Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Das Schneewittchen wird um die sieben Zwerge beraubt. So jedenfalls nach der Neuverfilmung des allseits bekannten Märchens. Sieben „magische Wesen“ sollen nun die Helferlein sein, was natürlich zu heftigen Debatten in den einschlägigen Kolumnen führt. Ist das „political correctness“? Geht noch die Bezeichnung ‚Eskimo‘? Und wem ist geholfen, wenn ein Mohrenkopf nun Schokokuss heißt? Und dann noch diese merkwürdige Schreibweise: Bürger:Innen, Lehrer*Innen usw. Doch ist dieses moderne Gendern wirklich geschlechtergerecht? Was ist z.B. mit den ‚Diversen‘?
EBV in Kraft
Aber auch wir haben neue Begriffe. Man spricht nicht mehr von Grenzwerten, sondern von Material- und Prüfwerten. Man spricht nicht mehr von Sekundärbaustoffen, sondern von Ersatzbaustoffen und Materialklassen.
Nur: Wird damit das Recycling gefördert?
Der Bundesrat
Bis zum 7. Juli hatten einige gehofft, der Bundesrat würde das Ruder noch rumreißen. Aber Pustekuchen. Es wurde beschlossen, der Novellierung der EBV so, wie vom Bund vorgesehen, zuzustimmen. Die Forderungen des Verkehrs-, Wirtschafts- und Wohnungsbauausschusses, wonach insbesondere der Produktstatus zumindest für bestimmte Sekundärbaustoffe, die alleinige Anwendung des Schüttelverfahrens 1 : 2, so auch beim Eignungsnachweis, sowie der Einbau auf kiesigem Untergrund noch kurzfristig geregelt werden sollten, sind nicht mehr durchgekommen. Der Bundesrat wollte das Inkrafttreten der Verordnung am 1. August 2023 nicht scheitern lassen.
Allerdings hat er einen Forderungskatalog aufgestellt, der im Zuge einer weiteren Novellierung der EBV, die baldmöglichst vorgenommen werden solle, zu berücksichtigen sei. Dies in Verbindung mit der Abfallende-Verordnung. Von einer Abfallende-Verordnung ist bislang allerdings entgegen der Ankündigung noch weit und breit nichts in Sicht. Nur, dass diese Verordnung – wieder einmal und aktuell – angekündigt wird.
Einheitliche Anforderungen
Nichtsdestotrotz rühmt sich das Bundesumweltministerium damit, endlich bundesweit einheitliche Anforderungen an die Verwertung mineralischer Abfälle aufgestellt zu haben. Ersatzbaustoffe könnten nun rechtssicher ohne wasserrechtliche Erlaubnis eingebaut werden.
Ohne wasserrechtliche Erlaubnis? Mag ja sein. Aber rechtssicher? Die EBV als solche ist kaum lesbar geschweige denn verständlich. Kann da von rechtssicher gesprochen werden? Sie wurde bereits einmal novelliert und weiterer Novellierungsbedarf wird gefordert. Und sie ist keineswegs praxisgerecht. Das Recycling wird ohne Anerkennung der aufbereiteten Materialien als Produkt ohnehin konterkariert.
Interpretationshilfen
So arbeitet die LAGA an der 2. Version der FAQ (frequently answered questions). Über die sollen Interpretationshilfen und Klarstellungen zur EBV geliefert werden, die das Ganze praxistauglicher gestalten sollen. Diese 2. Version ist aber bislang – gut 2 Wochen nach Inkrafttreten der Verordnung – noch immer nicht veröffentlicht.
Ländereigene Festlegungen
Daneben arbeiten die Länder fleißig an Übergangsregelungen bzw. an eigenen Klarstellungen zur EBV. Teilweise wird güteüberwachtes RC-0-Material als Produkt eingestuft, wobei die einschlägigen Verbände nicht zu Unrecht kritisieren, dass auch für andere Materialien der Produktstatus anerkannt werden müsse. Ein anderes Land erkennt diesen Standpunkt durchaus an und bezieht sich hinsichtlich des Produktstatus auf die §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 KrWG. Also die Paragraphen, die die Voraussetzungen festlegen, unter denen (wieder) von einem (Neben-)Produkt gesprochen werden kann.
Andere Länder haben praxisgerechte Interpretationen und Klarstellungen – so auch bezüglich des Produktstatus – rechtzeitig vor dem 1. August 2023 in Aussicht gestellt. Doch liegt bislang nichts Verbindliches vor.
Bundesweit einheitliche Anforderungen? Schon wieder Pustekuchen.
GewAbfV
Auch über die GewAbfV will der Bund zeitnah mit den Ländern wieder reden. Denn bereits im Frühjahr hatte eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes der Umsetzung dieser Verordnung ein ‚vernichtendes Zeugnis‘ ausgestellt. Keine ausreichende Getrennthaltung. Ein zu lascher Vollzug. Die Müllverbrennungsanlagen müssten mit in die Überwachung einbezogen werden. Und ohnehin landeten zu wenig gute Gemische in den Vorbehandlungsanlagen.
Der kleine Widerspruch, dass bei besserer Getrennthaltung weniger werthaltige Abfälle in den Gemischen bei den Vorbehandlern landen, wurde vor Erlass der GewAbfV noch kritisch hinterfragt. Zurzeit hört man jedoch nichts davon. Und dass kaum noch etwas sortenrein zurückgewonnen werden kann, wenn die Gemische erst einmal geschreddert sind, ist auch bekannt. Jeder weiß eigentlich, dass letztlich nur über eine sorgfältige händische Sortierung gut recycelbare Wertstoffe gewonnen werden können. Und wie MVA-Betreiber künftig kontrollieren sollen, ob da eventuell noch recycelbare Fraktionen in ihren Bunkern gelandet sind…?
Markt und Marktbereinigung
Doch über die vorgegebenen Anlagenaggregate hatten sich die großen Entsorger gefreut. Die kleinen Vorsortierer können diesen Anforderungen sowieso nicht stemmen, sodass die Gemische zwangsläufig bei ihnen landen. Eine Verordnung also zum Zwecke der Marktbereinigung? Dass diese Anlagen nun nicht ausgelastet sind, liegt aber sicherlich nicht an den ‚kleinen‘ Anlagen, in denen Wertstoffe händisch aussortiert werden!
Trotzdem hält man an den vorgegebenen Anlagenaggregaten fest. Denn Deutschland will ja Vorreiter der Recyclingtechnik sein – auch, um diese Techniken im Ausland zu verkaufen.
Chemisches Recycling
… soll das Recycling der Zukunft sein und das werkstoffliche Recycling von Kunststoffen ergänzen. Nur: Die Massen an Kunststoffen, die zurzeit global produziert, verwendet und anschließend zu Abfall werden, werden hierüber garantiert nicht im Kreislauf geführt. Schon gar nicht weltweit.
Unabhängig davon ist nach Verlautbarungen in der Fachpresse das chemische Recycling, wenn überhaupt, bislang nur für sortenreine Kunststoffe geeignet. Aber was nutzt das dann?
Neue Technologien
Apropos neue Technologien: Nun steuert man den Tiefseebergbau an. Denn in der Tiefsee lauert – angeblich – ein immenses Vorkommen an Manganknollen. Und diese Knollen sind vor allem wegen des vermuteten, relativ hohen Gehalts an Kupfer, Nickel und Kobalt höchst begehrt. All das wird für die großartige E-Mobilität benötigt. Das Dumme ist nur, dass die Auswirkungen des Tiefseebergbaus in keiner Weise abschätzbar sind, sei es für Flora, sei es für Fauna, sei es die gesamte Meeresökologie. Fachleute jedenfalls schätzen den Kenntnisstand bezüglich der Tiefsee noch schlechter ein als den über das Universum.
Kürzlich hatten wir uns über die Effizienz internationaler Übereinkommen ausgelassen. Nun hat die Staatengemeinschaft beschlossen, 30 Prozent der Meere bis zum Jahr 2030 als Schutzgebiete auszuweisen. Doch auch danach dürfen immerhin noch 70 % der Weltmeere im Zweifel ausgebeutet werden. Egal, mit welchen Konsequenzen. Doch unabhängig davon muss dieses Abkommen erst einmal von 60 Staaten ratifiziert werden. Gleichzeitig stellen nach aktuellen Informationen bereits jetzt schon einige Staaten mit interessierten Unternehmen im Rücken bei der Internationalen Meeresbodenbehörde Anträge, um in der Tiefsee Bergbau zu betreiben.
E-Mobilität
Kommen wir zurück zur ‚political correctness‘. Zunehmend kann man beobachten, wie Autofahrer zufrieden mit ihren E-Autos durch die Gegend kutschieren. Zufrieden darüber, etwas für die Umwelt zu tun. Kein Feinstaub. Kein CO2. Keine Stickoxide. Vollkommen unbeeindruckt davon, unter welchen Bedingungen für Mensch und Umwelt die für die E-Mobilität erforderlichen Stoffe Lithium, Kobalt und auch Kupfer in zunehmendem Maße ausgebeutet und die erforderliche Energie erzeugt werden.
Derweil haben sich die Brandereignisse durch Batterien in Recyclinganlagen drastisch erhöht. Manche Versicherungen wollen das Brandrisiko gar nicht mehr versichern, andere nur noch zu horrenden Preisen. Das bietet doch Entsorgungs- und Investitionssicherheit!
Aber der Glaube an den Fortschritt durch immer neue Technologien ist ungebrochen!
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