Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Mit ‚Wumms‘ will man aus der Krise herauskommen, so unser Bundesfinanzminister anlässlich des vorgelegten Konjunkturprogramms der Bundesregierung. Durchaus hübsch burschikos formuliert. Aber kommen wir mit der Senkung der MwSt. bis Ende 2020 wirklich weiter? Nach bisherigen Einschätzungen bedeutet die Umstellung für viele Firmen und Händler mehr Aufwand, als sie tatsächlich einsparen können, ganz unabhängig davon, ob sie die gesenkte MwSt. auch tatsächlich an den Verbraucher abgeben.
Der große ‚Wumms‘
Denn ab 1. Januar 2021 muss sowieso wieder die übliche Umsatzsteuer erhoben werden. Die einzigen, die von der Mehrarbeit profitieren dürften, sind eventuell (!) die Steuerberater. Und das einmalige Kindergeld von 300,- €: Werden damit dann auch das Pflegepersonal, auf das man ja so stolz war, sowie all diejenigen, die unter engsten Bedingungen im Home-Office gearbeitet haben, abgespeist werden?
Verschiedenste Institutionen und Verbände forderten hingegen, dass es für die Wiederherstellung und Neuordnung der von der Krise gebeutelten europäischen Wirtschaft eines umwelt- und klimapolitischen Rahmens bedarf, der sich an Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit orientieren solle. Wir haben berichtet. Die Chance für ein neues Wohlstandsmodell mit einer klimaneutralen Wirtschaft. Der von der EU angestrebte ‚Green Deel‘ solle keinesfalls abgeschwächt, Investitionen in bahnbrechende Innovationen, erneuerbare Energien, sauberen Verkehr, nachhaltige Lebensmittel und Naturschutz sollten gefördert werden.
Nachhaltige Kreislaufwirtschaft
So wurde auch vom Sachverständigenrat für Umweltfragen u.a. eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft gefordert. Abfälle müssten vermieden und ein weitgehendes, hochwertiges Recycling gefördert werden, was jedoch ökonomisch oftmals nicht konkurrenzfähig sei. Bislang soll ja nicht einmal die vorrangige Verpflichtung zur Verwendung von Recyclingstoffen in der Produktion oder durch die öffentliche Hand vorgegeben werden. Und solange die Ausbeutung der Rohstoffquellen, so z.B. für Kobalt, Wolfram und Lithium, unter sklavenartigen Arbeitsbedingungen aufrechterhalten wird, wird die Recyclingwirtschaft keine reelle Chance haben. Und die Ausgebeuteten sowieso nicht.
Umsatzsteuerprivileg der Kommunen
Nun ist bei vielen die Enttäuschung groß. Nur die Kommunen können sich zumindest etwas freuen. Sie sollen finanziell unterstützt werden. Und ihr Umsatzsteuerprivileg soll für weitere zwei Jahre verlängert werden. So müssen sie auch weiterhin keine MwSt. erheben und abführen, selbst dann, wenn sie vergleichbare Dienstleistungen anbieten wie der private Wettbewerb, so auch auf dem Entsorgungsmarkt. Das soll den Kommunen bei der Bewältigung der Krise helfen. Aber benötigen die privaten Unternehmen, so vor allem die kleinen und mittelständischen, diese Hilfe nicht genauso?
Kommunale Zusammenarbeit
Doch es gibt auch zwei Kröten, die die Kommunen wohl schlucken müssen. Die eine Kröte ist eine aktuelle Entscheidung des Europäische Gerichtshofs, der den Begriff der „kommunalen Zusammenarbeit“ konkretisiert hat. Denn der EuGH fordert tatsächlich eine kollaborative Zusammenarbeit der Kommunen, und nicht nur die Auftragsvergabe von einer Kommune an die andere. Es müsse eine gemeinsame Strategie der Partner erkennbar sein, gemeinsam öffentliche Dienstleistungen zu bündeln, um eine öffentliche Zusammenarbeit anzuerkennen und damit den Ausschluss der privaten Konkurrenz zu rechtfertigen.
Doch kein Klagerecht für die örE
Und eine weitere Kröte hat die Bundesregierung nun vorgelegt, indem sie das Klagerecht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gegen gewerbliche Sammlungen nun doch nicht in das KrWG aufnehmen will. Schön und gut. Aber hat die Bundesregierung ursprünglich nicht selbst und entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diese Klagebefugnis eben in dem novellierten KrWG aufnehmen wollen? Hat sie damit nicht selbst die Geister gerufen, …?
Krise zum Umdenken
Dabei hätte diese Krise durchaus Anlass zum Umdenken geben können. Spätestens jetzt! Benötigen wir wirklich eine Individualmobilität, auch wenn man sein Fahrzeug zu 90 % nur dazu nutzt, zur Arbeit und zum Supermarkt zu fahren? Brauchen wir wirklich Fast Fashion, auch wenn größtenteils minderwertige Kleidung unter skandalösen Bedingungen in Bangladesch, in China und anderen asiatischen Staaten hergestellt wird? Und die dort lebenden Menschen und die Umwelt vergiftet werden. Brauchen wir wirklich massenhaft Fleisch aus der Massentierhaltung von millionenfach geschundenen Tieren, wobei das Fleisch dieser Tiere in der Regel ohnehin keinen Geschmack mehr aufweist? Das Verbot der Haltung von Schweinen in ‚Kastenständen‘, wo sich die Tiere nicht bewegen und nicht einmal hinlegen können, wurde übrigens aktuell wieder einmal für mehrere Jahre ausgesetzt. Und die, die in den Schlachtbetrieben und in der Verarbeitung dieser armen Tiere arbeiten … Brauchen wir tatsächlich Massentourismus? Und den dann auch noch auf Kreuzfahrtschiffen, die die schönsten Hafenstädte verpesten? Die Liste könnte unendlich fortgesetzt werden.
Die Wirtschaft muss wachsen, immer weiterwachsen. So das gängige Argument. Doch ein solches stets wachsendes Wirtschaftswachstum wird selbst von manch einem konservativen Ökonomen mittlerweile in Zweifel gezogen. Was hingegen immer weiter wächst, sind die Abfallmengen. So haben diese im letzten Jahr einen neuen Rekordstand erreicht.
Müll in den Meeren
Auch der Müll in den Meeren, v.a. der Plastikmüll, wächst ungehindert zu ungeahnten Mengen an. Dem müsse Einhalt geboten werden. Bereits 2015 wurde der Plastikmüll in den Ozeanen auf ca. 100 bis 142 Millionen Tonnen geschätzt. Nach aktuellen Schätzungen kommen jährlich 8 bis 10 Mio. Tonnen hinzu.
Da mutet eine aktuelle Nachricht doch wirklich beruhigend an: Bestimmte chemische Abfälle aus Europa sollen künftig vermehrt in arktischen Regionen abgelagert werden. Die arktische Kälte solle genutzt werden. Bietet diese Kälte eine ähnliche Sicherheit wie Salzbergwerke, in denen atomarer Müll eingelagert wurde? Wie die Grube Asse?
Abfallverbringung und Störstoffe
Alle, die gelegentlich Abfälle grenzüberschreitend verbringen, kennen die entscheidende Gretchenfrage. Besteht eine Notifizierungspflicht oder reicht es aus, wenn das so genannte Anhang-VII-Formular mitgeführt wird? Und wenn es sich um Gemische handelt, müssten diese Gemische explizit von der Notifizierungspflicht ausgenommen sein.
Doch manch eine Behörde nahm schon dann ein notifizierungspflichtiges Gemisch an, wenn in einem zu verbringenden Abfällen Störstoffe enthalten waren. So wurde schon in Zweifel gezogen, ob es sich bei der Verbringung von Gipskartonplatten wirklich um eine notifizierungsfreie Verbringung handelt, weil 2,6 % Porenbetonsteine in der Ladung enthalten waren. Und dies, obwohl die Porenbetonsteine ohnehin ebenfalls in der Empfängeranlage zugelassen waren.
Begünstigt wurden solche Einstufungen durch die so genannten „threshold values“ von Februar 2016. Darin haben die Mitgliedstaaten der EU festgelegt, welcher Störstoffanteil bei einer grenzüberschreitenden Abfallverbringung zulässig sein darf. Und da hat Deutschland einfach eine ‚decisions on a case-by-case basis‘, also eine Einzelfallentscheidung, hereingeschrieben. Und damit kann jede Behörde und innerhalb einer Behörde jeder Behördenvertreter eine andere Einschätzung treffen, wann ein Abfall aufgrund der Störstoffe als Gemisch einzustufen ist. Mit der Folge, dass das Gemisch dann als notifizierungspflichtig eingestuft wurde. Und eine Verbringung ohne die erforderliche Notifizierung stellt nun einmal eine Straftat das.
Damit wurde der einheitliche Vollzug vollständig konterkariert. Der in Deutschland akzeptierte Störstoffanteil (so etwa nach der GewAbfV bis zu 5 %) wurde bei grenzüberschreitenden Verbringungen nicht zugrunde gelegt, was eine Behinderung des freien Warenverkehrs ist. Auch die Einschätzungen und Genehmigungen des jeweiligen Importlandes wurden ignoriert, was der Rechtsprechung des EuGH diametral entgegensteht – siehe Urteil von 2003 bzgl. belgischer Zementindustrie.
Doch dem hat der EuGH nun mit einem aktuellen Urteil von Mai 2020 einen Riegel vorgeschoben. Die Forderung nach quasi fremdstofffreien Abfallfraktionen sei nicht haltbar. Maßgebend sei allein, ob durch die Fremdstoffe (Störstoffe) das Gefahrenpotenzial der Abfälle erhöht oder ihre umweltgerechte Verwertung verhindert werde.
Wie sich nun so manch eine deutsche Behörde zu künftigen Verbringungen äußern wird? Wir werden es erleben …
Novelle der AltölV
Was die Novelle der AltölV betrifft, so verwehren sich die Verbände insbesondere dagegen, dass die Untersuchungslaboratorien künftig akkreditiert sein sollen. Eine solche Akkreditierung sei weit umfassender als das, was für die Anforderungen der AltölV in den betriebseigenen Laboren tatsächlich erforderlich sei. Und so entstünden vollkommen überflüssigerweise zusätzliche Kosten, Beeinträchtigungen und Behinderungen der bisher eigentlich gut funktionierenden und etablierten Altölverwertung.
Änderungen der DepV …
Dagegen ist die ursprünglich vorgesehene Änderung der Deponieverordnung, dass auch Deponien der Klasse 0 eine zusätzliche Abdichtungskomponente aufweisen sollen, in der aktuell überarbeiteten und veröffentlichen Fassung nicht mehr enthalten. Auch hierzu hatten wir berichtet. Und wir konnten die Sinnhaftigkeit dieser Forderung ohnehin nicht erkennen. Die Anforderungen sind nun insoweit nicht mehr verschärft worden. Immerhin.
… und MantelV
Apropos Deponien: Wie alljährlich wurden kürzlich die bundesweit verfügbaren Deponiekapazitäten vorgestellt. Mit der seit Jahren bestehenden Unbekannten: Was passiert, wenn die MantelV so kommt, wie sie zurzeit vorliegt.
Bleibt nur zu hoffen, dass die erweiterte Länderöffnungsklausel so, wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben, auch tatsächlich aufgenommen wird. Wenn die Verordnung denn tatsächlich kommen sollte. Denn nach dieser Öffnungsklausel soll es den Ländern möglich bleiben, weitergehende und bewährte Wege der Verfüllung von mineralischen Abfällen in Gruben, Brüchen und Tagebauen beizubehalten. Und wenn sich etwas bewährt hat, wie etwa der bayerische Verfüll-Leitfaden, der übrigens Anfang dieses Jahres in einer aktualisierten Fassung veröffentlicht wurde – warum nicht etwas Bewährtes und in Fachkreisen gut Durchdachtes einfach beibehalten!?
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