrWG die öffentliche Hand ihre Freiräume behalten und ihr Zugriff auf Abfälle gestärkt werden soll, ohne dass sich an dem Abfallaufkommen etwas ändern wird. Und ob das Recycling tatsächlich gestärkt wird …?
MantelV
Apropos Ersatzbaustoff. Die Arbeiten an der MantelV sollen weitergehen. Auf Basis des Treffens des BMU mit Vertretern der Länder-Umweltministerien am 12. September. Ein neuer Arbeitskreis wurde gegründet, in dem 8 Länder vertreten sind. Darunter auch Niedersachsen, das die ErsatzbaustoffV in der vorliegenden Fassung stets abgelehnt hat Und darunter auch der Freistaat Bayern, der bzgl. der Verfüllung die erweiterte Öffnungsklausel einfordert.
Erinnern wir uns daran, dass über die MantelV ursprünglich nur das geregelt werden sollte, was bundesweit einheitlich geregelt werden kann. Aufgrund der regional unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten sollte den Ländern – eigentlich – die Möglichkeit verbleiben, ergänzende Regelungen zu treffen. Eine von Bayern also absolut gerechtfertigte Forderung. Wir werden sehen, was bei den weiteren Verhandlungen herauskommen wird.
Kommen wir zurück zum Milchreis. Es soll tatsächlich Menschen geben, die ihn mögen. Und für solche Menschen bietet der heutige Markt natürlich auch sein Angebot. Milchreis, schön abgepackt in individuellen Portionen. In Plastikbechern. Natürlich.
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