Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Was mit KI, also der künstlichen Intelligenz, so alles möglich wird: Endlich könne man tierische Laute, etwa von Schweinen, interpretieren. Wann ein Tier zufrieden ist oder wann es z.B. Angst oder Panik hat. Ein erfahrener Züchter, der sich im Gegensatz zur Massentierhaltung tatsächlich noch mit den Schweinen beschäftigt, weiß das. Sowieso. Er kennt die Tiere. Oder ein KI-gesteuerter Herd, der weiß, wie lange was zu kochen hat. Super, wenn man selbst keine Ahnung vom Kochen hat. Wahrscheinlich kann man auch noch ‚gut durchgekocht‘ oder ‚al dente‘ einstellen.
KI in der Administration
Das ist Fortschritt auf höchstem Niveau, der auch den Behörden nicht vorenthalten werden soll. Neben diesen Absurditäten hören wir aktuell die Meldung aus einem Bundesland: Dort soll die KI zur Unterstützung und Vereinfachung der Arbeit der Verwaltungsbehörden eingesetzt werden. Doch was bedeutet das für die Abfallwirtschaft?
Die Abfalldefinition
Will etwa eine Behörde auf Teufel komm raus bestimmte Materialien wie etwa komplett sauberen Boden als Abfall einstufen, so gibt sie als Suchbegriffe einen Sachverhalt ein. Gekoppelt mit der Frage, wann was als Abfall einzustufen ist. Und siehe da: es erscheint die Definition des § 3 Abs. 1 KrWG: „Abfall im Sinne dieses Gesetzes sind alle Stoffe oder Gegenstände, …“
Die KI bestätigt den Verdacht, es handele sich um Abfall. Die Abfalleigenschaft des betreffenden Bodens ist gesichert gegeben. Die KI ist ja neutral und objektiv!
Technische Möglichkeiten
Daneben konnten wir vor nicht langer Zeit auf der IFAT wieder einmal die neuesten Entwicklungen, was an Entsorgungstechnik so alles möglich ist, bewundern. Noch größere Pressen, noch effektivere Sortieranlagen etc.
Egal, ob die im konkreten Fall überhaupt erforderlich sind. Egal, ob das Alles nicht auch händisch oder mit einfacheren technischen Mitteln zu bewerkstelligen wäre. Das Ganze zu einem wesentlich höheren Preis als bisherige Anlagenaggregate. Aber im besten Falle – natürlich – KI-gesteuert.
Bürokratie, Zertifizierungen etc.
Dass Unternehmen, so auch der Entsorgungsbranche, stets wachsenden Anforderungen an die Bürokratie – Zertifizierungen, Audits, Dokumentationen, Nachweise, Taxonomie etc. – ausgesetzt sind, nun, das bekommt jeder zu spüren. Wer kooperiert mit wem und ist der Kooperationspartner nachweislich ebenfalls auditiert / zertifiziert etc.? Das fragen heute manche Kunden ab. Ob damit die hochgelobten Vorgaben an den Datenschutz überhaupt gewahrt sind …?
Gerade kleine und kleinere mittelständische Firmen können diesen Aufwand kaum noch stemmen. Das ist allseits bekannt. Doch das spielt den Entsorgungskonzernen in die Hände. Denn die haben dafür ihre Abteilungen.
Der Green Deal
Gleichzeitig wurde kürzlich verkündet, der ‚Green Deal‘ werde weiter vorangetrieben. Auch wenn unsere alte und neue Kommissionspräsidentin bei ihrer Wiederwahl dieses Thema nicht mehr besonders hervorgehoben hat. Bei ihr stehen nun andere Aktivitäten auf dem Programm, die für uns alle ziemlich gefährlich werden können!
Aber der ‚Green Deal‘, also das Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, soll weiter gelten. Das Jahr 2050 erscheint zwar angesichts der bereits eingetretenen Klimaveränderungen ziemlich langfristig. Aber es steht – immerhin – auf dem Programm.
Und damit auch, dass ein ‚Tsunami an neuen Vorschriften‘, so auch für die Entsorgungsbranche, zu erwarten sei. Na, da rette sich, wer kann!
NKWS und Green Deal
Daneben grassieren zurzeit die Forderungen der diversen Verbände an die Umsetzung der NKWS – der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie – und natürlich auch des Green Deal. Jeder Verband fordert die für seine Interessen förderlichen Vorgaben.
Das ist dann aber auch wieder verbunden mit neuen Vorschriften. Und da man sowieso keinem mehr glauben will, diese Vorgaben tatsächlich einzuhalten, werden die Anforderungen an Zertifizierungen, Audits, Nachweise etc. sich wohl weiter verschärfen. Bürokratieabbau? Pustekuchen!
Endlager
Apropos lange Fristen: Für die Erkundung eines geeigneten Endlagers für hochradioaktiven Müll wird nun als Ziel das Jahr 2074 veranschlagt. Bis dahin soll ein solch geeignetes Endlager tatsächlich gefunden worden sein.
Das ist beruhigend, dass in immerhin 50 Jahren ein Standort für den gefährlichsten Müll, den es so gibt, auserkoren worden sein soll. Wenn man den Standort bis dahin gefunden haben sollte.
Und nochmals lange Zeit
Wer einer behördlichen und insoweit korrekten Anordnung nicht innerhalb einer vorgegebenen Frist nachkommt, riskiert im Zweifel ein Zwangsgeld. Oder sogar ein Bußgeld.
Anders sieht das bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern aus. Diese sind zwar seit fast 10 Jahren verpflichtet, Bioabfälle in ihrem Entsorgungsgebiet getrennt zu sammeln. Nichtsdestotrotz wurde nach Berechnung einschlägiger Verbände in 115 der 400 Kreise und kreisfreien Städte nach wie vor keine Biotonne eingeführt. Dabei stellt Kompost aus Bioabfällen einen sehr hochwertigen Wirtschaftsdünger dar.
Für manche Landkreise wollen wir insoweit durchaus Verständnis zeigen. Denn es gibt ländliche Gebiete, in denen die Eigenkompostierung durchgesetzt ist. Aber in den Ballungsräumen, den Hochhaussiedlungen …? Da darf sich der Bewohner glücklich schätzen, wenn ihm überhaupt ein Balkon zum Verweilen im Freien zur Verfügung steht.
Zweischneidig
Die Bewertung, welchen Anforderungen nachzukommen ist und welche man lieber vernachlässigt, wird also sehr zweischneidig vorgenommen. Aber Vorsicht, liebe Betreiber von Entsorgungsanlangen: Auf das Argument, man mache doch nichts anderes als viele öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger – dass man nämlich die vorgegebenen Anforderungen schlicht und einfach ignoriert – kann man sich nicht berufen!
Schade eigentlich.
Die Vorerkundungspflichten
des Veranlassers für Asbestanteile in Gebäuden, die abgerissen werden sollen, jedenfalls für solche Gebäude, die vor dem 31. Oktober 1993 errichtet wurden, wurden in der nun verabschiedeten Gefahrstoffverordnung wieder gestrichen. Der „Veranlasser“, also in der Regel der Bauherr, hat lediglich eine Mitwirkungspflicht. Er soll die ihm vorliegenden Informationen dem Abbruch- respektive Entsorgungsunternehmen zur Verfügung stellen.
Das bedeutet letztlich, dass das Abbruch- / Entsorgungsunternehmen die Vorerkundung auf asbesthaltige Anteile selbst vornehmen muss.
Doch wissen es alle zu Genüge: Bauherren schönen ohnehin gerne ihre vorgenommenen Erkundungen. Wie oft wurde Bodenaushub oder Bauschutt als unbelastet eingestuft und entsprechend ausgeschrieben. Und dann, im Zuge der Aushub-, Abriss- oder Entsorgungsarbeiten stellte sich die ganze Wahrheit heraus. Folge sind langwierige Nachverhandlungen über die zusätzlich entstandenen Kosten, die nicht selten in einem faulen Kompromiss enden.
Andererseits, und insoweit muss den Befürchtungen der Verbände Recht gegeben werden, wird es immer wieder Billigangebote von unseriösen Firmen geben. Auch auf Basis der „unproblematischen“ Ausschreibung. Und die asbesthaltigen Bauabfälle verschwinden wohin auch immer.
Eigentlich ist seit Langem anerkannt, dass Bauherren Abfallerzeuger und -besitzer sind. Doch soll ihnen auch dieses Mal keine Verantwortung übertragen werden.
KI und Bürokratieabbau?
Kommen wir zurück zur KI. Ob die eine Erleichterung bei den bürokratischen Anforderungen sein wird, nun, da hegen wir erhebliche Zweifel. Denn für alle ordnungsgemäßen Nachweise, Dokumentationen, Audits etc. sind immer noch die Firmen verantwortlich.
Ferner müsste die KI mit all den Informationen gefüttert werden, die für diese Dokumentationen erforderlich sind. Und es ist absehbar, dass selbst die KI an der Vielzahl der Vorschriften, mit denen sie zuvor gefüttert wurde, und den Widersprüchen, die in den Vorgaben enthalten sind, scheitert. Und wenn die KI dann auch noch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gelernt hat, dürfte sie endgültig durchdrehen. So, wie kürzlich ein Roboter in Südkorea, der sich (ob verzweifelt, das weiß man nicht) in den Abgrund stürzte und damit quasi einen (Roboter)Selbstmord verübte.
[ zurück zum Anfang ] © 2003-2024 Dr. Birgit Stede, Ihr Anwalt für Umweltrecht, Abfallrecht, Genehmigungsrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht sowie Umweltstrafrecht in Landsberg am Lech, Bayern und bundesweit. Diese Seite wurde zuletzt geändert am 2024-10-05 |