Rechtsanwältin Dr. Birgit Stede |
Das ist Klasse. Entbürokratisierung wird gefordert, ein Bürokratieentlastungsgesetz wird erlassen. Und nun? In 74 Artikeln muss man erst einmal schauen, was sich für wen in welchem Gesetz nun ändert. Im Zweifel wird sowieso alles komplizierter. Daneben gelten die bestehenden nationalen oder europäischen Regularien ohnehin weiter. So etwa – obwohl der gerade beendete Klimagipfel nun wirklich nichts Neues gebracht hat – die Anforderungen an die Berichterstattung zur CO2-Einsparung …, oder die EU- Nachhaltigkeitsberichterstattung …
Abfallendeverordnung
Dabei wird so manche Klarstellung von vielen dringend gefordert. So z.B. die angekündigte Abfallendeverordnung für aufbereitete MEB. Doch wird diese Verordnung wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode kommen.
Je nach Ausgang der Wahl im Februar wird man noch mindestens ein halbes / dreiviertel Jahr warten müssen, bis überhaupt wieder Gesetzesvorlagen und Verordnungen den Bundestag und Bundesrat passieren. Zurzeit besteht weitgehend (aber nicht vollkommene!) Funkstille.
Man fragt sich nur, was die Mitarbeiter in den Bundesministerien in der Zwischenzeit so treiben …
Produkteigenschaft und KrWG
Vielleicht ist es aber ganz gut so, dass die Abfallendeverordnung noch nicht kommt! Für Bayern z.B. ist dies angesichts der FAQ zur EBV, in denen generell auf § 5 Abs. 1 KrWG verwiesen wird, von Vorteil. Denn es wird erwartet, dass auch weiterhin nach der Bundesverordnung nur die besten Materialklassen den Produktstatus erhalten sollen. Und der Bund beabsichtigt jedenfalls bislang, die Frage der Produkteinstufung abschließend regeln zu wollen.
Eine eigenständige Produkteinstufung wäre dann nicht mehr möglich. Die gesetzliche Grundlage des § 5 Abs. 1 KrWG würde dann mal eben ausgehebelt.
So wäre es eher recycling- und kreislaufwirtschaftsförderlich, wenn der Bund am besten gar keine Abfallendeverordnung erlässt. Dann müssten sich nur die anderen Bundesländer auch hinreißen lassen, unmittelbar auf den Wortlaut des KrWG zurückzugreifen. Was kein Fehler wäre!
Steilvorlage durch den EuGH
Der EuGH hatte hierfür bereits mit seinem Urteil vom 17. November 2022 eine Steilvorlage geliefert. Denn der EuGH führt generell aus, dass Sachen, die zunächst als Abfall einzustufen sind, nach Durchlaufen eines Verwertungsprozesses und unter den weiteren Voraussetzungen der Abfallrahmenrichtlinie (die denen des § 5 Abs. 1 KrWG entsprechen), wieder als Produkt eingestuft werden können. Dabei kann schon allein die Prüfung und die Feststellung, dass das konkrete Material für die Wiederverwendung geeignet ist, dazu führen, dass die Abfalleigenschaft wieder entfällt.
Der EuGH hatte diese Entscheidung übrigens mit dem Erfordernis der Ressourcenschonung und der Nutzung von Stoffen, die aus Abfällen gewonnen werden, begründet.
16 Monate EBV
Die EBV ist nun 16 Monate in Kraft. Eine Verordnung, über die bundesweit einheitliche Regelungen an die Verwertung mineralischer Abfälle geschaffen werden sollten.
Im Ergebnis ist eine Verordnung entstanden, die aus diversen Gründen schon als verfassungswidrig eingestuft werden muss. Und lebbar wird das Ganze ohnehin erst durch die Konkretisierungen in den umfangreichen FAQ. Daneben treffen die Bundesländer ihre eigenen Regelungen und Interpretationen. Dass diese Verordnung zu einer bundesweit einheitlichen Praxis geführt hat? Tja,…!
BBodSchV
Nicht viel besser sieht es mit der Bundes-Bodenschutzverordnung aus, die mit der MantelV novelliert wurde. Allein die strikten Anforderungen an die Verfüllung lassen Zweifel an der Erforderlichkeit und damit der Verhältnismäßigkeit aufkommen.
Daneben hatte die Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Boden bereits im August 2023 Vollzugshilfen zu den §§ 6 – 8 BBodSchV veröffentlicht. Klasse: Kurz nach Inkrafttreten müssen erst einmal 108 Seiten zur Erläuterung von 3 §§ vollgeschrieben werden!
Klarstellungen im KrWG
Die tatsächlich einklagbare vorrangige Verwendungspflicht von Sekundärrohstoffen durch die öffentliche Hand ist hingegen und trotz der wiederholten Forderungen bislang nicht im Programm der Bundesregierung erschienen.
Ähnlich die Verantwortlichkeit des Bauherrn, der – eigentlich – für die von ihm im Zuge der Baumaßnahmen verursachten Abfälle in die Verantwortung genommen werden müsste. Entsprechende Forderungen, dies gesetzlich klarzustellen, wurden schon im Rahmen der Novellierung des KrWG erhoben.
Aber Pustekuchen. Entsprechende Klarstellungen wurden nicht aufgenommen.
GefahrstoffV …
Vielmehr soll es trotz der Verbändekritik zu dem Entwurf zur GefStoffV dabei bleiben, dass die „Veranlasser“ von Abbruchmaßnahmen, also regelmäßig die Bauherrn, lediglich die ihnen bekannten Unterlagen bezüglich der Bausubstanz vorzulegen haben. Eine eigenständige Erkundungspflicht der „Veranlasser“ soll nicht vorgegeben werden. Damit werden die Bauherren auch nach dieser Verordnung in keiner Weise in die Verantwortung genommen.
Die neue GefStoffV soll übrigens – im Gegensatz zu anderen dringenden Themen – noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.
… und Asbestdialog
Und da ist noch der „Asbestdialog“. Dort hatte man sich darauf geeinigt, dass für Gebäude, die vor dem 31.10.1993 errichtet wurden, eine Erkundungspflicht hinsichtlich der Verwendung asbesthaltiger Materialien besteht. In dem nun veröffentlichten Kabinettsbeschluss der GefStoffV gilt als weitere Maßgabe, dass der Veranlasser Informationen über das Baujahr oder den Baubeginn zu geben hat, wenn dies zwischen 1993 und 1996 liegt. Auch in diesen Fällen, also über den Asbestdialog und die LAGA M23 hinaus, müssen dann weitere Erkundungen (eine Gefährdungsbeurteilung) hinsichtlich des Schadstoffgehalts und so auch des Asbestgehalts vorgenommen werden.
Einheitliche, in sich abgestimmte Vorgaben? Ja wo kämen wir denn da hin?
ABA-VwV
Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift Abfallbehandlungsanlagen, kurz: ABA-VwV, sollte die europäischen BVT-Schlussfolgerungen konkretisieren. Warum eigentlich? In den BVT steht doch schon alles detailliert drin. Naja, manches wollte man eben doch noch etwas genauer haben. So etwa mit Nr. 5.4.8.11b Absatz 2, wonach Anlagen, in denen Abfälle für die Verbrennung oder Mitverbrennung vorbehandelt werden, grundsätzlich eingehaust / gekapselt und mit Luftabsaugung auszustatten sind.
Gegen diese Maßgaben wurden aus verfassungsrechtlicher Sicht erhebliche Einwände erhoben. In diesem Fall übrigens nicht nur von den Vertretern der privaten Entsorgungswirtschaft. Nein, auch von der Anwaltskanzlei, die regelmäßig die Kommunen und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vertritt.
So wurde v.a. kritisiert, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sei, wenn gleichwertige Minderungsmaßnahmen für Staub und sonstige Schadstoffe nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Daneben sei auf den Gleichbehandlungsgrundsatz verwiesen. Denn ob z.B. Holz zum Zwecke der thermischen oder der werkstofflichen Verwertung gebrochen wird, ist den Emissionen letztlich egal. Im Übrigen widerspricht diese Vorgabe z.B. den BVT-Schlussfolgerungen selbst, soweit danach die Gravitation genutzt werden soll, und dem immissionsschutzrechtlichen Gebot, Energie sparsam und effizient zu verwenden.
Die LAI
Ganz aktuell hat daher die Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz Konkretisierungen auch zu Nr. 5.4.8.11b Absatz 2 der ABA-VwV getroffen. Danach seien im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit Abweichungen von den Anforderungen im Einzelfall bei gleichwertigen Minderungstechniken oder auf Basis einer Risikobewertung denkbar und möglich.
Solche Abweichungen sollen – hier ziert sich die LAI noch etwas – zwar grundsätzlich nur bei bestehenden Anlagen in Frage kommen. Aber grundsätzlich heißt nun mal grundsätzlich. Das heißt, es gibt Ausnahmen. Die schon allein wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Prinzips der Gleichbehandlung möglich bleiben müssen!
Wie wär’s denn, wenn prinzipiell bei neuen Vorgaben die Angemessenheit geprüft wird? Wenn erst einmal geschaut wird, was es schon gibt, und wie das Neue, wenn überhaupt erforderlich, systematisch die bestehenden Regularien fortschreibt? Und nicht stets neue Widersprüche geschaffen werden.
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