Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Am 8. Dezember, hatten wir den nationalen Katastrophen-Alarm-Tag. Den Probealarm für hereinbrechende Katastrophen, so z.B. aufgrund des Klimawandels. Wir erinnern uns an die Bilder aus dem Ahrtal und aus Nordrhein-Westfalen. Aber dieser Katastrophen-Alarm-Tag hat – trotz aller Bekundungen, der Test sei ein Erfolg gewesen – nicht durchgängig geklappt. Jedenfalls nicht wirklich in der Hauptstadt Berlin und schon gar nicht in kleineren Städten wie etwa in Landsberg am Lech.
Katastrophenwarnung
Aber sind es wirklich die Signale, an denen es mangelt? Die notwendigen Kommunikationswege – Radio, Fernsehen, Megaphone auf Polizeiautos, Sirenen etc. – gibt es doch längst. Braucht es dafür wirklich eine ‚Warn-App‘?
Oder sind es die Entscheidungsträger, die im Zweifel den Katastrophenalarm ausrufen müssten, dies aber nicht tun? Jedenfalls im Ahrtal gab es hierfür ausreichend Anlass. Doch hat keiner der Verantwortlichen dies wirklich verantworten wollen. Mit all den desaströsen Folgen.
Denn das stellt Entscheidungsträger vor das dumme Problem, dass sie dann, wenn sie einen Alarm auszurufen, die Katastrophe dann aber doch nicht eintritt, sie als die ‚Blöden‘, die ‚Panikmacher‘ dastehen. Stattdessen gehen sie lieber nach Hause und sichern vorsichtshalber ihren eigenen Porsche. So, wie am Abend des 14. Juli 2021 im Ahrtal geschehen. Aber was ist, wenn die Katastrophe doch eintritt, so, wie im Juli 2021? Dann will natürlich keiner etwas gewusst haben!
Vorsorge bei den umweltrechtlichen Anforderungen
Ganz anders, so scheint es, will man bei den umweltrechtlichen Anforderungen vorgehen. So sollen die Böden jedenfalls in Deutschland noch besser geschützt werden. Nachdem z.B. fast die gesamte wasser-, luft- und natürlich auch bodenschädigende Textil-, Pharma- und Lederindustrie nach Süd-Ost-Asien und nach Südamerika verlagert wurde und dort die Menschen, die Flüsse, die Böden und generell die Umwelt vergiftet.
Mantelverordnung und Bodenschutz
Lange Zeit nach Verabschiedung der Mantelverordnung und mit ihr der Ersatzbaustoffverordnung im Juli 2021 war – was durchaus verwunderlich war – eine vertiefte Lethargie rund um diese Verordnung zu verspüren. Kaum eine Diskussion. Kaum eine Veröffentlichung hierzu. Wie in einer Schockstarre.
Seit diesem Herbst wird jedoch so manchem wieder klar, dass diese Verordnung nun schon bald, am 1. August 2023, in Kraft tritt. Wer diese Verordnung allerdings im Detail prüft, kann nur feststellen: Dies ist eine Anti-Recycling-Verordnung!
Prüfzeugnis und Dokumentationspflichten
Umso erstaunlicher ist, dass auf den im Herbst stattgefundenen Tagungen, in denen es vor allem um die EBV ging, es glimpflich vermieden wurde, auf Detailfragen und -probleme einzugehen. Wie etwa die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein neues Prüfzeugnis erteilt werden muss respektive unter welchen Voraussetzungen ein Prüfzeugnis entzogen werden kann. Immerhin soll das Prüfzeugnis künftig die Voraussetzung dafür sein, dass die erzeugten RC-Baustoffe überhaupt vermarktet werden dürfen! Ohne Prüfzeugnis ist dem Betreiber der Aufbereitungsanlage schlicht und einfach untersagt, seine aufbereiteten Produkte zu vermarkten!
Die umfangreichen Dokumentationspflichten stellen ohnehin eher eine Abschreckung zur Verwendung von Sekundärbaustoffen dar als dass sie zu einer Förderung der Akzeptanz führen. Doch auch dies wurde auf den aktuellen Kongressen und Tagungen kaum diskutiert. Das verwundert!
FAQ der LAGA
Positiv zu vermerken ist, das die Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall nun FAQs – frequently answered questios, also ‚Antworten auf häufig gestellte Fragen‘ – in Vorbereitung für eine LAGA-Vollzugshilfe zur EBV veröffentlichen will. Dem bisherigen Entwurf zu diesen FAQs ist zu entnehmen, dass tatsächlich und angesichts der Vorgaben der EBV einigermaßen praxistaugliche Konkretisierungen erfolgen sollen.
Bleibt zu hoffen, dass diese Konkretisierungen dann auch in den Vollzugshilfen Eingang finden.
Produktstatus nach der Rechtsprechung des EuGH
Mit Urteil vom 17. November 2022 hat der Europäische Gerichtshof seine Auffassung, wann der Produktstatus vorliegt, erfreulich klar bestätigt. In dem Urteil ging es um Böden, die nach österreichischem Recht der höchsten Qualitätsklasse zuzuordnen sind und wiederverwendet werden sollen.
Dabei hat sich der EuGH zum einen auf die generelle Zielsetzung des Abfallrechts gestützt. Danach stelle es einen erheblichen Vorteil für die Umwelt dar, wenn geeignete Materialien wiederverwendet werden, um das Entstehen von Abfällen zu verringern. Ferner trage die Wiederverwendung dem Schutze der natürlichen Ressourcen und zur Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft bei.
Zum anderen hat der EuGH streng nach Art. 6 Abs. 1 der europäischen Abfallrahmenrichtlinie geprüft, wann (wieder) von einem Produkt ausgegangen werden kann. § 5 Abs. 1 KrWG entspricht dieser Vorgabe. Alle Kriterien dieser Vorgaben hat der EuGH für den Bodenaushub bejaht. Dabei hat er auch betont, dass eine Prüfung / Sichtung des Stoffes oder Gegenstandes ausreichend sei, um von einem Verwertungsverfahren ausgehen zu können. Ferner hat er klargestellt, dass eine zeitweilige Zwischenlagerung bis zur tatsächlichen Verwendung an dem Ergebnis, dass es sich um Produkt handelt, nichts ändere.
Kriterien des EuGH und Mantelverordnung
Angesichts dieser Feststellungen des EuGH dürften die Vorgaben der Mantelverordnung ohnehin europarechtswidrig sein. Wenn durch die Aufbereitung wiedergewonnene oder als Nebenprodukt anfallende mineralische Materialien unbedenklich sind, den Produktnormen entsprechen und ein Markt für solche Baustoffe besteht, weshalb sollen sie dann den weiteren abfallrechtlichen Reglementarien unterliegen?
Einheitliche USB-Sticks
Stattdessen wird nun bejubelt, dass künftig einheitliche Ladegeräte für elektronische Geräte wie etwa Handys und Tablets vorgegeben werden sollen. Man fragt sich nur: War das nicht längst überfällig?
Die etwas älteren Leser unter uns erinnern sich sicherlich, dass es früher nur eine Sorte von Mineralwasserflaschen und nur eine Sorte von Bierflaschen gab. Man kaufte eine Kiste Wasser oder Bier – egal welcher Marke – und konnte die leergetrunkene Kiste wieder gegen Pfand in jedem (Getränke-)Supermarkt zurückgeben.
Wieso wurde das nicht von vorherein als Standard beibehalten und auch für die moderne Kommunikationstechnologie eingeführt? Mit Rücksicht auf die Marktinteressen? Es lebe der freie Markt! Auch wenn man nach für nach erkennt, dass dieser so manche Probleme erst hervorzaubert.
Auch andere abfallrechtlichen Initiativen sind natürlich auf europäischer und nationaler Ebene im Gange. Wir werden auf die interessanten Themen bald zurückkommen. Versprochen!
Krisenzeiten
Doch heute leben wir in Krisenzeiten.
Angesichts der unsäglichen Formulierungen der heutigen umweltrechtlichen Anforderungen könnte man glatt glauben, dass hier ganz andere Interessen im Spiel sind. Doch auch die, die sich z.B. vertieft mit dem aktuellen Strompreisbremsengesetz oder generell mit den Neuerungen im Energierecht beschäftigen, raufen sich die Haare. Die Vorgaben seien zu kompliziert, zu verquast, mit zu vielen Verweisen und Ausnahmetatbeständen etc.
So sind unsere neuen umweltrechtlichen Anforderungen also keine Ausnahme, sondern entsprechen der heutigen Gesetzgebung: Keiner kann sie mehr verstehen. Vielleicht soll sie auch keiner mehr verstehen…
Energie sparen
Nichtsdestotrotz sollen wir Energie sparen. Vor kurzem hatten italienische Physiker herausgefunden, wie man selbst beim Pasta-Kochen Energie sparen könne. Man werfe die Nudeln in kochendes Wasser und schalte den Herd dann aus. Die Nudeln werden trotzdem gar. Nur, dass die so gekochten Teigwaren dann angeblich nicht mehr nach Pasta, sondern nach Pappe schmecken. Aber was tun wir nicht alles, um Energie zu sparen!
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