Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Wir könnten einen Fortsetzungsroman schreiben. Über den offenbar ungebremsten, unerschütterlichen Glauben unserer modernen Zivilgesellschaft an die moderne Technik. Dabei ist das Erstaunen darüber, dass man kein WhatsApp nutzt oder kein Online-Banking betreibt, noch das Geringste. Künftig sollen sich betagte, gebrechliche Menschen darüber freuen, dass ein Roboter mit ihnen Mensch-ärgere-Dich-nicht spielt. Roboter zur Entlastung des Personals in den Pflegeheimen. Dank KI! Ausreichend Pflegepersonal mit angemessener Bezahlung braucht’s dann auch nicht mehr.
KI in der Abfallwirtschaft
Doch nicht nur in diesem Bereich oder in der Werbung gilt KI als das Tollste, der neueste Schrei. Auch in der Abfallwirtschaft will man sich dem Trend nicht entziehen. So etwa KI-gesteuerte Sortiertechnik. Aber wir bleiben dabei: Die beste Sortierung, um recyclingfähige Wertstoffe zu erhalten, ist immer noch die händische Sortierung. Der GewAbfV zum Trotz. Doch sei, so konnte man kürzlich lesen, die Digitalisierung ein zentrales Instrument zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele. Na dann!
KI in der kommunalen Entsorgung
So könne neben den digital gesteuerten Sortier- und Aufbereitungstechniken die KI auch den öffentlich-rechtlichen Entsorgern helfen. Mit Navigations- und Telemetriesystemen könnten Informationen zur Sammeltour analysiert und visualisiert werden. Das Fahrzeugmanagement, die Revier- und Tourenplanung und das Auftragsmanagement könnten so optimiert werden. Naja. Reicht dafür nicht ein Stadtplan und eine gute Ortskenntnis? Da waren die Berichte über die Abfallsammlung mittels Pferdewagen in einzelnen belgischen und französischen Kommunen doch irgendwie sympathischer.
Dass mit dem Kunden wegen der säuberlich zu trennenden Abfallfraktionen ohnehin kommuniziert werden muss, nun, dies wird selbst von den Protagonisten der modernen Technologien hervorgehoben. Doch wollen die wahrscheinlich nur mittels App kommunizieren.
Energieverbrauch und Energiewende
Computerexperten berichten allerdings, dass die Server, die für die Digitalisierung und die Unmenge an Daten erforderlich sind, eine Unmenge an Strom verbrauchen. Dies angesichts der ausgerufenen Energiekrise.
Aber jetzt wird ja alles anders. Wir betreiben die Transformation unserer Energiepolitik. Die ist zwar, wenn überhaupt, erst am Anfang. Kohle und Gas werden unverändert in immensem Umfang eingesetzt. Aber das soll sich ändern. Mit dem aktuell laufenden Klimaschutzgipfel in Dubai? Wo der Präsident dieses Gipfels, ein Dr. Sultan, seines Zeichens Chef der nationalen Ölgesellschaft Adnoc, bereits klargestellt hat, dass man auf die fossilen Energien nicht verzichten werde. Das wäre ein Zurück in die Steinzeit.
Stattdessen sollten die betroffenen ärmeren Länder finanzielle Unterstützung erhalten. So wie nach dem allerersten Umweltgipfel in Rio 1992? Schon damals versprachen die Industriestaaten diesen Ländern finanzielle Unterstützung. Nur wurden die Versprechen niemals in dem versprochenen Umfang eingehalten.
Doch selbst wenn? Was haben die Menschen in der komplett verdorrten Sahelzone davon, wenn ihre Staatsführung Finanzmittel erhält. Wasser zum Tränken des Viehs, zum Bewässern ihrer Felder?
Plastikmüll
Nicht viel besser sieht es mit Plastikmüll aus. Vor gut 2 Wochen endete in Nairobi die einwöchige internationale Konferenz zum Thema Plastik. Die Verhandlungen über ein Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll sind jedoch ohne Einigung zu Ende gegangen.
Zwar wissen nun alle Konferenzteilnehmer, dass nach Schätzungen der UNEP inzwischen jedes Jahr etwa 10 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Gewässern der Welt landen. Andere Schätzungen liegen sogar bei 19 bis 23 Millionen Tonnen jährlich. Aber eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Man habe sich aber auf einen ‚Ausgangspunkt‘ für die Folgekonferenz im nächsten Jahr in Ottawa geeinigt. Hauptsache, die Konferenzen gehen weiter.
ABA-VwV
Nichtsdestotrotz werden neue Techniken gefordert, mit denen noch mehr Energie verbraucht wird. So hat die Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz bereits mitgeteilt, dass an den Vorgaben der Abfallbehandlungsanlagen-Verwaltungsvorschrift festgehalten werde. Also auch an der Kapselung und Abluftabsaugung, so etwa für Anlagen, in denen Altholz zum Zwecke der thermischen Verwertung gebrochen wird.
Warum? Weshalb? Eine Berieselung / Benebelung mit Wasser zur Staubniederschlagung ist da wesentlich effizienter, ohne dass viel Wasser oder Energie verschwendet wird. Die Gravitation wird genutzt. Und bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit muss – eigentlich – geprüft werden, ob die Anforderungen erforderlich sind. Sprich, es dürfen keine anderen, gleichfalls geeignete, aber mildere Mittel zur Verfügung stehen.
Doch die BVT-Schlussfolgerungen für Abfallbehandlungsanlagen müssten so umgesetzt werden, so die Begründung. Ach! Steht da nicht folgender zentraler Satz in den BVT: „Die in diesen BVT-Schlussfolgerungen genannten und beschriebenen Techniken sind weder normativ noch erschöpfend. Andere Techniken können eingesetzt werden, die ein mindestens gleichwertiges Umweltschutzniveau gewährleisten.“?
KAS-61
Bereits vor 11 Jahren wurde die KAS-25 von der Kommission für Anlagensicherheit vorgelegt. Eine Einstufung, wann Anlagen, in denen gefährliche Abfälle gehandhabt werden, unter die Störfallverordnung fallen. Diese Version stieß bei den Verbänden der Entsorgungswirtschaft auf erhebliche Kritik. Denn tatsächlich wurde ein Abfall, der Anteile an störstoffrelevanten Stoffen enthält, im Ganzen als störstoffrelevant eingestuft. Egal, wie groß oder wie gering der Anteil ist.
Nun liegt die überarbeitete Fassung als KAS-61 vor. Und auch in dieser Fassung werden als gefährlich eingestufte Abfälle der Prüfung unterzogen, ob sie als störfallrelevant einzustufen sind oder nicht. Glücklich kann sich derjenige schätzen, der gefährliche Abfälle handhabt, die generell als nicht störfallrelevant eingestuft sind. Wie etwa Asbestzement, Dämmmaterial oder Altholz der Kategorie A IV. Bei anderen als gefährlich eingestuften Abfällen muss aber im Zweifel eine umfangreiche Prüfung erfolgen. Gefahrstoffexperten und Umweltchemiker sind gefragt!
EBV
Natürlich müssen wir auch hier auf das Dauerbrenner-Thema Ersatzbaustoffverordnung zurückkommen. Zwar haben die LAGA und z.B. auch Bayern Auslegungshilfen geliefert, die diese Verordnung tatsächlich etwas lebbarer machen. Doch selbst auf Grundlage dieser Auslegungshilfen bleiben Probleme.
So etwa die Einstufung von aufbereiteten RC-Baustoffe. Selbst sortenreiner Beton ist aufgrund der neuen Analyseverfahren immer wieder den schlechteren Materialklassen zuzuordnen.
Die mangelnde Akzeptanz von Sekundärbaustoffen. Weiterhin der Ausschluss von geeigneten Sekundärbaustoffen in öffentlichen Ausschreibungen. Nach wie vor kommt die öffentliche Hand der ihr zustehenden Vorbildfunktion, die Kreislaufwirtschaft im Bausektor zu fördern, nur vereinzelt nach. Und die Haufwerke an aufbereitetem Bauschutt wachsen in manchen Regionen in die Höhe. Die lahmende Bauwirtschaft tut ihr Übriges.
Doch auch die Verwaltung ist überfordert. Wie oft hört man zurzeit die Aussage von Vertretern der Kreisverwaltungsbehörden: Diese Verordnung ist schlicht und einfach nicht verständlich. Und so wagen Behördenvertreten - fast natürlich - kaum noch, verbindliche Aussagen zu treffen.
Sollte mit dieser so elend lang diskutierten Verordnung nicht eigentlich das Recycling und die Kreislaufwirtschaft jedenfalls für mineralische Abfälle gefördert werden?
Sachverständige
Kaum etwas geht noch ohne Prüfung durch Sachverständige. Und die Sachverständigen müssen natürlich zuverlässig sein. Kürzlich hatte das Verwaltungsgericht Osnabrück eine Entscheidung bestätigt, in der ein Prüfer für 2 Jahre aus der Liste der anerkannten Sachverständigen gestrichen wurde. Es ging es um einen Prüfer der zentralen Stelle Verpackungsregister. Der habe mehrfach grob pflichtwidrig gegen die Prüfleitlinien verstoßen.
Bleibt nur zu hoffen, dass das Kriterium ‚grob pflichtwidrig‘ künftig praxis- und sachgerecht ausgelegt wird.
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