Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Ja, wir hören es allüberall. Die stets wachsenden Kosten erdrücken. Die Bürokratie erdrückt. Gleichzeitig, und das schon seit langer Zeit, liest man allüberall die Forderung nach Bürokratieabbau. Vor allem von den etablierten Parteien selbst. Bürokratieabbau heißt bislang jedoch nur das Streichen von Posten in der Verwaltung. Gleichzeitig werden die umweltrechtlichen Vorschriften immer komplizierter. Dabei wäre es so einfach: „le mieux est l’ennemie du bien‘ = Das Beste ist des Guten Feind. Angemessene Vorgaben mit mehr Praxisnähe wären also die Lösung!
Risiken…
Ganz aktuell brannten am letzten Wochenende in Südfrankreich 900 Tonnen Lithium-Batterien. Im Departement Aveyron, das eigentlich für seine ländliche und – bislang noch – relativ unberührte Natur bekannt ist. Doch hat sich dort einer der führenden Batterierecycler Europas angesiedelt – und nun stiegen immense schwarze Rauchwolken auf.
Mit den regelmäßigen Meldungen über Brände in Abfalllägern und Recyclinganlagen aufgrund von Lithiumbatterien hatten wir uns bereits befasst… Und die gibt es nicht nur bei uns!
… und Nicht-Risiken
Doch welche unsäglichen Diskussionen muss man gelegentlich führen, wenn eine Behörde meint, einem Umweltskandal auf der Spur zu sein.
Glas, das als Produktionsrückstand anfällt und wieder in der Glasproduktion eingesetzt werden soll, sei Abfall. Doch gilt die anlageninterne Kreislaufführung entsprechend der gesetzlichen Definition nun mal als Abfallvermeidung! Und damit fällt erst gar kein Abfall an.
Aber damit nicht genug. Plötzlich soll sich Quarzfeinstaub bilden, wenn das Glas zerschlagen wird. Und solcher Staub sei ja krebserzeugend. Dass Quarzfeinstaub nach dem Schmelzvorgang fest im Glas eingebunden ist, wird glimpflich übersehen. Und dass dann alle, auch die von den Kommunen aufgestellten Altglascontainer eine immense Gefahr für die Nutzer und Anwohner bedeuten würden, wird ebenfalls glimpflich übersehen.
2 vor Zwölf
Bei manchen Themen ist es eher 5 nach Zwölf. Etwa beim Klimawandel. Als Kind im Rheinland war man vor langer Zeit neidisch auf bayerische Kinder. Dort gab es Schnee! Über Wochen und Monate hinweg. Doch kann man selbst im südlichen Bayern nur noch momentweise einen tatsächlichen Winter erleben.
Manchmal ist es aber auch 2 vor Zwölf. Oder 2 Tage vor Jahresende. So hatte die Bundesregierung einen Entwurf für eine Abfallendeverordnung für mineralische Abfälle noch vor Jahresende 2023 angekündigt. Ein solcher Entwurf wurde zwar nicht vorgelegt – was wohl ganz gut so ist! Denn die Eckpunkte, die für diese Verordnung am 29. Dezember 2023 – also mal wieder mitten in der Weihnachtspause – an die Verbände verteilt wurden, lassen alles andere als eine Förderung des Einsatzes von Sekundärbaustoffen erkennen.
Produktstatus nur für die Wenigsten der nach der EBV erzeugten Ersatzbaustoffe. Dies, obwohl nach der EBV selbst keinerlei nachteiligen Veränderungen für Boden oder Grundwasser zu besorgen sind, wenn die Sekundärbaustoffe entsprechend der Einbauweisen der EBV verwendet werden. Vielmehr soll für bestimmte Materialien der Produktstatus nicht anerkannt werden, obwohl diese nach der EBV überall eingesetzt werden können. Keinerlei Bezugnahme auf das grundlegende Urteil des EuGH vom 17.11.2022, also die ‚Porr-Entscheidung‘.
Daneben weiterhin keine Förderung der Akzeptanz; keine einklagbare Verpflichtung der öffentlichen Hand, tatsächlich vorrangig Sekundärbaustoffe zu verwenden. Was eigentlich der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand entsprechen würde. Usw.
Die einstigen Befürworter der EBV
Selbst die Tochter des einstigen Befürworters der EBV hat nun einen sieben-Punkte-Plan zur Optimierung der Kreislaufführung von mineralischen Abfällen vorgelegt. Mit Forderungen, die durchaus anderen Stellungnahmen zu den Eckpunkten entsprechen.
So hatte der Geschäftsführer des größten Entsorgers in Deutschland Anfang 2021 noch gepoltert. Danach könne es einem nach 15 Jahren Diskussion um die MantelV die Zornesröte ins Gesicht treiben, dass wir noch immer kein Ergebnis haben. Die Verordnung müsse endlich erlassen werden. Schuld daran seien die Bayern wegen ihrer Forderung nach der Öffnungsklausel für Verfüllungen. Dass diese Forderung während all der Jahre vorgetragen wurde, hatte dieser Geschäftsführer – neben anderem – schon vor 3 Jahren übersehen.
Doch nun hat offenbar das Tochterunternehmen dieses größten Entsorgers selbst gemerkt, dass mit der EBV, jedenfalls in der geltenden Fassung, und den bestehenden Rahmenbedingungen kein Blumentopf zu gewinnen ist.
Sulfat
Unabhängig davon bleiben manche Materialwerte in der EBV sowieso fragwürdig. So führt z.B. der Eluatwert für Sulfat bei RC-Bauschutt oftmals dazu, dass die aufbereiteten Materialien als RC-2 oder sogar RC-3 eingestuft werden müssen. Aber was ist so problematisch an Sulfat? Es ist nicht toxisch, nicht ökotoxisch. Es kommt ganz natürlich vor.
Ab einen Gehalt von 200 mg/l Sulfat gilt normales Trinkwasser als sulfathaltig. Bei Heilwasser gilt ein Gehalt ab 1.200 mg/l als stark sulfathaltig und als heilsam u.a. für die Verdauung, aber auch z.B. für die Zellstruktur von Haut und Haaren.
Was ist also das Problem, wenn sich im Eluat von RC-Baustoffen ein Gehalt von > 500 mg/l (also > RC-1) herausstellt? Zumal höhere Gehalte beim Eindringen in das Grundwasser sowieso und im wahrsten Sinne des Wortes verwässern! Sulfat sollte daher als verbindlicher Grenzwert schlicht und einfach gestrichen werden.
GewAbfV
Intensiv wird auch wieder über die GewAbfV diskutiert. Die Kaskadenvorbehandlung habe sich nicht bewährt. Die bisherigen Regelungen müssten auf den Prüfstand gestellt werden, um Investitionen in Vorbehandlungsanlagen sicherzustellen. Ach!
Der Verordnungsgeber gibt zunächst vor, dass die Vorbehandlung von gewerblichen Siedlungsabfällen unbedingt diverse Anlagenaggregate durchlaufen müsse. Gleichzeitig wird die Zulässigkeit der Kaskade – einschließlich der händischen Vorsortierung – bestätigt.
Dass nach einer Vorbehandlung – so insbesondere nach dem Schreddern – die Recyclingquote in der Regel enorm schrumpft, ist allseits bekannt. Doch sollen danach die vorgeschalteten Vorsortierer, bei denen tatsächlich Wertstoffe rückgewonnen werden, nicht mehr händisch vorsortieren dürfen. Für kleinere Unternehmen bliebe dann nur noch die Logistikleistung. Wofür dient das Umweltrecht? Dem Schutze der Umwelt? Oder der Sicherung von Marktpositionen?
Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie
Anfang des Jahres wurden Kritikpunkte zur nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie des Bundes veröffentlicht. Kritikpunkte, die insbesondere von den Umweltverbänden kamen und nicht ganz von der Hand zu weisen sind. So seien die beiden Stufen der Abfallhierarchie, Abfallvermeidung und Wiederverwendung, nach wie vor unterrepräsentiert. Stattdessen würden Scheinlösungen wie das chemische Recycling in den Vordergrund gerückt. Das chemische Recycling gilt jedoch als sehr energieintensiv. Und wird jedenfalls bislang ohnehin nur für sortenreine Plastikfraktionen als geeignet eingeschätzt.
Plastikabgabe
Die EU forciert die Plastikabgabe, um das Entstehen von Plastikmüll einzudämmen. Schön und gut. Ob ein Ohrreiniger, der nun nicht mehr aus Plastik besteht, und ein nicht mehr abtrennbarer Flaschenverschluss wirklich dazu beitragen, die Flut an Plastikmüll einzudämmen, nun, das mag dahinstehen.
Doch Deutschland – sprich: der Steuerzahler – zahlt nach Angaben in der Fachpresse an die EU zurzeit 1,4 Mrd. €, weil die Plastikabgabe noch nicht umgesetzt ist.
Und die Plastiklobby befürchtet, dass mit Einführung einer Plastikabgabe zunehmend auf Papierverbundmaterialien zurückgegriffen wird. Die sich noch schlechter recyceln lassen als Plastik selbst. Das ist Fortschritt!
Bürokratie
Kommen wir zurück zur Bürokratie. Ja, die erstickt alle. Und ja, die behindert oftmals positive, innovative Entwicklungen. Aber diese Bürokratie gab es auch schon unter vorherigen Regierungen. Und alle wollten und wollen natürlich den Bürokratieabbau fördern. Da, wo etwas tatsächlich schnell gehen soll, wie etwa bei den LNG-Terminals, geht es tatsächlich sehr schnell. Egal, woher das Flüssiggas stammt. Egal, wie es produziert wird.
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