Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Wir schreiben den 1. Dezember 2019. Der geneigte Leser weiß, dass wir für den Newsletter eine gewisse Vorlaufzeit benötigen. Den 1. Advent. Die Zeit der Besinnlichkeit, der Ruhe kehrt ein. Die Zeit der Besinnlichkeit, der Ruhe? Vom üblichen Vorweihnachtstrubel mal abgesehen: Aus allen Kanälen dröhnt nur „black friday“, „black Friday-Wochenende“ … Wie besinnlich! Als würde es im neuen Jahr nicht wieder irgendwelche Angebote geben. Aber wir sind in der Vorweihnachtszeit. Und die ist für den Handel nun einmal Hauptsaison.
Verbot von Plastiktüten
Noch wird man seine Weihnachtseinkäufe in Plastiktüten nach Hause tragen dürfen. Die sollen aber, wenn alles glatt läuft, ab dem 1. Juli 2020 verboten sein.
Handel und Verbände sind konsterniert. Manch ein Verband weist darauf hin, dass es keine sinnvollen, ökologischen Alternativen gibt. Ganz nebenbei beklagen sich die Altkleidersammler schon heute, dass die Altkleider nicht mehr schön verpackt in Plastiktüten in die Container geworfen werden. Und der Handel ist empört, da er bereits umfangreiche Maßnahmen auf Basis der getroffenen Selbstverpflichtung ergriffen hat und im Übrigen die Vorräte an Plastiktüten, die dann noch übrig bleiben, schlicht und einfach entsorgt werden müssten.
Dabei hatte das Bundesumweltministerium bereits vor gut einem Jahr den 5-Punkte-Plan beschlossen. Hierüber sollten wichtige Schritte hin zu weniger überflüssigen Verpackungen, weniger Produkten zum Wegwerfen, weniger Abfall sowie für mehr Recycling eingeleitet werden. Von aktuell immer mehr Müll hin zu immer weniger Müll, so das BMU.
Nur, dass recht eigentlich – außer der Selbstverpflichtung des Handels, weniger Plastiktüten in Umlauf zu bringen – keine konkreten Maßnahmen angegangen wurden. Und so fühlt sich der Handel etwas auf den Schlips getreten. Denn das Einzige, was passiert ist, ist seiner Selbstverpflichtung zu verdanken. Und nun noch das Verbot. Und so endete kürzlich der zweite runde Tisch zum Thema Verpackungsabfall ohne konkrete Ziele. Gleichzeitig räumte die Vertreterin des BMU ein, dass das Plastiktütenverbot sowieso eher Symbolcharakter habe.
Zero Waste City
Einen ähnlichen Symbolcharakter hat die von manchen Städten ausgerufene „Zero Waste City“. Berlin, München, wir werden sehen, wer noch alles folgt. Vorreiter war eine Straße in Paris. Ausgerechnet die rue du paradis, die Paradiesstraße. Dort wurde u.a. ein Straßenfest gefeiert, und tatsächlich hat jeder, der einen Beitrag in Form von etwas Essbarem geleistet hat, diesen möglichst ohne Verpackung mitgebracht. Na gut, zu Hause, bei der Vorbereitung des Festes, ist garantiert Abfall – auch Verpackungsmüll – angefallen. Aber den sah man dann auf dem Straßenfest nicht mehr. Das ist Fortschritt!
Konzept für verpackte Lebensmittel
Aktuell hat die Umweltministerkonferenz ein von der LAGA erstelltes „Konzept für die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von verpackten Lebensmittelabfällen“ freigegeben. Danach sollen Lebensmittelabfälle und deren Verpackungen grundsätzlich an der Anfallstelle, also dem Handel, bei Großverbrauchern oder in der Produktion, getrennt erfasst werden. Verpackte Lebensmittel sollen also entpackt werden. Auch dürfen verpackte Lebensmittelabfälle grundsätzlich nicht gemeinsam mit unverpackten Lebensmitteln erfasst werden. Das wird insbesondere den Handel freuen, wenn er künftig die aussortierten Lebensmittel erst einmal entpacken soll. Natürlich gibt es auch Ausnahmen von dieser Verpflichtung auf Basis der GewAbfV. Dann sind diese gemischt angefallenen Fraktionen gezielt zugelassenen Aufbereitungsanlagen zuzuführen.
Wie viel leichter täte sich der Handel, wenn er Lebensmittel, die an die Grenze des Mindesthaltbarkeitsdatums gelangen, unmittelbar und umsonst oder zu erheblich günstigeren Preisen abgeben würde. Oder an Tafeln. Oder zumindest die Mitnahme, so etwa das Containern, nicht verhindern würde. Stattdessen werden Leute, die Containern, wegen Diebstahls angezeigt. Egal, ob sie selbst bedürftig sind oder ob sie hierüber einfach ihren Unmut über die Lebensmittelverschwendung loswerden wollen.
Containern ist strafbar
Aktuell hat das Bayerische Oberste Landesgericht ein erstinstanzliches Urteil bestätigt, wonach Containern strafbar ist. Das sei Diebstahl. Trotz Aussonderung sei der Supermarkt weiterhin Eigentümer der Lebensmittel, wir hatten über die erstinstanzliche Entscheidung berichtet.
Das ist schon klasse. Jemand will etwas loswerden und wirft es deshalb in den Müllcontainer. Er will sich der Sachen entledigen. Aber sein Eigentum will er nicht aufgeben …?
Abgesehen davon ist natürlich jeder gegen Lebensmittelverschwendung!
Umweltstrafrecht
Apropos Strafrecht. Die europäische Kommission überprüft zurzeit die Wirksamkeit des Schutzes der Umwelt über das Strafrecht. Hierfür hat sie eine Anhörung gestartet.
Notifizierungspflichtige Abfallgemische …
Bleibt nur zu hoffen, dass hierüber nicht noch mehr eigentlich grün-gelistete Abfälle, die jedenfalls innerhalb der OECD-Staaten zum Zwecke der Verwertung ohne Notifizierung grenzüberschreitend verbracht werden dürfen, plötzlich als unzulässiges Gemisch eingestuft werden. Eigentlich grün-gelistete Abfallfraktionen, für die lediglich ein Entsorgungsvertrag vorliegen muss und bei der Verbringung das Formular des Anhangs VII der Abfallverbringungsverordnung mitgeführt werden muss. Sauber ausgefüllt natürlich. Sonst droht ein Bußgeldverfahren.
Eine abweichende Einstufung und damit die Einstufung als unzulässig verbrachtes Gemisch werden jedoch immer wieder angenommen. Denn ein Gemisch ist in der Regel und von ein paar Ausnahmen abgesehen, notifizierungspflichtig. Und eine grenzüberschreitende Verbringung ohne die erforderliche Notifizierung ist nun einmal eine Straftat.
… und Threshold Values
Das kann passieren auf Basis der so genannten Threshold Values von Februar 2016. Darin hat jeder Mitgliedstaat der EU festgehalten, welcher Störstoffanteil in eigentlich sortenreinen Abfallfraktionen enthalten sein darf. Manch ein Mitgliedstaat hat hier allgemeine, manch einer detaillierte Angaben gemacht. Deutschland hat sich nicht festgelegt und will eine case-by-case-Entscheidung treffen, sich eine Einzelfallentscheidung vorbehalten. Soll also vor jeder Verbringung die zuständige Verbringungsbehörde gefragt werden, welcher Anteil welcher Störstoffe in einem grün-gelisteten Abfall enthalten sein darf?
Unabhängig davon kann jede Behörde und innerhalb einer Behörde jeder Behördenvertreter eine andere Einschätzung treffen, wann wegen der Störstoffe ein unzulässiges Gemisch anzunehmen ist. Damit wird der einheitliche Vollzug konterkariert. Auch wird der in Deutschland akzeptierte Störstoffanteil, so etwa nach der GewAbfV bis zu 5 %, bei grenzüberschreitenden Verbringungen nicht zugrunde gelegt, was eine Behinderung des freien Warenverkehrs bedeutet. Einschätzungen und Genehmigungen des jeweiligen Importlandes werden hingegen ignoriert. All dies steht der Rechtsprechung des EuGH – hier: dem Urteil vom 13. Februar 2003 bzgl. belgischer Zementindustrie – diametral entgegensteht.
So wurde von einer Behörde bereits hinterfragt, ob ein Gipsexport mit einem Anteil von 2,6 % Porenbetonsteinen nicht doch als unzulässiges Gemisch einzustufen sei. Und dies, obwohl diese Porenbetonsteine ohnehin die Verwertung in keiner Weise beeinträchtigten und im konkreten Fall in der Anlage explizit zugelassen waren.
Lithium-Batterien
Zurzeit wird auf Hochtouren diskutiert, ob auf Lithium-Batterien ein Pfand erhoben werden sollte. Anstatt diese ganze E-Mobilität und deren Folgen für Menschen und Umwelt einmal grundsätzlich zu hinterfragen. Wir werden darauf zurückkommen. Garantiert.
Zum guten Schluss wollen wir Ihnen Eines versprechen: auch bei uns wird es eine Nachweihnachtszeit geben. Und so werden wir Sie auch weiterhin auf dem Laufenden halten. Ebenfalls garantiert.
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