Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Vor Kurzem wurde auf einer Schulung verbreitet, eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung z.B. für eine Anlage zum Lagern und Behandeln von Abfällen verliere ihre Gültigkeit, wenn sie nicht ständig an die aktuelle Rechtslage angepasst würde. Spätestens nach sechs Jahren würde sie ihre Bestandskraft verlieren. Und wenn die Bestandskraft der BImSch-Genehmigung dahin ist, nun, dann handelt der Betreiber natürlich illegal. Und damit strafbar. Und kann natürlich auch keine Angebote auf Ausschreibung mehr abgeben.
Z.B. Zuordnung der Anlagen zur 4. BImSchV
Die erforderliche Aktualisierung betreffe z.B. auch die Anpassung der Genehmigung an die jeweils aktuellen Ziffern des Anhangs der 4. BImSchV. Und da die Ziffern immer wieder mal geändert werden, müsse größtes Augenmerk darauf gelegt werden, dass stets die jeweils aktuell geltenden Ziffern in der Genehmigung aufgeführt werden.
Das Ganze ist natürlich vollkommener Unsinn. Eine Genehmigung verliert ihre Bestandskraft, wenn die Anlage nicht innerhalb einer von der Behörde gesetzten Frist errichtet oder betrieben wird oder aber während eines Zeitraums von 3 Jahren nicht mehr betrieben wird. Gleiches gilt, wenn das Genehmigungserfordernis aufgehoben wird, d.h. wenn der Anlagentyp aus der Anlagenkatalog der 4. BImSchV (als genehmigungsbedürftige Anlage) gestrichen wird. So ist das abschließend gesetzlich geregelt. Und wie viele Anlagen arbeiten noch auf Basis von Uraltgenehmigungen, teilweise aus den 90er Jahren?
Gezielte Verunsicherung?
Doch was soll der rechtlich unhaltbare Unsinn, der – so scheint es – in manchen Seminaren und bei so mancher Beratung verbreitet wird? Soll die Unsicherheit der Betreiber von Entsorgungsanlagen, so vor allem der kleinen und mittelständischen, geschürt werden? Damit sie lieber freiwillig den Betrieb aufgeben und an einen der Konzerne verkaufen? Dient das Streuen solcher Falschmeldungen also der Verunsicherung? Wie oft hört man sowieso schon die Aussage von Betreibern, sie stünden ohnehin mit einem Fuße im Knast.
Unzulässige Verwertungswege
Gelegentlich wird auch gestreut, ein Verwertungsweg, der beschritten wird, sei unzulässig. Solche Einschätzungen werden gerne auch ohne genauere Kenntnis des konkreten Verwertungsverfahrens in die Welt gesetzt. Da kann man sich nur fragen: Cui bono? Auf gut Deutsch: Wem nutzt das Ganze?
Rechtslage tut ihr Übriges
Dabei tut die Rechtslage ihr Übriges. Ganz so, als seien manche Verordnungen ganz danach gestrickt, der Marktbereinigung zu dienen. Immer unverständlicher, immer komplizierter. Oder die neue TA Luft, die seit dem 1. Dezember 2021 gilt. Warum sollen alle möglichen Anlagen eingehaust und mit einer Luftabsaugung ausgestattet werden, auch wenn es niemals zu Beschwerden kam. Warum sollen z.B. Anlagen zum Lagern von Schrott grundsätzlich nur auf Betriebsflächen betrieben werden, die mit einer Decke aus Asphaltbeton, Beton oder gleichwertigem Material befestigt sind? Warum sollen z.B. ausgediente, nicht verunreinigte Stahlträger oder -rohre nur auf wasserundurchlässig befestigter Fläche lagern?
GewAbfV
So etwa auch der nach der GewAbfV geforderte Katalog der Anlagenaggregate, die die Betreiber einer Vorbehandlungsanlage vorzuhalten haben. Da muss man geradezu von Glück sprechen, dass auch von der LAGA klargestellt wurde, dass die Anlagen kaskadenförmig hintereinandergeschaltet werden können und eine händische Vorsortierung bereits ein Teil der Vorbehandlung sein kann. Und dass ein Vorbehandler eigenverantwortlich einschätzen kann, ob ein Gemisch überhaupt behandlungsfähig ist oder nicht, so etwa wegen starker Verschmutzung oder aus hygienischen Gründen.
Mantelverordnung
Eine ähnliche Skepsis kommt auf, wenn man die Regelungen der im Juli 2021 veröffentlichten MantelV im Detail betrachtet. Kein Produktstatus selbst von fraglos umweltunschädlichen Sekundärbaustoffen. Dokumentationspflichten noch und nöcher. Das alles wird den Einsatz von Ersatzbaustoffen alles andere als fördern. Für die Akzeptanz sind diese Vorgaben eher kontraproduktiv. Wer will schon Abfälle in seinen Bauvorhaben verwenden und sich dann auch noch mit umfangreichen Dokumentationspflichte belasten? Und wer will die erforderlichen Dokumentationen bis zum Sankt-Nimmerleinstag aufbewahren, bis irgendeine Baumaßnahme eventuell rückgebaut wird? Nur, um dann schon wieder zusätzlichen Dokumentationspflichten zu unterliegen?
Auch da kratzt man sich den Kopf und fragt sich: Cui bono?
Chemisches Recycling
Das chemische Recycling ist heiß in der Diskussion. Obwohl das ‚Green-Washing‘ schon regelmäßig kritisiert wird. Heraus käme letztlich eine Qualität von schmutzigem Kraftstoff, so manche Umweltorganisation. Doch selbst wenn eine halbwegs taugliche Qualität herauskäme, so bedarf es viel Energie. Und jedenfalls zurzeit können sowieso nur sortenreine Kunststofffraktionen entsprechend behandelt werden.
Dennoch verfolgen mehr und mehr Großunternehmen – Entsorger, Erzeuger großer Abfallmengen, gerne gepaart mit Energieunternehmen – das chemische Recycling. Ganz so, als wolle man einen neuen Markt etablieren, um das werkstoffliche Kunststoffrecycling mehr und mehr vom Markt zu verdrängen. Egal, wie die Resultate aus dem chemischen Recycling aussehen.
Verkaufsverpackungen
Bemerkenswert ist insoweit auch eine Stellungnahme des Bundesumweltministeriums in Bezug auf die Rücknahme von Verpackungen durch den Handel. War nicht die Zielsetzung der VerpackungsV, Hersteller und Vertreiber mehr für die von ihnen in den Verkehr gebrachten Verpackungen in die Verantwortung zu nehmen? Unabhängig davon, dass die VerpackungsV und nun das VerpackungsG eigentlich von Anfang an die Entsorgungsstrukturen auf den Kopf gestellt hatten. Und letztlich enorme Mengen an Plastikmüll weitab nach Asien verschifft wurden, wobei DSD natürlich nie entsprechende Exporte veranlasst hat.
Doch wenn der Handel als Vertreiber Verkaufsverpackungen freiwillig zurücknehmen will, sei das nicht vom VerpackungsG getragen, so das BMU. Die Wahrnehmung der Produktverantwortung sei im Gesetz abschließend geregelt. Damit bleiben Eigeninitiativen eben zur Wahrnehmung der Verantwortung der Hersteller und Vertreiber unzulässig. Wahrnehmung der Produktverantwortung heißt, sich an einem etablierten System zu beteiligen, aber bloß keine Eigenverantwortung zu übernehmen.
Umweltbestrebungen in Europa und der Welt
Kürzlich hatten wir noch – naja, nicht wirklich zuversichtlich – berichtet, wir hätten Grund zum Jubeln! Angesichts all der Wirren? Derweil ist die EU-Kommission aktiv und tut alles dafür, unsere Zukunft zu sichern! So wurde gerade der Green Deal im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft konkretisiert. Endlich weg von der Wegwerfgesellschaft und hin zu nachhaltigen, langlebigen, reparierbaren und wiederverwendbaren Produkten oder zumindest recycelbaren Abfällen. Ja, warum denn nicht gleich so? Und wie sind damit die ErsatzbaustoffV oder auch das chemische Recycling vereinbar?
Und da ist ja noch die internationale Vereinbarung, dass nun tatsächlich zügig ein internationales Abkommen zur Eindämmung der Meeresvermüllung geschlossen werden soll.
Weltklimarat
Und da ist auch noch der Weltklimarat. Aber halt, ehe wir uns vertun. Denn der ist alles andere als optimistisch. So wurden soeben höchst mahnende Worte im aktuellen Weltklimabericht geäußert. Für viele Landstriche, Menschen und Spezien sei es ohnehin schon zu spät. Und wenn nicht sofort und grundlegend etwas gegen die Erderwärmung passiere, dann steige diese wesentlich früher als gedacht auf ein nicht mehr umkehrbares Maß.
Da schließt sich der Kreis und wir zitieren noch einmal den größten deutschen Entsorger, der meint, die Herausforderungen des Klimaschutzes könnten sowieso nur durch die „internationalen Champions“ gestemmt werden.
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